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TIDEBRINGER Live in Tokio – Brachiale Flut im Moshpit

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Ihr seid eingefleischte Metalcore-Fans und auf der Suche nach ein paar neuen, coolen Bands? Dann seid Ihr mit diesem Livebericht genau an der richtigen Stelle gelandet! Heute verschlägt es mich in den westlichen Teil von Tokio, genauer gesagt nach Nakano. Zugegeben, ich bin nicht besonders oft in der Ecke unterwegs, aber wenn die kanadische Metalcore Band TIDEBRINGER dort ihre allererste Japan Tour eröffnet, ist das auf jeden Fall die Reise wert. Organisiert wurde die Tour mit der Unterstützung von RNR TOURS, mit denen ich bereits in der Vergangenheit mehrmals arbeiten durfte, da das Team des Öfteren einige spannende Bands nach Japan bringt. Als lokale Support Acts stehen außerdem GUNGIRE, CALLED BY MERCURY und CLONE OF VENGEANCE auf dem Programm. Damit offenbare ich hier gleich den zweiten Grund, wieso es mich heute zum ersten Mal in das Live House Nakano MOONSTEP verschlägt: Ich stehe regelmäßig für GUNGIRE hinter der Kamera und mache fleißig Fotos für die Jungs und Mädels – so auch heute. Daher kann ich aus vorheriger Erfahrung auch jetzt schon verraten, dass das heute ein ziemlich heißer – und lauter – Abend wird.

Die Sache mit dem Dezibel

Am späten Nachmittag, pünktlich zum Soundcheck von GUNGIRE, trödele ich im Club MOONSTEP ein. Nakano liegt westlich von Shinjuku und ist von dort aus bequem zu erreichen. Da sich das Live House mitten in einem Wohngebiet befindet, ist der Eingangsbereich mit diversen Warnungen zugepflastert, die die Gäste dazu auffordern, in den Abendstunden möglichst ruhig zu sein – verständlich. Außerdem hängen hier neben diversen Bandplakaten noch durchaus spannenden „Warnungen“ bezüglich des Mitführens von Alkohol. Aber wie man so schön sagt: Bilder sprechen mehr als tausend Worte. Nach einem kurzen Kampf mit der Tür – Ziehen und Drücken ist so eine Sache für sich – kann ich mir dann endlich auch selbst ein Bild von der Venue machen. Klein, gemütlich, etwas dunkel – ein klassisches, japanisches Live House mit eigenem Charme. Während des Soundchecks wandere ich ein bisschen vor der Bühne herum und je näher ich den Boxen komme, desto mehr fühlt sich mein Kopf danach an, als würde er jeden Moment explodieren. Es ist unheimlich laut. GUNGIRE Sängerin Nana hat mich bereits vorgewarnt.

Ohrstöpsel sind ohnehin ein unverzichtbares Accessoire für Konzerte, aber besonders in Japan, wo es keine strengen Lautstärkeregulationen wie in Deutschland gibt, ist es besonders wichtig, immer ein ordentliches Paar Ohrstöpsel mit dabei zu haben. Meine Nachfrage beim Personal des Clubs bestätigt meine Sorge nochmal: 120 Dezibel. Da klappt mir glatt kurz die Kinnlade runter. Der Tontechniker versichert sowohl der Band als auch mir, dass das während der Show kein Thema ist, und wenn der Saal voll ist, wird der Sound ohnehin gedämpft. Spoiler: Der Club ist der zweitlauteste, den ich je in Japan besucht habe. Lauter war nur eine Venue in Osaka. Nach dem Soundcheck bereiten Nana und ich das Merchandise von GUNGIRE vor und ich nutze die Zeit vor der Show, mich bei den Jungs von TIDEBRINGER vorzustellen. Erster Eindruck: Super sympathische Band.   

Nach und nach trudeln auch die Zuschauer ein, unter denen einige bekannte Gesichter sind, die regelmäßig zu GUNGIRE Shows kommen. Wie ihr seht, gerade bei kleineren Konzerten hier ist die Atmosphäre durchaus familiär. Nachdem ich kurz Hallo gesagt habe, mache ich meine Kamera bereit und suche mir einen guten Platz, um den Anfang der Show zu fotografieren. Schließlich geht’s schon in wenigen Minuten los.

GUNGIRE

Da ich vor dem Auftritt bereits einen Blick auf die Setlist geworfen habe, weiß ich, dass heute Abend quasi drei Premieren für die Band anstehen. GUNGIRE spielen nämlich drei neue Songs, die auf ihrem neuen Mini Album „Incitement“ enthalten sind. Mit einer entsprechenden Überraschung eröffnen sie auch ihr Set. Bei den Fans kommt das wunderbar an, denn die sind sofort voll in ihrem Element, kommen ganz nah an die Bühne und reißen ihre Hände gen Saaldecke, während sich in der Mitte des Raumes schon ein kleiner Moshpit formt. Für mich ist das schon Show-Routine bei GUNGIRE und ich suche mir die günstigste Position zum Fotografieren – schließlich bin ich auf Schlaghöhe. Der Reaktion des Publikums nach zu Urteilen kommen die neuen Songs sehr gut an: Die Setlist bietet genau den richtigen Mix zwischen emotionalen Momenten zum Mitsingen, wie beispielsweise „Lakeside“, mitreißenden Gitarren und Breakdowns während „Nothing In My Hands“ und bekannten Essentials wie „Summer Lover“.

Zwischendurch verschlägt es mich auch auf die Bühne – schließlich darf ich nicht vergessen, einige Fotos von Support Drummer Sujk zu schießen. Meine Aufgabe gestaltet sich heute Abend tatsächlich ziemlich schwierig, da es in der Venue finster wie im Entenarsch ist. Die Reaktionen des Publikums von der Bühne aus zu beobachten, macht trotzdem immer wieder Spaß. Von hier aus fällt mir auch erst auf, wie voll es heute tatsächlich geworden ist. Zum Ende des GUNGIRE Sets begebe ich mich wieder mitten ins Getümmel, wo ich auch die Mitglieder von TIDEBRINGER finde – die Jungs heizen die Stimmung ordentlich an und sind bei jedem Moshpit dabei. Als krönender Abschluss darf natürlich auch ein bisschen Crowdsurfing nicht fehlen – und auch da helfen TIDEBRINGER kräftig mit. Ich sag’s ja immer wieder: Bei den kleinen, intimen Metalshows hier gibt es keine Grenzen und im Pit werden alle zu Freunden. Allein das ist immer wieder ein tolles Erlebnis. Nach dem verschwitzen Auftritt geht es während der Umbaupause in den zweiten Stock und an die Bar – und zum Merchandise. Richtig gelesen: Nakano MOONSTEP ist auf zwei Etagen aufgeteilt. Die Stimmung an der Bar ist mindestens genauso ausgelassen wie vor der Bühne, denn viele der Fans kennen sich schon untereinander und irgendwie haben die Shows immer etwas von einem kleinen „Familientreffen“.

CALLED BY MERCURY

Mit CALLED BY MERCURY steht jetzt eine jüngere Band auf dem Programm, die ich und einige andere heute Abend zum ersten Mal sehen. Nachdem ich vor dem Konzert die Socials der Band gecheckt habe, bin ich ziemlich gespannt, denn was mich jetzt erwartet, beschreiben die Jungs selbst als eine „Fusion von Rave und Metal“. Zu Beginn des Sets ist es leider noch etwas leer und ruhiger auf dem Floor, da einige der Gäste sich noch an der Bar und beim Merch in der zweiten Etage aufhalten. Der Performance von CALLED BY MERCURY tut das aber keinen Abbruch, denn die geben auf der Bühne Vollgas. Unter anderem mit ihrer ersten Single „Acid“, die erst im Dezember letzten Jahres veröffentlicht wurde. Neben Rave-Elementen würzt die Band ihre Songs auch mit einigen Rap-Parts, wie zum Beispiel im Song „Bummed“, was eine erfrischende Überraschung ist. Nach und nach füllt sich der Floor nun auch mit mehr Zuschauern – die Vibrationen des Basses im zweiten Stock sind wohl ein klares Zeichen dafür, was hier gerade abgeht. Selbstverständlich sind auch TIDEBRINGER wieder in der Crowd am Start und heizen die Stimmung vor der Bühne ordentlich an. Davon mal abgesehen ist eines der besten Dinge an der Underground Szene von Tokio, neue Bands zu entdecken – oftmals findet man dabei auch richtige Geheimtipps.  

Während im Publikum ein kleiner Moshpit ausbricht, wirbeln die Jungs von CALLED BY MERCURY voller Energie über die Bühne. Mit Songs wie „Gargantua“ wird schnell klar, was mit „Rave Einflüssen“ gemeint ist, denn für einen Moment fühle ich mich wirklich, als wäre ich von einer Metalshow mitten in einen Rave teleportiert worden. Der heftige Breakdown holt mich dann aber schnell wieder zurück in die metallische Realität. CALLED BY MERCURY nehmen einen musikalisch wirklich mit auf eine Achterbahnfahrt. Den Reaktionen des Publikums nach zu Urteilen war ich auch nicht die Einzige, die ziemlich überrascht von der Band war. Die lokale Szene hier ist eben immer wieder für eine Überraschung gut. Nach 25 Minuten ist der Auftritt vorbei, und während sich die Zuschauer fast schon routiniert an die Bar begeben, wird im Erdgeschoss also für die dritte und letzte Support Band vorbereitet.

CLONE OF VENGEANCE

Da es unten ziemlich heiß ist, vertreibe ich mir die Wartezeit auf CLONE OF VENGEANCE ebenfalls an der Bar. Während ich mich mit einigen Gästen unterhalte, kommt das Thema Lautstärke noch einmal zur Sprache. Zeitweise konnten sie sich die Auftritte der Bands nicht vollständig ansehen, da es einfach zu laut war und sie eine Pause brauchten. Eventuell könnte der Club hier nachhelfen und bei Bedarf Ohrstöpsel zum Verkauf anbieten, wie es manch andere Venues hier machen – strenge Regulationen bzgl. Lautstärke wie in Deutschland gibt es hier – soweit mir das gesagt wurde – nämlich nicht.

Aber genug der Vorrede, denn es ist Stage Time für CLONE OF VENGEANCE! Die ich heute übrigens auch zum ersten Mal sehe. Die Band hat 2022 ihre ersten Singles „Reflection“ und „Hiraeth“ veröffentlicht. Für „Reflection“ haben sich CLONE OF VENGEANCE übrigens Unterstützung von Gaku Taura geholt, den einige von euch als Drummer von CRYSTAL LAKE kennen werden. Die Songs bieten eine gute Vorschau darauf, was das Publikum heute erwartet: Mitreißende Gitarren, eingängige Clean Vocals und Breakdowns, die es in sich haben. Ihren Metalcore Sound runden CLONE OF VENGEANCE mit einigen Nu Metal und Post Hardcore Elementen ab, was eine sehr gelungene Mischung ergibt. Vor allem die melodischen Parts gepaart mit cleanen Vocals gefallen mir sehr gut. Mittlerweile ist es auch wieder relativ voll geworden und die Band scheint einige, eingefleischte Fans mitgebracht zu haben, die ordentlich zur Atmosphäre der Show beitragen.

Allgemein scheint die Musik der Jungs wirklich gut beim Publikum anzukommen, denn kaum einer steht noch still. Bei der mitreißenden Bühnenpräsenz der Band ist das aber auch keine Überraschung. Mit „Memories“ von ihrer kürzlich veröffentlichen EP „Fade In Fath“ zeigen CLONE OF VENGEANCE ruhigere Momente, die eine erfrischende Abwechslung bieten. Ein perfekter Singalong-Moment, würde ich sagen. Derweil nutze ich die kurze Moshpit Pause glatt dafür, ein paar Fotos für den Livebericht zu machen – sofern die sporadische Beleuchtung das zulässt. Zum Abschluss des Sets geht es noch einmal wilder daher: Schließlich muss das Publikum für TIDEBRINGER ordentlich aufgewärmt sein. Was das betrifft, haben CLONE OF VENGEANCE ganze Arbeit geleistet. Ich bin bespannt, auf welchen Shows ich der Band in Zukunft noch begegnen werde. 

TIDEBRINGER

Langsam aber sicher wird es Zeit für das Grande Finale des Abends: TIDEBRINGER versprechen ein Fest für Core-Fans! Die fünfköpfige Band aus Kanada setzt sich zusammen aus Sänger Chris, den beiden Gitarristen Abel und Oliver, Bassist Kevin und Drummer Brandon. Nachdem ich die Jungs bereits bei den drei Support Bands im Pit gesehen habe, weiß ich bereits, dass ich mich jetzt auf einiges gefasst machen kann. Ich möchte hier übrigens noch einmal anmerken, dass ich es super sympathisch finde, wie TIDEBRINGER ihre Support Acts feiern und supporten. Das hat die Atmosphäre des Abends direkt noch einmal auf ein anderes Level gehoben. Entsprechend voll ist auch der Floor, denn neben den Fans tummeln sich hier auch die anderen Bands, um den Headliner des Abends entsprechend zu feiern. Wie zu erwarten geht es gleich zu Beginn des Auftritts in die Vollen: Nach dem Intro, welches in „Kreature“ übergeht, folgt mit „Hatewatching“ direkt ein Song, der es in sich hat – das Sprichwort „in der Kürze liegt die Würze“ ist in diesem Fall eine passende Beschreibung. Wie bereits erwähnt bin ich auf Schlaghöhe, daher wahre ich lieber etwas Sicherheitsabstand vom Moshpit – dort fliegen mittlerweile nämlich Ellenbogen und diverse andere Körperteile.    

Den Sicherheitsabstand behalte ich auch während „The Sickening“ bei, da die Pit-Situation sich nur intensiviert und ich meine Kamera gerne in einem Stück nach Hause nehmen möchte. Während der ruhigeren Momente voll „Hell“ wage ich mich dann doch einmal näher an die Bühne. Vorher wirft mir GUNGIRE Bassist Taichi noch einen ungläubigen Blick zu und fragt mich, ob ich mir auch wirklich sicher bin. Berufsrisiko eben, denn die Gelegenheit muss ich einfach nutzen. Während der melodischen Parts „Zero“ ergattere ich noch einmal die Chance, mich nach vorne zu schleichen, die mir aber leider vom sporadischen Licht zunichte gemacht wurde. Für „No King“ suche ich Zuflucht bei den Sound Ingenieuren, die mich freundlicherweise neben sich fotografieren lassen. Da ihre Position etwas erhöht ist, hat man von hier eine besonders gute Aussicht auf das Spektakel. TIDEBRINGER liefern eine beeindruckende Performance ab und die Crowd ist definitiv nicht zu halten. Selbst Sujk, Support Drummer von GUNGIRE wirbelt förmlich durch den Pit. Eine weitere Überraschung, mit der ich heute nicht gerechnet habe.

Für die letzten Songs beschließe ich, die Show einfach zu genießen. Während „Coward“ geben sowohl Band als auch Publikum noch einmal alles. Ich glaube, mittlerweile ist es hier drinnen so heiß geworden, dass Schweiß von der Decke tropft. TIDEBRINGER haben die Crowd wirklich gut im Griff im bieten zahlreiche intensive Momente um einfach nur abzugehen. Als dann aus dem Publikum wie im Chor „One more song!“ erklingt wird deutlich, dass TIDEBRINGER auf ganzer Linie überzeugt haben. Weil nur ein Song zum Abschluss aber nicht genug ist, gibt es direkt zwei. „Awake In The Hollow“ demonstriert wunderbar, dass auch für Singalongs prädestinierte, emotionale Melodien zum Repertoire der Band gehören. Da der heutige Abend ohnehin voller Überraschungen steckt, gibt es zum richtigen Abschluss einen noch unbetitelten, unveröffentlichten Song – wir dürfen also auf mehr gespannt sein. Eins ist sicher: Nach diesem Auftritt haben TIDEBRINGER einige neue Fans gewonnen.

Fazit

Schweißgebadet und sichtlich erschöpft wandern die Leute ein letztes Mal heute Abend Richtung Bar, zum Rehydrieren, Merch signieren und Fotos machen, solange sich die Gelegenheit bietet. Alle Bands nehmen sich noch einmal Zeit für ihre Fans und die Stimmung ist entsprechend ausgelassen. Definitiv ein sehr angenehmer Ausklang eines gelungenen Konzertabends. Nach dem Zapfenstreich ist es auch für die Bands langsam an der Zeit, zusammenzupacken. Bevor es nach Hause geht, steht natürlich noch das obligatorische Gruppenfoto auf dem Programm. Ein Tourstart wie der heutige muss schließlich entsprechend festgehalten werden! An dieser Stelle noch einmal ein großer Dank an RNR TOURS, die es ausländischen Bands immer wieder ermöglichen, in Japan zu touren, und den hiesigen Fans die Möglichkeit bieten, neue Musik zu entdecken! Sowohl Bands, die hier auf Tour gehen wollen als auch Musikfans, die sowohl die internationale als auch lokale Szene entdecken wollen, sind bei RNR TOURS bestens aufgehoben! Und das ist auch das Schlusswort des heutigen Berichts, ich muss nämlich noch den letzten Zug erwischen. Ach, und die Socials aller Bands findet ihr wie immer direkt unter dem Artikel – jetzt ist es aber wirklich genug. 


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