SUNKEN – In kalter Umarmung
SUNKEN – Departure
Veröffentlichungsdatum: 26.06.2017
Dauer: 52 Min.
Label: Nordavind Records
Stil: Black Metal
Was mache ich als Musikrezensent, wenn ich in einem obskuren Forum auf einen kleinen dänischen Underground-Act hingewiesen werde, der vor kurzer Zeit sein Debütalbum veröffentlicht hat? Und welches schon nach wenigen Eindrücken als sehr hörenswert zu beschreiben ist und ich dennoch die Vermutung habe, dass dieser Rohdiamant in der Flut der Veröffentlichungen untergehen wird? Richtig, ich schreibe ein Review!
So bin ich zum Debüt „Departure“ des dänischen Quartetts SUNKEN gekommen. Die 2012 gegründete Formation, welche zu Demozeiten noch unter dem Namen ARESCET musizierte, haut mit ihrer ersten Langrille vertonte Wut, Ekstase aber auch Melancholie in Reinkultur heraus. Zu dieser Einschätzung komme ich nach kurzer Zeit, in weiteren Hördurchgängen offenbart sich jedoch unter der brodelnden Oberfläche noch weitaus mehr. Davon berichte ich im Folgenden.
Unter der Oberfläche
„Departure“ teilt sich in vier überlange Stücke und bekommt mit „A solemn initation“ ein sphärisches Intro vorangestellt, welches nett, aber auch ein wenig beliebig klingt. Zum Ende hin bahnt sich jedoch verzerrtes Gepolter an, steigert sich in Lautstärke und Intensität, und mündet schließlich mit unbändiger Wut in den Opener „Void“, der sofort mit extremen Blasts und schneidenden Gitarren voran prescht. Das Stück kontrastiert diese schnellen Passagen mit reduzierten Parts und Midtempo-Abschnitten, die von cleanen Gitarren durchzogen werden und in ihrer Melancholie ein wenig an AGALLOCH erinnern.
Hervorzuheben ist hierbei, dass die Gitarrenwände zum einen sehr harsch und schneidend klingen, zum anderen jedoch auch einen epischen und leicht beschwingten Charakter aufweisen. Diese kombinierte Stilistik wird sich durch einen Großteil des Albums ziehen. Gesanglich liefert Martin Skyum Thomasen eine verzweifelt klingende und dennoch kraftvolle Performance ab, die durch ihren verzerrten Klang nur noch roher wirkt. Bei den langen, kehligen Schreien kam mir hin und wieder auch Grutle von ENSLAVED in den Sinn. Alles in allem bietet der erste Song hochwertiges Schwarzmetall, das alle Vorzüge dieser extremen Musik vereint. Im Folgenden wird sich die Qualität und Intensität jedoch noch steigern.
Abschied vom Mittelmaß
Denn der nun folgende, namensgebende Song „Sunken“ ist ein wahres Feuerwerk moderner schwarzmetallischer Kunst. Anfangs erklingen cleane, fast schon post-rockige Gitarren und werden nur vom reduzierten Rhythmuspiel der Drums und der Bassgitarre begleitet. Flächige Synthies gesellen sich schlussendlich dazu, dann erklingt überfallartig ein Gitarrenfeedback und die wilde Jagd ist eröffnet. Mit einer schier unglaublichen Energie knüppeln die Dänen voran und kombinieren ihre Brutalität mit simplen Tremolo-Gitarren, die ihre atmosphärische Wirkung nicht verfehlen. Wer die schwarzmetallischen Ausflüge DOWNFALL OF GAIAs kennt, bekommt hier ihren großen Bruder an die Seite gestellt. Das ist durch und durch klassisches Black-Metal-Songwriting, in diesem Fall jedoch mit so einer Hingabe und Perfektion gespielt, dass es eine wahre Freude ist. Respekt!
Im Titeltrack „Departure“ vereinen sich die verschiedenen Stilelemente der vorangegangenen Stücke und erzeugen eine große Dynamik. Midtempo wechselt sich mit Geblaste ab, Melodien gesellen sich dazu, nur um rauem Geschrote wieder das Zepter zu überlassen und sich schlussendlich mit epischen Synthies zu vereinen. Dies mündet in ein Finale, das mich emotional packt und alle Songfinessen zu einem angestrebten Climax führt. Ähnlich wie bei den Norwegern von VEMOD gelingt dieses Unterfangen auf ganzer Linie und entführt mich in andersweltliche Sphären.
Der Fünfzehnminüter „In the cold embrace of the Waves“ schließt das Album ab und hält das Level an Epik und Intensität über große Strecken aufrecht. Nachdem die erste Hälfte der Komposition im leichten Uptempo voranschreitet, wird die zweite Hälfte in gewohnter Manier von sehr schnellem Spiel und ruhigen Parts dominiert. Hierbei gefällt mir besonders das leicht jazzige Schlagzeugspiel, welches den Weg zu einem gleichermaßen harmonischen wie auch verschrobenen Finale ebnet, das abermals stark nach vorn geht, sphärische Gitarren, lange Schreie und flächige Synthesizerklänge bietet.
Die Formel
Somit ist die Stilistik auf „Departure“ in allen Songs klar abgesteckt, funktioniert jedoch fast jederzeit einwandfrei. Nichtsdestotrotz hätten manche Songabschnitte leicht verkürzt werden können, um nicht Gefahr zu laufen, totgespielt zu werden. Insgesamt bietet das Debüt von SUNKEN jedoch hochqualitativen Stoff zum Entkommen aus der Realität und des sich Verlierens in den andersweltlichen Klängen. Das ist ein großes Qualitätsmerkmal für diese Art von Musik und die raumgebende und dennoch nicht verwaschene Produktion sowie das stilsichere Albumcover unterstreicht diesen Eindruck.
„Departure“ schafft es mit jedem Hördurchlauf, mir das Gefühl von Raum und Zeit ein wenig zu entreißen, um mich einzig allein im Klangkosmos zu verlieren. Ich bin gespannt, was in Zukunft kommen wird, spielen doch SUNKEN mit ihrem Debüt bereits jetzt ganz oben in der Liga des atmosphärischen Black Metals mit. Ich hoffe, das Qualitätslevel kann gehalten werden. Doch zunächst bietet „Departure“ genug Stoff, um ein fürs andere Mal in diese kalten Tiefen hinab zu sinken. Over and out …
Autorenbewertung
Vorteile
+ eine dichte Atmosphäre
+ mitreißende Momente
+ gute Spannungsbögen mit epischen Ausgängen
+ eine absolut passende Produktion
Nachteile
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4 Kommentare
Ui, das Review liest sich gut und es klingt nach einer feinen Platte. Könnte was für mich sein^^
Danke und viel Spaß Micha!
Oli
Hey Oli,
Hab mir das Album reingefahren und bin auch absolut begeistert. Höre sehr selten Black Metal aber hier packt einen die Atmosphäre dermaßen… Man kann gar nicht anders als weiterhören. Nur für „kurz mal zwischendurch“ ist es gar nix…
Gruß
Hi Sascha,
es freut mich das dir das Album taugt. Für zwischendurch ist das Album definitv nichts.
Viel Spaß noch mit „Departure“.
Oli