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Core Classics #6 – Between The Buried And Me

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Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

BETWEEN THE BURIED AND ME – Alaska
Veröffentlichungsdatum: 05.09.2005
Länge: 53:55 Min.
Label: Victory Records

Vergesst Gender-Studies, denn ich habe ein equivalent nutzloses Gebiet gefunden, was mit viel schlechteren Arbeitsplatzaussichten verbunden ist. Für die Band um die es mir heute geht, braucht man nämlich einen Master in Genre-Studies. Das klingt nicht nur gleich, sondern bezieht sich auf ebenso viele Genres wie es Gender gibt. Aber das reicht noch nicht, daher lege ich noch eine Schippe drauf: BETWEEN THE BURIED AND ME sind das OPETH der Core-Szene, vor allem aus dem Grund, dass die Musik mit der Zeit immer mehr an Brutalität und Death-Metal-Einfluss einbüßte, um sich gereifter und progressiver vorstellen zu können. Dabei ist eine Entdeckungsreise in ihre Musik eine, die den Zuhörer fesselt. Vor allem wenn er in einer chronologisch abfallenden Reihenfolge hört. Man wird sich mit jedem Album unwohler fühlen, da die Härte mehr und mehr die Oberhand gewinnt. Und dann geschieht nebenbei auch noch ein langsamer Abstieg in musikalisches Chaos, welches auf den neueren Alben auch vorhanden ist, aber nie mehr so, wie zum Beispiel auf ihrem Debüt-Album, zelebriert wird. Der Punkt an dem die Struktur endlich Einfluss auf diese jungen, abenteuerlustigen Musiker nahm, war mit „Alaska“ erreicht.

Mit einem neuen Line-Up – gleich drei Gründungsmitglieder verließen die Band ein Jahr zuvor – verzauberten die US-Amerikaner ihre Fans. Viele davon kommen aus unterschiedlichen Spektren der Musik-Szene. Denn Jazz, Mathcore, Death Metal, Metalcore, Black Metal und noch viele andere Einflüsse sind durch die Mauer aus Geräuschen wahrzunehmen. Immer ein Fels in der Brandung des Ozeans an positiven Kritiken, die diese Band einheimste, ist Tommy Rogers. Seine engelsgleichen Töne stammen sowohl vom Tasteninstrument, als auch aus seinem Mund. Denn der werte Herr fügt mit seinem Keyboard noch eine weitere Ebene hinzu, die auf allen Alben glänzt. Zudem hat er noch wunderschöne Haare und könnte ein Model für Calvin Klein sein, ein ansehnlicher und anhörbarer Mann. Aber ich habe mein Fanboytum fürs Erste genug ausgelebt und werde euch jetzt erst einmal eine Hörprobe dessen servieren, was BETWEEN THE BURIED AND ME heute noch auftischen.

Wer sich jetzt nicht in die Gitarren und Rogers Stimme verliebt hat, dem kann ich nur mein größtes Beileid aussprechen. Für die anderen geht es jetzt weiter, mit einem Ausblick in die Zeit vor knapp einem Dezennium. Kaum ein Album der Core-Szene aus der heutigen Zeit kommt an die technischen Finessen und chaotischen Strukturen heran, die sich uns hier präsentieren. Gerade deswegen gehört diese Band zu den Pionieren einer aufstrebenden progressiven Szene inner- und außerhalb des Metalcores. Ich kann mir gar nicht ausmalen, wie es gewesen sein muss, vor ungefähr 11 Jahren die Geburt und Reinkarnation so vieler kreativer und innovativer Bands mitzuerleben. Schließlich ist es so, dass ein Großteil dieser entweder ihre Formation zu dieser Zeit änderten, siehe BETWEEN THE BURIED AND ME, oder sich neu gründeten, siehe PERIPHERY und viele andere. Die gerade angesprochenen vergleichbaren Gesamtwerke aus dieser Zeit sind:

  • das Debüt von THE HUMAN ABSTRACT, welches den Namen „Nocturne“ trägt und circa ein Jahr später erschien,
  • das Album-Debüt von PROTEST THE HERO, welches „Kezia“ getauft wurde und nur 5 Tage vor „Alaska“ das Licht der Welt erblickte,
  • und das zweite Studio-Album „Miss Machine“ der Mathcorer THE DILLINGER ESCAPE PLAN, aus dem Jahr 2004.

Diese drei Alben werden definitiv noch in dieser Reihe besprochen werden und das Reinhören ist ein Muss für jeden, der seinen Musikgeschmack als vielfältig bezeichnen würde. Mein Wrong-Generation-Geheule sei mal so dahingestellt, das Honig-ums-Maul-Geschmiere fängt nämlich jetzt an. Schon der erste Track auf „Alaska“ haut mich um, weil es mit Death-Metal-Groove und zehrenden Growls beginnt. Diese verabschieden sich schnell, um einem melodischen, aber ähnlich aufreibenden Chorus Platz zu machen. Tommy Rogers trifft mal wieder jeden Ton und dann beginnt das Gitarren-Gedudel, was bei jedem Musiker und Fan Herzrasen verursacht. So melodisch und harmonisch es auch an einigen Stellen zugeht, es wird mehr als genug Platz für Blast Beats, Cowbells, dissonante Chords und Growls gelassen. Wer von „All Bodies“ nicht auf das Technical-Death-Metal-Core-Prog-Fest – ja, ich bin stolz auf dieses Wort – eingestimmt werden konnte, den kann der Titeltrack „Alaska“ abholen. Dieser enthält einen sehr ausgeklügelten Breakdown und noch viel mehr Chaos. Viel mehr lässt sich zu den Anfangstracks auch nicht sagen, außer dass die Brutal-Death-Metal-Vocals auf „Croakies And Boatshoes“ sehr überraschend kommen, für jemanden, der Geklimper à la „Coma Ecliptic“, dem neuesten Album, erwartet.

Kommen wir nun zu dem Titel, der diese Band für mich zu dem macht was sie ist. „Selkies: The Endless Obsession“ spricht alle die an, die sich mit der Death Metal-Seite nicht allzu gut identifizieren können. Die ersten anderthalb Minuten zaubern dem Prog-Fan in mir ein Grinsen ins Gesicht. Ab dann wird wieder geschrammelt und die Geschwindigkeit angezogen. Dann wird wieder melodisch gespielt, dann wieder geschrammelt und so weiter. Auch der Stimmverzerrer kommt zum Einsatz. Ich bin mir da fast schon sicher, dass die Begeisterung für dieses Lied auch die ein oder andere Band beeinflusst hat. Ich will natürlich keine Spekulationen in den Raum werfen, dass sich Bands vor allem dank diesem Song der Stimmverzerrung bedienen, trotzdem wären die deutschen Wunderkinder OBSCURA ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz dieser Technik. Eigentlich will ich auch nicht weiter darauf eingehen, was diesen Song ausmacht. Ihr solltet als Hörer entscheiden, ob er eure Anerkennung verdient. Wenn er dann auch noch gefällt, war es mir eine Freude, euch diesen Leckerbissen zu präsentieren.

Die ruhigen Anteile auf diesem Album sind aber nicht nur im gerade eben besprochenen Song stark. Dort wo man nicht CANNIBAL CORPSE und DEATH heraushört, kann es zu vereinzelten Melodie-Einlagen kommen. So auch im, mit 8:27 Minuten, längsten Lied „Backwards Marathon“. Hier nimmt man sich mehr als genug Zeit um den Hörer atmen zu lassen. Die instrumentalen Verschnaufpausen „Breathe In, Breathe Out“, „Laser Speed“ und „Medicine Wheel“, drei unglaublich passende Titel übrigens, helfen da auch aus. Der Albumcloser „Laser Speed“ beendet das Album mit exotischen Klängen. Diese würde man in der Warteschleife einer hawaiianischen Telefon-Hotline erwarten.


Trotzdem gibt es Breakdowns wie Sand am Meer, wobei meine Favoriten die in „Roboturner“, „The Primer“ und „Selkies: The Endless Obsession“ sind. Wirkungsvolle Einführungen in alle Songs mit anspruchsvollen oder melodischen Riffs oder Überleitungen aus anderen Songs sind gegeben. Und wer wissen will, wie sich Happy Blackened Progressive Deathcore – ein weiteres Wort auf das ich sehr stolz bin – anhört, der ist bei „The Primer“ richtig. Dieses Lied verdient genauso wie „Selkies: The Endless Obsession“ eigentlich eine eigene Besprechung. Aus Melodic Metalcore und Konsorten hat man sich den größten Anteil von „Autodidact“ geschnappt. Die Figur des Mordecai wird auch in diesem Lied wieder aufgegriffen, welche bereits namensgebend für einen älteren Song der Band war.

Days like today
Mordecai flies down on this ship
and stares me in the eyes – „Autodidact“

Lyrisch ist hier alles sehr vage, wenn auch die Texte zum Teil konkrete Aussagen treffen, bleibt alles Interpretationssache. Fast jeder Song kann in mindestens drei unterschiedliche Richtungen gedeutet werden, was wahrscheinlich am sarkastischen Grundton liegt. Wie ernst sie Zeilen wie „Maybe I should just be this bedroom performer I keep hearing of“ wirklich meinen, sollte eigentlich auch ein Geheimnis der Band bleiben. Denn ich freue mich, dass keines der Mitglieder ein Schlafzimmer-Musikant geworden ist und uns stattdessen mit ihrer Musik beglücken.

Fazit:


BETWEEN THE BURIED AND ME lieferten mit „Alaska“ ihr erstes erwachsenes Album ab. Damit machten sie mich zum Fanboy ihres alten und neuen Materials. Das geht soweit, dass ich nicht verstehen kann, wie diese Band nicht zu den größten Spielern im progressiven Bereich überhaupt gehören. Die vielen Einflüsse, die nahtlosen Übergänge, die abwechslungsreichen Songstrukturen, der Gesang und die gute Produktion machen diese LP zu einem regelrechten Opus. Die Amis gehören meines Empfindens nach selbst über moderne Giganten wie OPETH gestellt. Das verdanken sie nicht nur diesem Album, sondern ihrer gesamten Diskographie. Die entscheidende Rolle in der Bildung einer neuen progressiven Core-Szene kann man jedoch nicht verleugnen. Lebende Legenden also, die demnächst wieder mit THE DEVIN TWONSEND PROJECT in Deutschland und Europa unterwegs sind. An dieser Stelle noch eine Empfehlung von mir: schaut sie euch unbedingt live an und überzeugt euch von den Qualitäten und der Spielsicherheit dieser Band.


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1 Kommentar

  1. Darquise
    5. Oktober 2016 bei 21:04 — Antworten

    Yeah!

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