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AKERCOCKE – Wiedergeburt geglückt?

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AKERCOCKE – Renaissance in Extremis
Veröffentlichungsdatum: 25.08.2017
Dauer: 54 Min.
Label: Peaceville Records
Stil: Progressive Death/Black/Thrash Metal

Wenn es bei mir um Death Metal geht, tendiere ich meist zu den eher traditionellen und schlichteren Sachen. Gerade ENTOMBED, BLOODBATH und OBITUARY prägten meine Hörgewohnheiten im todesmetallischen Bereich anfangs stark. Irgendwann schickte mir ein Freund dann ein Album namens „Words that go unspoken, deeds that go undone“ der britischen Band AKERCOCKE. Diese zelebrierten auf ebenjenem Langeisen einen ganz anderen Ansatz im Death Metal. Alles war verspielt, progressiv, durch ruhige Parts unterbrochen und neben infernalischem Geballer und Gegrunze auch von epischem Klargesang durchzogen. Was bin ich froh dieses Album vor einigen Jahren kennengelernt zu haben! AKERCOCKE lieferten mir damit den Einstieg in eher progeressivere Metalmusik, und verschwanden …

 

Wiedergeburt

Mit einer gewissen Traurigkeit musste ich feststellen, dass die Band 2007 nach ihrem Album „Antichrist“, und damit auch schon ein bis zwei Jährchen vor meiner Berührung mit ihnen, auf Eis gelegt worden war. So galt es für mich in den Folgejahren die alten Alben zu wertschätzen und auch hin und wieder in das durchaus gelungene Quasi-Nachfolge-Projekt VOICES reinzuhören. Vergangenes Jahr waren AKERCOCKE dann recht plötzlich wieder da und spielten sogleich auf größeren Festivals, wie etwa dem Bloodstock Open Air auf. Es hieß, neben den Gigs sei auch ein neues Album in Arbeit und schlussendlich halte ich seit Ende August das neue Werk „Renaissance in Extremis“ in meinen Händen.

Ein wenig vorsichtig bin ich immer, wenn Bands nach langer Zeit (in diesem Fall 10 Jahre) ein neues Werk veröffentlichen. Können die Musiker an alte Glanztaten anschließen? Mit welcher Erwartungshaltung kann ich an so ein Album herangehen?

 

 

Ich drücke am besten einfach einmal den „Play“-Button. Stille … Dann, ohne jene Vorwarnung oder Intro, sofort klassisches Death-Metal-Massaker. Der Opener „Disappear“ startet unvermittelt mit Blasts, fetten Gitarren und einem wie gewohnt technischen Ansatz. Im Verlauf des doch schon recht ironisch betitelten Songs stellen sich alle Trademarks heraus, die die Briten auch damals vom Gros der Bands abhoben und ihnen zu einem eigenständigen Sound verhalfen. Wildes Geballer eher amerikanischer Prägung wechselt sich mit ruhigen Parts ab, wird ab und zu von Thrash-Riffs durchzogen und erhält durch seinen komplexen Aufbau einen gehörigen Touch Progressivität. Sogar einige Querverweise auf den Black Metal lassen sich finden und spiegeln sich vor allem im abwechslungsreichen und wunderbar gelungenen Gesang von Jason Mendoca wieder.

 

Kapitel für Kaptitel

Die nachfolgenden Stücke „Unbound by sin“ und „Insentience“ demonstrieren die Eckpfeiler der verwendeten Stilistik auf „Renaissance in Extremis“ klar und präzise. Dabei fällt mir auf, dass die klassischen Death- und Thrash-Metal-Elemente dieses Mal sogar von Einflüssen des Heavy Metal ergänzt werden, ohne dabei an Brutalität zu verlieren. Die progressiven Parts, im klassischen AKERCOCKE-Stil mit viel halbcleaner Gitarre dargeboten, bieten zudem einigen Spielraum für den teils theatralisch anmutenden Gesang.

Die Mitte des Albums wird von längeren Stücken dominiert, wobei „First to leave the funeral“ recht verschroben aus den Boxen dröhnt, mich allerdings auch nach dem x-ten Hördurchlauf ratlos zurücklässt. Ich habe den Eindruck, als würden die einzelnen Stilelemente, nicht wie in den anderen Songs, so selbstverständlich miteinander verschmelzen.

Das nachfolgende „Familiar Ghosts“ schafft diese Aufgabe jedoch wieder mit Bravour. Der Anfang mit seinen cleanen, doch mysteriösen Gitarren erinnert mich an MOONSPELL zu „Memorial“-Zeiten. Darauffolgend spielt die Band eine extreme Bandbreite metallischer Einflüsse herunter und klingt mal straight, brutal und mal vertrackt und episch. Eine tolle Leadmelodie schließt den Song ab und leitet in die zweite Albumhälfte über.

Photo by Tina Korhonen © 2017, all rights reserved.

„A final glance before departing“ beginnt mit hintergründigen Streichersynthies und peitscht dann mit coolem Riffing unbarmherzig nach vorn. In diesem Stück entwickelt sich eine wundervolle Atmosphäre, die zum einen harsch, aber dennoch elegant wirkt. Hervorheben möchte ich nochmals die Gesangsleistung von Jason, die einen an der Hand nimmt und durch dieses Potpourri an Stilistiken leitet. Mein absoluter Hit des Platte!

„Inner Sanctum“ war schon vor Albumrelease bekannt und schielt noch einmal gehörig Richtung „Antichrist“. „One chapter closing for another to begin“ überrascht mich hingegen mit seinem sehr am Black Metal angelehnten Riffing und Songaufbau und wirkt in Kombination mit dem Clean-Gesang ziemlich episch. Gegen Ende hin hätte dem Song jedoch die ein oder andere Variation noch ganz gut getan.

 

Entzifferung

„A particularly cold september“ beschließt das Album und stellt auch das längste Stück der Platte dar. Hier wird der Prog-Faktor extrem betont und erinnert teils stark an OPETH. Hinzukommen ein paar interessante Synthies, die den Sound erweitern. Zum Ende hin klingt der Song ruhig aus und gibt einem wunderbar verspielten Solo Freiraum über mehrere Minuten.

AKERCOCKE haben mit ihrem neuesten Werk eine Zusammenfassung ihres bisherigen Schaffens kreiert. Todesmetallische Härte vereint sich mit vertrackten Strukturen, groovigen Parts und einigen proggigen Ideen. Hinzu kommt, dass die Produktion der Platte sehr gelungen ist und differenziert klingt. Zudem unterstreicht das symbolische Artwork den sehr eigenen Stilmix auf passende Art und Weise.

Ich bleibe dennoch auch nach vielen Hördurchgängen ein wenig verwirrt und unschlüssig zurück. Und das ist meiner Meinung nach kein Kritikpunkt das Album betreffend. Viele Details und Spielereien geben sich erst nach und nach preis und verändern meine Wahrnehmung von Mal zu Mal mehr. Gewisse Parts können jedoch leider nicht mit den Glanzmomenten mithalten und wirken teilweise zu zerfahren. Hingegen lassen mich Songs wie „A final glance before departing“ absolut begeistert zurück und zeugen davon, dass die Herren in ihrer Bandpause nicht eingerostet sind.

Ich bin froh, dass diese besondere Band wiederauferstanden ist und traue den Briten eine (erneute) Leistungsmaximierung auf kommenden Releases zu. Bis dahin bietet „Renaissance in Extremis“ jedoch genug Songfutter, um einige Zeit daran zu knabbern.

 

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Autorenbewertung

7
AKERCOCKE haben mit ihrem neuesten Werk eine Zusammenfassung ihres bisherigen Schaffens kreiert. Todesmetallische Härte vereint sich mit vertrackten Strukturen, groovigen Parts und einigen proggigen Ideen. Große Momente wechseln sich mit zerfahrenen Parts ab und verwehren "Renaissance in Extremis" ein sehr gutes Prädikat. Freunde progressiver, extremer Metalmusik sollten jedoch mehr als ein Ohr riskieren und sich mit dem interessanten Sound der Band vertraut machen.
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7 / 10 Punkten

Vorteile

+ interessante Songideen
+ starke Instrumentalleistung
+ interessanter wie auch abwechslungsreicher Gesang
+ druckvoll, hart und dennoch verspielt
+ "A final glance before departing"!

Nachteile

- teils zerfahrene Songmomente
- der Stilmix geht nicht immer auf

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