In Flammen-Torgau brennt lichterloh
Da es mein erster Besuch auf dem In Flammen war und ich zum Teil, wie ein überglücklicher Hund mit Reizüberflutung das Festival genossen habe, folgt nun ohne Umschweife mein Eindruck dieses tollen Festivals. Stolze 22 Künstler (von 39) will ich mir antun. Ob das gut geht?
Donnerstag – Torgau brennt wieder
Als erstes treffen wir uns bei Freunden, um unser Gepäck in einem Transporter zu verstauen. Während die aktuelle CD von WARDRUNA im Bus läuft, wird mit jedem Meter die Vorfreude auf das IN FLAMMEN OPEN AIR größer.
Gegen 15 Uhr kommen wir auf dem Gelände an und beginnen unser Lager in einem kleinen Waldstück zu errichten. Danach inspiziere ich mit Nina das Gelände. Ein großer Pluspunkt bei der Inspektion ist die Verbindung zu jedem wichtigen Ort auf dem Areal. Knapp 10 Minuten benötigt man für einen flotten Rundgang und gerade einmal 2 Minuten von der einen Bühne zur anderen.
Apropos Bühnen. Es gibt nur 2. Und das reicht vollkommen aus, denn ich habe keine Lust, zwischen 30 Bühnen hin und her zu hetzen. Bei einem gemütlichen Beisammensein und leckerer Verpflegung zieht es uns zur Zeltbühne. Dort wird übrigens den ganzen Abend über die Unterhaltung stattfinden (bis auf die Feuershow).
Los gehts!
18 Uhr spielen BLOODY VENGEANCE als erste Band auf dem IN FLAMMEN überhaupt und betören das schon gut gefüllte Zelt mit einer aggressiven, jedoch leider etwas austauschbaren Lehrstunde á la BLASPHEMY. Die Mischung aus Corpsepaint, Black und Death Metal kommt dennoch gut bei den Anwesenden an und nach 40 Minuten ist der Drops gelutscht.
Statt 19 Uhr pünktlich anzufangen, verspäten sich SEAR BLISS ein wenig, aber legen dafür einen fulminanten Start in ihr Set vor. Das Zelt ist mittlerweile voll und nach jedem Song bekommen die Ungarn lauten Applaus, was wohl an der spürbaren Leidenschaft und der exotischen Instrumentierung (Posaune!) liegt. Besonders freue ich mich, als Sänger Andras noch für 2017 ein neues Album ankündigt. Nach dem Auftritt plauschen wir noch ein wenig mit den Musikern und gehen dann für kurze Zeit zu unserem Platz zurück.
Bekannte Gesichter
Doch die Ruhe währt nicht lange. Die griechischen Energiepakete SUICIDAL ANGELS sorgen mit ihrem Bay Area-Thrash für ordentlich Stimmung, sodass sich die Leute dazu hinreißen lassen, ihre Fäuste in die Luft zu recken und ein wenig zu pogen. Verständlich, wer bei solcher Musik ruhig in der Ecke sitzt und strickt, ist hier sowieso an der falschen Adresse.
Knapp 25 Minuten danach betreten HOLY MOSES die Bretter und begrüßen nun eine aus allen Nähten platzende Zeltbühne. Für die Fans wird alles geboten, was HOLY MOSES ausmacht. Zwar wird an manchen Ecken gerumpelt, aber das macht der urige Charme wieder wett. Sabina (Sängerin) betont während des Sets, dass sie sich auf dem IN FLAMMEN viel wohler fühlt als auf Wacken. Hier sei der Underground noch lebendig, meint sie. Da stimme ich ihr vollkommen zu.
Jetzt ist endlich wieder ein wenig Zeit, um dem Ambiente ein wenig Tribut zu zollen. Also schlendere ich über den Zeltplatz und treffe, wie zu erwarten, unsere Redakteure El Zecho und Don Promillo. Diese sind privat vor Ort und haben pünktlich mit ihrer „Hopfenkur“ angefangen und unterhalten mich mit ihren rosigen Knabenwangen bestens. Auch so mancher Musiker sitzt in dieser illustren Runde und gibt seinen Senf dazu.
22:30 Uhr beginnt nun die Feuershow „Weltenbrand“. Da stehe ich nun und bestaune so manchen beeindruckenden Trick mit den Flammen, doch wenn ich ehrlich bin, ist der Einstieg mit Dubstep-Musik so gar nicht mein Ding. Das bessert sich Minuten später aber und am Ende sitzen viele zufriedene Gesichter um dieses tolle Spektakel. Nun aber auf zum Zelt, um sich den ein oder anderen Schlummertrunk einzuflößen.
Freitag – Das Leuchtfeuer lodert
Freitag ist „Grindcore-Zeit“. Das lässt mich aufhorchen und weckt Hoffnungen an Krach mit Niveau. Naja, immerhin ist es Krach, der Kurz vor Eins aus den Speakern dröhnt. Niveau ist in dem Fall nicht unbedingt in der Musik zu finden. MEATKNIFE starten ihr Set mit den für Goregrind typischen Intros und Samples. Doch statt leeren Rängen tummeln sich erstaunlich viele, dem Alkohol trotzende, Besucher vor der Hauptbühne herum. Im Gepäck haben sie Klopapierrollen, Klobürsten, Seifenblasgeräte und eine Ananas, um begeistert den stumpfen Grind mit den maskierten Gitarristen mit einem Circlepit zu würdigen. Schräg, aber amüsant!
Laut und ungezügelt
ARMADA und TRAITOR verpasse ich gekonnt, da so langsam sich der Hunger meldet. Durch eine bewusst ausgewählte Ernährung (Erdnüsse und Cashewkerne mit Bier) kehre ich drei viertel Drei zur Hauptbühne zurück. MACBETH durfte ich bereits eine Woche zuvor auf dem METAL FRENZY erleben und auch heute bin ich sehr angetan von dem beherzten Stageacting der Band. Den ganzen Auftritt kann ich mir jetzt aber nicht antun, da mich die extreme Lautstärke ein wenig überfordert. Eigentlich bin ich so einiges gewohnt (niemals Ohrenstöpsel benutzt), aber jetzt wird es mir zu bunt.
SINISTER ballern zwei Stunden später ihren Death Metal unwirsch aus den Speakern. Seltsam, ich habe eigentlich Thrash Metal erwartet. Aber die Old School-Walze tut es jetzt auch. Die ersten 3 Reihen headbangen schon munter zum tiefen Growl-Gesang, obgleich es vor der Bühne von Gästen wimmelt. Verschnaufpausen gibt es jetzt nur wenig, also nutze ich die Zeit, um die Merchstände genauer zu studieren.
Zum „Glück“ habe ich mein Geld vergessen, denn das geniale Angebot aus Tonträgern und Kleidung ist so verlockend, dass ich schon beim Anblick arm werde. So gehe ich (trotzdem arm und ohne Merch) zum Schauplatz, um wieder Death Metal der alten Schule auf die Lauscher zu bekommen. GRAVEYARD aus Spanien bekommen unverdient wenig Applaus, denn ich finde ihre Darbietung mehr als gelungen. Es ist immer noch ein bisschen laut, doch die tighte und gnadenlose Performance bereitet mir viel Freude.
Von Post Metal bis Black/Thrash
Leider verpasse ATARAXIE. Nina droht mir dafür Tritte mit ihren Stahlkappen an. Prima! Ich Depp! Also geht es in Richtung Zelt, um sich THE GREAT COLD in die Ohrmuscheln zu frachten. Und das gelingt vorzüglich. Die Kombo aus Hessen fällt mit ihrem instrumentalen Post Metal keinesfalls aus dem Rahmen. Sie begeistern mich stattdessen mit atmosphärischen Eruptionen, die durch angenehme Einschläge aus dem Doom Metal verfeinert werden. Für alle Anwesenden gilt: große Klasse!
Erwähnte ich, dass am Anfang keiner auf dem IN FLAMMEN zwischen den Bühnen hin und her eilen muss? Tja, das stimmt nicht ganz. Ich renne nach den letzten Tönen von THE GREAT COLD zum Headlinerpodest, wo SKANNERS bereits 50 Prozent ihres Pensums erledigt haben. Hier ist es deutlich voller und ich brauche bestimmt 2 Songs, um mich an die fröhlichen Heavy Metal-Klänge der Italiener zu gewöhnen. Hoher Falsettgesang zu energischen Rhythmen passt wunderbar, doch für mich ist es momentan ZU fröhlich, weshalb ich meine vier Buchstaben in unser Lager bewege.
Endlich ist die Zeit gekommen und ABSU treten auf. Seit dem DARK TROLL FESTIVAL habe ich mich in die Musik der Texaner verliebt. Und nun stehe ich wie ein kleines Kind vor ihnen und schüttel mein Haar. Während neben mir eine junge Frau bei jedem Song immer hysterischer jubelt und hinter mit ein Mann mittleren Alters erschreckend gut die cleanen Vocals zu „Stone Of Destiny“ vorträgt, knüppelt mir das Trio ihre kauzige Mischung aus vertracktem Black Thrash vor die Kauleiste. Dieses Mal spielt UND singt Schlagzeuger Proscriptor die Hälfte des Sets und überlässt die Schießbude später einem Livemusiker, um selber als charismatischer Frontmann zu überzeugen. Wahnsinn!
Episch und gemein
Der Abend schreitet unaufhaltsam voran und gleich sollen BATUSHKA den heimlichen Headliner mimen. Doch der ausgiebige Soundcheck sorgt für eine 20-minütige Verschiebung des Programms. Die (zahlreichen) Fans, welche schon tagsüber das Gelände bevölkerten, stehen sich die Beine in den Bauch. Ironischerweise sind die anonymen Musiker selbst auf der Bühne und checken unmaskiert ihre Instrumente.
Nachdem diese Prozedur überwunden ist, beginnt das stimmige Programm. 3 vermummte Männer unterstützen das Kollektiv als Chor und auch die Dekoration aus Altar, Kerzen, Schädeln und verzierten Gewändern kommt gut an. Das Ganze übt einen sakralen und theatralischen Eindruck auf mich aus. Ich muss gestehen, auch wenn BATUSHKA nicht ganz meinem Geschmack entsprechen, so gönne ich ihnen den lauten Jubel zu jeder Minute. Hier stehen alle da und bewundern die Show. Egal ob Death, Black oder Thrash-Liebhaber.
Durch das Delay fangen NIFELHEIM dementsprechend spät an. Mittlerweile ist es fast 0 Uhr, aber wie viele andere auch habe ich jetzt richtig
Bock auf eine akustische Schelle. Die erfolgt mit viehischem Geschrote aus Black Metal-Vocals und thrashigen Gitarren. Dazwischen noch eine Prise Heavy Metal und Rock ´N´ Roll und ich raste just vor Adrenalin aus. Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber NIFELHEIM sind an diesem Tag mein Headliner. Allein die kultige Aufmachung der Gebrüder Gustavsson ist mehr Metal als die meisten Kiddies mit ihren Bands.
„Du hast ne Glatze und nur noch an den Seiten Haare? Scheiß drauf! Nieten am ganzen Körper, sodass Opa sein Sessel auseinander fällt?
Ich verstehe die Frage nicht! Das muss so sein!“
Die Schweden sind zu 666 % authentisch und bieten zu einem super Sound allerlei Hass aus 27 Jahren Gebolze. Dabei tauchen auch Perlen wie das
allererste selbst geschriebene Stück auf. Und die Menge belohnt das Ganze mit lauten „Nifelheim!“-Sprechchören.
Demzufolge können KRISIUN für meine Begriffe nicht mit dieser Power der 3 vorherigen Bands mithalten. Das sehen bestimmt viele anders. Auch wenn sie alles geben, mich haben sie nicht mehr auf dem Schirm. Ich gehe jetzt glücklich, aber auch ein wenig geschafft zu meinem Nachtlager.
Samstag – Leicht verstrahlt
Da mein Körper während der stetigen Hitze Flüssigkeit braucht, nutze ich nachts über die Chance und reguliere meinen Haushalt mit so manchem Elixier der Bespaßung. Ein kleiner Atomrausch ist die logische Konsequenz. Nach ergiebigem Frühstück (Ninas Couscous!!!) kommt eine ernüchternde Meldung. SERRABULHO sagen ihren Auftritt ab, weil sich tragischerweise ein Todesfall im engsten Kreise ereignet hat. Verständlich.
Pünktlich um halb Zwei ertönt es aus den Boxen und Veranstalter Thomas meldet sich zu Wort. Kaffee und Kuchen werden jetzt an einer großen Tafel serviert. Da gibt es kaum Absagen und jede Menge Leute strömen herbei um sich an dem schwarzen Gold im Becher, sowie am selbst gebackenen Kuchen zu laben. Kompliment an den Veranstalter und seine Mitstreiter! Der Kuchen hat gemundet, der Kaffee jedoch war heiß begehrt. Halb so schlimm, ich kann ja noch welchen am Zelt trinken. Schließlich haben wir nette Nachbarn, die freundlicherweise mit uns teilen.
NASHMEH sorgen wohl für die interessanteste Begegnung des Tages. Ein paar der Bandmitglieder stammen aus dem Iran und leben seit geraumer Zeit in Berlin. Soweit so gut. Doch ihre Liveshow beinhaltet außergewöhnliche Instrumentierungen, wie ein Akkordeon und das Ausbleiben einer Bassgitarre.
Schrille Schreie und bewegende Töne
Durch die Gehörgänge dringen die östlich angehauchten Melodien und Rhythmen und auch die schrillen Schreie der Sängerin sind markerschütternd. Mitten auf der Bühne reißen 2 Frauen beharrlich Seiten aus der Bibel, dem Koran und der Talmud heraus. Anschließend essen (!) sie diese und spucken sie verächtlich aus. Das wirkt auf viele von uns faszinierend, erdrückend und intensiv. Nach dem Konzert bedanken Nina und ich uns herzlich bei den MusikerInnen. Nach diesem Spektakel laufe ich ziemlich geflasht zur Hauptbühne. 5 STABBED 4 CORPSES wirken dagegen wie ein harmloses Kätzchen. Goregrind auf dem Niveau eines Kindergeburtstages.
Bei DISBELIEF sieht es da schon anders aus. Unglaublich groovend schmettern die Urgesteine Hits wie „A Place To Hide“ oder „Navigator“ in die Menge. Viel Kraft, aber der Bühnenklang ist ab und zu matschig. Gerade gegen Ende erlebe ich eine Dezibelschwankung der Leadgitarre, die aber schnell behoben wird.
Das Abendbrot ruft nach mir, also schaufel ich mir wieder ein paar Nüsse in den Schacht. Im Anschluss doomen sich die irischen Märtyrer MOURNING BELOVETH in einen Zustand der Misere. Mein Gott, kann Melancholie schön sein. Redakteur Florian scherzt neben mir über die gelegentlichen Tempoausbrüche und prophezeit der Band ein Blitzerfoto.
Ein ganz großer Pluspunkt ist für mich in diesem Moment der leidenschaftliche Klargesang des zweiten Sängers. Gänsehaut pur! Bei ULTHA quillt das Zelt wieder über. Zu Recht, ULTHA haben sich über die Jahre sehr gesteigert und bieten eine mitreißende, hypnotische Darbietung. Dies scheint auch der Dame neben mir zu gefallen, wie ich anhand ihrer ekstatischen Bewegungen mit dem Fächer und ihren torkelnden Tanzschritten entnehmen kann.
Primetime am Entenfang
Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt mir jetzt nicht. FLESHGOD APOCALYPSE warten nur darauf, durch geschickte Mixturen aus Klassik und Death Metal die Leute zu überzeugen. Mission erfolgreich, würde ich sagen. Der krasse Operngesang, die Klamotten und natürlich der gewaltige Druck ihrer Musik zündet auch heute bei mir. Astrein!
Bei VALLENFYRE brauch ich wieder eine Pause, doch von unserem Campingplatz dringt Death Metal mit schleppenden Momenten an die Lauscher und unterhält alle gut.
Die Zeit verfliegt jetzt irgendwie noch mehr. MEMORIAM spielen nun als Co-Headliner eine würdige Show, die von dicken Gitarrenwänden, walzendem Mid- und Uptempo sowie dem charismatischen Sänger Karl Willetts lebt. Das kommt richtig gut an bei den Leuten und mundet auch meinem Verstand. Um 0:30 kredenzt uns dann das IN FLAMMEN seinen letzten Headliner. Die Panzerdivision MARDUK rollt erbarmungslos über Torgau und gibt sich bewusst distanziert zu rotem, blauem Licht, welches nur durch Stroboskop-Gewitter „aufgelockert“ wird. Ich sehe nur die Schemen der Musiker, aber das unterstreicht, denke ich, die bedrohliche Aura der Schweden perfekt. Die Zuschauer danken es MARDUK mit lautem Jubel zu Granaten wie „Materialized In Stone“.
In Flammen, ich komme wieder!
Uff! So viel Input und doch vergingen die Tage im Nu. Ich denke für uns alle ist es immer ein Zeichen der guten Laune und des Wohlfühlens, wenn kein einziges Mal das Gefühl der Langeweile oder Routine aufkommt. Ich für meinen Teil war schwer angetan vom IN FLAMMEN und statte gerne dem Entenfang nächstes Jahr erneut einen Besuch ab.
Danke an dieser Stelle an Nina für ihre Fotos und an die gesamte Crew vom IN FLAMMEN!
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