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Alles wie aus einem Guss – Horn

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HORN – Turm am Hang
Veröffentlichungsdatum: 27.01.2017
Dauer: 47 Min.
Label: Northern Silcence Productions
Stil: Black/Folk Metal

Im vorletzten Jahr kam ich eher zufällig dazu, in die damals aktuellste Veröffentlichung „Feldpost“ des Paderborner Ein-Mann-Projekts HORN hineinzuhören. Zuvor hatte ich schon des Öfteren über das Projekt gelesen, nur hielt sich meine Neugier, aufgrund der schieren Massen an aktuellen und vergangenen Veröffentlichungen im Bereich Black Metal, in Grenzen. „Feldpost“ überzeugte mich jedoch aus dem Stand heraus. Melancholische Melodien, kämpferische Atmosphäre und eine Grundstimmung, welche zum einen romantisiert und zum anderen tragisch erscheint, ergaben eine interessante Mixtur.

 

Der Turm am Hang

Mit „Turm am Hang“ steht nun ein neues Album des Projekts in den Startlöchern. Alleinunterhalter Nerrath entführt uns in seinem neusten Werk zurück in spätmittelalterliche Zeiten, einer von sozialen Verwerfungen und Konflikt gezeichneten Epoche der europäischen Geschichte. Diese Grundstimmung illustriert schon das stimmige Coverartwork auf sehr eindrückliche Art und Weise. In Kombination mit dem Titelsong, wurde dazu ein interessantes Video veröffentlicht, welches im Zeitraffer die Entstehung des Gemäldes aufzeigt. Das Video dazu findet ihr am Ende des Reviews.

Doch kommen wir zur Musik. In gut 47 Minuten (einschließlich eines interessanten WHEN BITTER SPRING SLEEPS-Covers) bietet HORN vor allem midtempo-lastigen, von altertümlicher Folklore inspirierten Black Metal. Dieser wirkt stets episch und kämpferisch. Auch ruhige Intermezzi sowie schwarzmetallische Raserei findet seinen Platz auf dem Album.

„Alles in einem Schnitt“ eröffnet den Reigen rockig und sehr direkt. Die Melodien übernehmen im Refrain die Hauptrolle. Besonders hervorzuheben ist Nerraths Gesang. Er klingt grimmig, bleibt jedoch meist klar und deutlich in seiner Aussprache und bellt seine Texte mehr als das er sie schreit. Zudem stimmt er des Öfteren semiklaren, gedoppelten Gesang an, der den Grad der Epik gehörig in die Höhe schraubt. Wie HORN im Vorfeld der Veröffentlichung verlauten lies, ist der Opener stark vom Volkslied „Es ist ein Schnitter“ aus dem 17. Jahrhundert inspiriert. Zusammen mit der zuvor angesprochenen optischen Umsetzung, ergibt sich ein äußert passender Einstieg, der sofort die Quintessenz des aktuellen Schaffens aufzeigt.

Die folgenden Stücke, wie etwa der Titelsong, das erst sehr hymnische und schließlich stark voranpreschende „Die mit dem Bogen auf dem Kreuz“ und das sehr straighte „Ä(h)renschnitter“, halten das Niveau extrem hoch und überzeugen mich auf ganzer Linie. Unabhängig von der eher düsteren Stimmung, machen die Lieder auch eine Menge Spaß und sind durch klassische Metalrhythmen sehr headbangtauglich. Trotz alledem wird meiner Meinung nach besonders das epische und dennoch tragische Gefühl sehr passend vermittelt. Schon bei gewissen Alben von Metalbands wie etwa „Niederkunfft“ von HELRUNAR oder „Blood Vaults…“ von THE RUINS OF BEVERAST, empfand ich die Thematisierung und Interpretation mittelalterlicher  Zeiten weit weniger aufgesetzt als bei manch einer Mittelaltertruppe, obschon die metallische Instrumentalisierung klar in der Neuzeit verwurzelt ist. Ich vermute, dass dies jedoch stark vom jeweiligen Betrachter abhängig ist.

HORN liefern für mich deshalb ein weiteres, sehr gutes Beispiel ab, wie man Geschichte und vergangenen Zeitgeist in künstlerischer Form umsetzt. Diese erste gute halbe Stunde des Albums ist epischer Black Metal in Höchstform!

 

horn

 

 

Schattenseite

Die letzten Stücke „Totenräumer“, das seltsame Zwischenstück „Lanz und Spieß“ und „Bastion, im Seegang tauber Fels“ können dieses Niveau leider nicht ganz halten. Es wirkt auf mich, als wäre die gesamte Stilistik in den ersten Stücken ausgereizt worden und alles Weitere nur eine Wiederholung des Vorangegangenen. Die Musik ist weiterhin kompetent gespielt, wirkt wie aus einem Guss, erreicht nur nicht die Intensität der ersten Songs.

Das Cover „The sky has not always been this way“ der Amerikaner von WHILE BITTER SPRING SLEEPS, die unter anderem auch schon mit den letztjährig im Magazin vorgestellten PANOPTICON zusammenarbeiteten, lässt jedoch noch einmal aufhorchen. Das Lied ist sehr getragen und durch seinen tiefen Klargesang von einer großen Wehmut erfüllt. Lord Sardonyx von WHILE BITTER SPRING SLEEPS steuerte selbst den Gesang zum Cover bei.

Wenn HORN es schafft, das Gesamtniveau des Songmaterials in Zukunft hoch zu halten, sehe ich das Zeug zu einem Genreklassiker. Momentan reicht es mit „Turm am Hang“ nur zu einem sehr guten Album mit leichten Abnutzungserscheinungen im späteren Albumverlauf. Ein große Leistung ist jedoch, das alles wie aus einem Guss wirkt. Die Songs fusionieren mit der visuellen Gestaltung und auch der Sound der Platte ist angenehm warm und passend zur gewünschten Stimmung. Das Schlagzeug böllert auf charmante Weiste reichlich dumpf und die eingängigen Melodien werden von einer Tiefenlastigkeit im Gesamtsound kontrastiert.

 

Bild mit freundlicher Genehmigung von Horn

Autorenbewertung

8
Mit "Turm am Hang" liefert HORN ein sehr gutes Folk Black Metal Album ab, welches für alle Freunde epischer und leidenschaftlicher Metalmusik mehr als nur geeignet ist. Das lyrische Konzept ist sehr interessant, in der musikalischen Umsetzung schleichen sich im Verlauf des Albums jedoch leichte Abnutzungserscheinungen ein. Trotzalledem, ein starkes Stück Metal!
ø 4.2 / 5 bei 3 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

+ eine tolle musikalische und lyrische Grundstimmung
+ kraftvolles und episches Songwriting
+ kräftiger und ausdrucksstarker Gesang
+ ein passendes Soundgerüst
+ ein wundervolles Coverartwork

Nachteile

- die zweite Albumhälfte hinkt in Sachen Qualität etwas hinterher

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2 Kommentare

  1. Fabian K.
    5. Februar 2017 bei 10:09 — Antworten

    Ich bin von dem Album auch sehr begeistert und finde, dass auch „Totenräumer“ und „Bastion, im Seegang tauber Fels“ das Niveau halten können.

    Und noch ein kleiner Hinweis: „The sky has not always been this way“ wurde nicht von Nerrath, sondern von Lord Sardonyx eingesungen, wie im Booklet nachzulesen ist. Da hat wohl jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht. 😉

    • 5. Februar 2017 bei 10:26 — Antworten

      Danke für den Hinweis! Das war mir durchaus nicht bewusst. Wird nachgetragen.

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