DRAGONFORCE On Tour – Fantasy und Highspeed
10 von 10!
So lautete meine Bewertung, als im Mai das neue Album „Reaching Into Infinity“ von DRAGONFORCE erschien. Wer etwas für Power Metal übrig hat, kommt über kurz oder lang kaum an der britischen Band vorbei. Sollte derjenige auch nicht, denn als Band, die sich aufgrund ihrer atemberaubenden Geschwindigkeit vor vielen Jahren quasi ihren eigenen Guitar-Hero-Schwierigkeitsgrad verdiente, sticht die Gruppe aus der Masse heraus. Mit dem neuerlichen Meisterwerk gibt es nun einen weiteren Grund, eine Show der Mannen um Herman Li und Sam Totman zu besuchen.
Auf großer Welttournee, welche DRAGONFORCE seit Release u.a. durch die USA, Australien, Neuseeland oder verschiedene Länder Asiens führte, ist in diesem Herbst auch Europa an der Reihe. Zu den fünf deutschen Stationen dieser Reise gehörte am 2. November auch das Columbiatheater Berlin. Nur logisch, dass ich die zweistündige Autofahrt auf mich nahm, um mir die Show zum neuen Album einmal zu Gemüte zu führen.
Jede Heldengruppe braucht ihren Sam!
Als sich gegen 19 Uhr die Pforten der Location öffnen, erwartet mich am anderen Ende des überraschend übersichtlichen, äußerst gemütlichen Raumes jedoch zunächste ein anderes Backdrop. Als Support für die Europa-Tour wurde TWILIGHT FORCE auserkoren, eine schwedische Power-Metal-Band, die den Fantasy-Regler auf die oberste Stufe stellt. Sowohl musikalisch als auch optisch!
So läutet der in dunkle Magierroben gekleidete Keyboarder Blackwald den Auftritt durch feierliches Heben seines mit einer violett glühenden Kugel versehenen Stabes ein, als wolle er danach fragen, wer aus dem Publikum mit dem heldenhaften Sextett in die Schlacht ziehen möchte. Sehr viele, denn es ist bereits jetzt rappelvoll im kleinen Saal. Dementsprechend geht bereits von Minute 1 an die Post ab, als die Band mit dem Opener „Battle Of Arcane Might“ ihres zweiten Albums „Heroes Of Mighty Magic“ beginnt und die Zuschauer in ihre bunte Fantasy-Welt eintauchen lässt. Dies fällt angesichts der Roben, Elfenohren und des Herr-der-Ringe-Sam-ähnlichen Sängers alles andere als schwer.
… Moment mal, an Sam kann ich mich aber nicht erinnern, seit wann singt der denn mit? Noch nicht besonders lange, schließlich kämpfte bis vor kurzem noch der wilder aussehende Chrileon am Mikro für die junge Band. Am 3. Oktober ließ die Band allerdings verlauten, dass dieser kein Teil der Band mehr sei. Die Rede ist von Chrileon als „Opfer dunkler Magie“, seinem von „Dunkelheit und Habgier verworrenen Geist“ und dem „Verlust seines Geburtsrechts auf den Smaragdthron“. Ihr wisst schon, das übliche Risiko, wenn man dunkle Schergen bekämpft! Nun steht jedenfalls ein bedeutend knuffigerer Sänger hinter dem Mikro. Kein unbekannter in der Power-Metal-Szene, schließlich handelt es sich hierbei um Tommy Johansson, Gitarrist bei SABATON und Kopf von REINXEED. Und dieser macht einen ausgezeichneten Job! Hätte ich die Band nicht bereits einmal live bewundern dürfen, so hätte ich den Unterschied wohl kaum bemerkt. Zwischen den neuen Titeln „To The Stars“ und „Riders Of The Dawn“ kommt es zu kleineren technischen Schwierigkeiten, welche Johansson und Blackwald aber gekonnt durch unterhaltsame Dialoge zu überbrücken wissen, obgleich die dröhnende Stimme des zuletzt erwähnten teils schwer zu verstehen ist. Fans des ersten Albums können sich während des Sets auch an „Gates Of Glory“ erfreuen, doch im Großen und Ganzen steht die Show ganz im Zeichen des neueren Werks. Eines der Highlights ist wohl die Darbietung von „There And Back Again“, einem wahrlich magischen Stück der zweiten Platte. Obgleich das Lied gerade zu Anfang (aufgrund Sängerin aus der Dose) nicht dieselbe Wirkung entfalten kann wie auf Platte, wirkt der Titel extrem beruhigend und bereitet mir mit den letzten Tönen eine wohlige Gänsehaut. Der Gruppe gelingt es, mich mit ihrer vollen Fantasy-Kitsch-Dröhnung vollends zu begeistern. Was dem einen vielleicht zu viel des Quietschbunten sein mag, lässt mich entzückt jubeln. Ich bin in Stimmung, jetzt dürfen die Headliner kommen!
Speed-UP!
Und war es eben schon voll, so bleibt jetzt kaum noch Platz in der Menge. Schließlich schaffe ich es doch, mir irgendwo rechts vor der Bühne einen recht geräumigen Platz mit guter Aussicht zu sichern. Daher kann ich mich um 21.15 Uhr voll und ganz den Headlinern DRAGONFORCE widmen, die erwartungsgemäß mit dem Intro zum neuen Album und dem anknüpfenden „Ashes Of The Dawn“ in den Abend starten und so die Fans in Ekstase versetzen. Mit den ersten Tönen zeigt sich bereits, dass der Ton auch hier sauber und Sänger Marc Hudson in hervorragender Form ist. Schon früh achtet die Truppe darauf, eine ausgewogene Mischung zwischen alten und neuen Titeln zu finden. So folgt auf den Opener des aktuellen Werks das altbekannte „Ground And Pound“, das dem aktuellen Titel „Judgement Day“ vorausgeht, an welchen wiederum „Seasons“ anknüpft.
Zwischen den Titeln bleibt Zeit für ein paar lockere Worte, ehe es mit „Curse Of Darkness“ wiederum etwas Neues zu hören gibt. Äußerst positiv fällt dabei die gute Laune aller Bandmitglieder auf. Na gut, fast aller Bandmitglieder, denn Keyboarder Vadim Pruzhanov setzt bei der aktuellen Tour aus, um mehr Zeit für seine Frau und Familie zu haben, so heißt es. Nun ja, geil klingt trotzdem, was da von der Bühne schallt. Der nach wie vor munter Grimassen schneidende Herman scheint ohnehin Spaß für zwei zu haben. Mit „Fury Of The Storm“, einem geradlinigen Stück aus dem 2004 erschienenen Werk „Sonic Firestorm“, spielt die Band ihre Hörer schließlich schwindlig. Zeit für das Halbzeit-Chillout inklusive mehrerer Soli und Instrumental-Duette und einem lockeren Sing-Along von Tonfolgen, das die Zuschauer beschäftigt, während die jeweils anderen Bandmitglieder die Möglichkeit erhalten, sich die „Beine zu vertreten“ oder von ihrem schwarzen in ihr weißes Hemd zu wechseln.
So, Zeit, wieder etwas Gas zu geben! „Edge Of The World“ stellt mit elf Minuten den längsten Titel des neuen Albums dar und schafft es doch dabei, nicht langweilig zu werden. Um jedoch ganz sicher zu gehen, dass nach einem so langen Track die Konzentration des Publikums nicht schwindet, werden die Zuschauer im folgenden „Cry Thunder“ eingebunden. Stark eingebunden. Vielleicht zu stark eingebunden. 15 Minuten des Gegeneinander-Ansingens zweier Saalhälften, gemeinschaftlichen Mitsingens und Quatschens auf der Bühne habe ich lange nicht mehr erlebt und ist an sich eine erheiternde Sache, letztendlich aber vielleicht doch etwas zu gut gemeint. Fünf Minuten weniger hätten es hier sicherlich auch getan.
1… 2… 3… und Currywurst!
Als letzten Titel des Haupt-Sets packen DRAGONFORCE mit „Valley Of The Damned“ nochmal einen der alten Klassiker aus – jedoch kein alter Schinken, sondern ein zeitloser Hit! Für einen optischen Hingucker sorgen auf der Bühne die leuchtenden LEDs in Hermans Gitarre, die er nur zu gern der immer noch feiernden Menge präsentiert.
Nach zehn Titeln folgt nun ein kurzer Break, der mir bewusst macht, dass die Leute wirklich alles skandieren, was sich skandieren lässt. „Su-per-markt“ und „Cur-ry-wurst“ habe ich noch kein Publikum zelebrieren hören … Wie dem auch sei, nach dieser merkwürdigen Erfahrung gibt es noch einmal zwei Titel als Bonus obendrauf. Mit „Three Hammers High“ entscheidet sich die Band doch noch für einen Titel aus dem „Maximum Overload“-Album, der trotz des falsch klatschenden Publikums wirklich gut ankommt. Hand aufs Herz: Meine lieben Berliner, das Klatschen auf der richtigen Zählzeit müsst ihr echt noch üben. Vielleicht klappt es zur nächsten Welttournee von DRAGONFORCE dann besser!
Unter großem Applaus folgt schließlich das heiß ersehnte Finale. Jeder eingefleischte Fan weiß, von welchem Titel die Rede ist. Für alle anderen: googelt mal „Through The Fire And The Flames“! Herman, Fred und Sam geben auf den letzten Metern an ihren Instrumenten noch einmal alles, sodass es dauert, bis der Jubel nach dem Ende des letzten Titels abflaut.
Fazit
Sowohl die Schweden von TWILIGHT FORCE als auch die Briten von DRAGONFORCE haben gezeigt, wie viel Freude sie daran haben, live vor einem begeisterten Publikum zu spielen. Wer seinen Power Metal richtig schön klischeemäßig mag und sich der fröhlich-verträumten, schnellen Musik hinzugeben bereit ist, darf diese beiden Truppen auf gar keinen Fall verpassen. Gute Laune garantiert!
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