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Als Metalhead unter Coreheads: Impericon Festival 2017 in Leipzig

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5.45 Uhr an einem Samstag aufstehen … Das tut er sich freiwillig an, obwohl er sonst am Wochenende bis Mittag pennt? Das kann nur eines bedeuten: Es ist wieder Festivalzeit! Am 15. April 2017 zog es mich erstmalig zum Impericon Festival in Leipzig. Dieses fand zum ersten Mal in der Messehalle statt, um mit doppeltem Fassungsvermögen bei dieser Auflage 10.000 Besuchern die Chance zu geben, die heiß ersehnten Auftritte der Hauptacts abzufeiern. Obwohl ich eigentlich eher Fan des „traditionelleren“ Metals bin, konnte ich mich der Neugier nicht erwehren, auch mal dem Impericon einen Besuch abzustatten. Wie würde es wohl sein, als Metalhead unter Coreheads?

 

Auch, wenn zu früher Stunde noch Luft nach oben ist – in den ersten Reihen ist stets viel los.

Praktischerweise befindet sich die Halle nur zehn Minuten enfternt vom Bahnhof, sodass sich der Weg zum Gelände nach der kurzen Anreise aus Halle per Zugfahrt sehr entspannt darstellt. Nachdem ich vor der Messehalle ungefähr eine halbe Stunde lang erfolglos die Bändchenausgabe der Presse suche (die, wie sich herausstellte, bis dahin noch gar nicht geöffnet hatte), werde ich gegen 9.30 Uhr zu Beginn des Einlasses doch noch fündig und kann – nun mit Papierbändchen versehen – die Halle betreten, um mich schon einmal umzusehen. Joa, ordentlich Platz hier! Die Wellenbrecher finde ich persönlich aufgrund der garantierten Atemnot in den vorderen Reihen zwar weniger knorke, finde mich aber fix damit ab.

Mit SCIENCE OF SLEEP beginnt pünktlich um 10.30 Uhr die erste Band ihren Auftritt. Man prescht direkt hart los, um die müden Besucher mit einer Mischung aus Death Metal und Core aufzuwecken und auf dem Festival willkommen zu heißen. Nach kurzer Zeit erklärt der Sänger, dass er Stage Dive mag und fragt auffordernd in die Menge, warum denn nicht mehr los sei. Dass sich danach noch nicht viel tut, ist um diese Zeit nicht verwunderlich. Selbst vor dem ersten Wellenbrecher ist es noch nicht so richtig eng. Der Job als Opener ist erwartungsgemäß eben ein undankbarer – dafür schlägt sich die Band aber tapfer und gibt sich gut gelaunt!

Anschließend begebe ich mich von der zweiten Stage, der Marshall Stage, direkt vor die danebenliegende Monster Stage, auf der die im Schnitt populäreren Acts des Festivals spielen dürfen. Auf dem kurzen Weg von maximal einhundert Metern wünscht man mir im Vorbeigehen frohe Weihnachten. Es ist immer wieder schön, wenn die Menschen so höflich sind und an ihre Mitmenschen denken!

Noch voller Wärme ob dieser Geste, gebe ich mir CASEY. Deutlich seichter als die Opener, deswegen aber trotzdem nicht auf Schmusekurs getrimmt, eröffnet die britische Band die Main Stage. Der Sänger dankt den Fans dafür, die Band bei ihrem Auftritt zu unterstützen, da es sich bei dieser Show um die zweite nach einem Krankenhausaufenthalt des Sprechenden handelt. Bei der angenehm melodiösen Musik der Briten macht man das doch gern!

Das erste Mal so richtig gehyped bin ich dann bei IN HEARTS WAKE. Damit bin ich ganz offensichtlich nicht der Einzige, denn zum ersten Mal am heutigen Tag entsteht ein größerer Moshpit in den Reihen der Zuschauer. Die Stimmung ist grandios, der Sound klar. Während des Auftritts legt Sänger Jake Taylor einen heißen Ritt über die vorderen Reihen der Crowd auf einem aufblasbaren Krokodil hin und wird dabei von der Crowd kräftig angefeuert. Die Metal- und Post-Hardcore-Band legt sich spürbar ins Zeug. Bis zu diesem Zeitpunkt handelt es sich um den stärksten Auftritt des Tages.

Spürbar rauer und eine ordentliche Note thrashiger, kommt dann MISS MAY I daher. Die Truppe aus Ohio stellt damit einen ordentlichen Kontrast zu den nachfolgenden ASTROID BOYS dar. Letztere heben sich allerdings auch vom gesamten Billing ab – ich kann nicht genau definieren, worum es sich handelt. Unter Punk und Hardcore wird offenbar Hip-Hop gemischt. So richtig will die Band nicht in das Line-Up passen. Soll mich aber nicht weiter stören – Zeit für’s erste Bier!

Die Astroid Boys fallen nicht nur musikalisch, sondern auch optisch etwas aus der Reihe.

Danach nutze ich die Gelegenheit, dem Bühnen-Geschehen aus einem anderen Blickwinkel zu folgen. Hinter der großen, durch mehrere Wellenbrecher geteilten Fläche vor der Bühne, ragt nämlich eine große Tribüne auf, die schätzungsweise 1000-2000 Zuschauern Platz bietet. Von meinem Sitzplatz aus gebe ich mir also die amerikanische Formation CARNIFEX, die mit einer harten Mischung aus Death Metal und Deathcore aufwartet. Die Jungs hauen richtig rein, und selbst auf der etwas entlegenen Tribüne lässt der mächtige Bass den Boden beben. Mittlerweile ist es kurz vor 14 Uhr, und die Messehalle hat sich deutlich gefüllt. Die linke Seite der Halle, in welcher sich das Publikum vor der Monster Stage versammelt, ist mittlerweile gut ausgelastet.

Wer es richtig grob mag, findet Gefallen an CARNIFEX. Mir wird es mit der Zeit allerdings etwas zu monoton, sodass ich mich entscheide, zum Auftritt von WOLF DOWN wieder Teil des Publikums vor der Bühne zu sein. Die Band animiert die Crowd auch endlich zum ersten Circlepit des Tages. Mensch, das wurde aber auch Zeit! Der hier gebotene Hardcore Punk ist solide, ohne mich wirklich mitzureißen. Den größten Eindruck hinterlässt bei mir das Statement der Band, „auf die AfD zu scheißen und die zu unterstützen, die gegen rechts auf die Straße gehen“ sowie der „pro-Antifa“-Ausspruch. Achtung, persönliches Autoren-Statement incoming! Da mir sowohl rechte als auch linke Propaganda im Populismus-Stil tierisch auf den Kranz gehen, hat sich der Auftritt an dieser Stelle für mich erledigt, und ich platziere mich vor der Nebenbühne, um bei BREAKDOWN OF SANITY das erste und einzige Mal ganz weit vorne zu stehen.

Eine gute Entscheidung? Nun ja, auf jeden Fall eine interessante Erfahrung! Die aus Bern stammende Modern-Metal/Metalcore-Band heizt die Stimmung richtig an und bringt die Menge zum Toben. Auch in meiner dritten Reihe bin ich vor den moshenden Fans nicht sicher. Ebenso kommt dann und wann ein Crowdsurfer angeflogen, den es zu transportieren gilt. So weit, so gut! Doch eines muss ich an dieser Stelle für die Zappelphillips unter euch mal sagen: Wenn ihr crowdsurfen geht, haltet ihr gefälligst eure Gräten still! Niemand will eure 46er-Treter in der Fresse haben, wenn ihr mal wieder auf die Idee kommt, euch in der Bewegung um 180 Grad zu drehen und euer Bein mit Schwung in die Menge zu hauen. Während dieses Auftritts bleibt das leider kein Einzelfall, sodass ich mich aus der feiernden Menge verabschiede und eine Runde durch die Halle drehe.

 

Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie voll es am Autogrammstand ist, während ASKING ALEXANDRIA sich dort befindet – alter Falter, ist das heftig! Die Schlange erstreckt sich gefühlt durch die halbe Halle. Ich habe unterschätzt, wie viele Fans wegen dieser Band hier sein müssen. Wie mir hinterher berichtet wird, gehen viele leer aus – eine gute Freundin und absoluter Die-Hard Fan der Band konnte trotz 90-minütiger Wartezeit und einem Platz im vorderen Teil der Schlange kein Autogramm mehr ergattern. Wie gut, dass ich die meisten Bands auf dem Festival nur flüchtig kenne und kein Autogramm haben will!

Erinnert ihr euch noch, wie ich mich fragte, was die ASTROID BOYS hier machen? In dreifacher Stärke kommt dieses Gefühl wieder, als SWISS UND DIE ANDERN auftreten. Stilistisch fällt die Band vollkommen aus der Reihe, und ich habe den Eindruck, dass sich dies auch bemerkbar macht, da deutlich weniger Menschen vor der Bühne stehen als noch bei BREAKDOWN OF SANITY. Als danach endlich THY ART IS MURDER losdrischt, kommt mir der Gedanke: Vielleicht war das alles aus Kalkül! Nach dem vorangegangenen Auftritt genießt man die Rückkehr in die härteren Gefilde. Nach musikalischem Wasser und Brot ist man selbst als Deathcore-Muffel, wie ich einer bin, tierisch froh darüber, wenn wieder mit voller Kraft auf der Bühne losgeprügelt wird.

Kontrast ist hier scheinbar das Credo, denn nun folgt BEING AS AN OCEAN auf der Marshall Stage. Die oftmals ruhig gehaltenen, stark melodiösen Melodien laden dazu ein, sich treiben zu lassen und ein wenig inne zu halten. Beim Melodic Hardcore der Marke BAAO wird vor allem der „Melodic“-Teil sehr großgeschrieben. Die Zahl der moshenden Fans – ein paar gibt es doch immer! – bleibt infolgedessen sehr gering. Genau das Richtige, um einmal durchzuatmen. Als der Leadsänger zum letzten Song auf die Reise in die Crowd geht, um knieend durch diese zu surfen, wird er von einem ebenfalls crowdsurfenden, euphorisch ins Mikro gröhlenden Fan an der Schulter gepackt, ehe beide im Meer der Fans versinken. Ein sehr amüsantes Ende eines Auftritts, der mir als eines der kleineren Highlights in Erinnerung bleiben wird.

 

Den Auftritt von STICK TO YOUR GUNS will ich mir eigentlich aus nächster Nähe geben, doch da ich einen halben Song abwarte, dauert es danach einige Zeit, um aus der Menge herauszukommen. Das ist das Ding an Wellenbrechern: Wenn sich zu viele Leute in die Menge schieben müssen, wird´s unbequem!

Sowohl den restlichen Auftritt von STICK TO YOUR GUNS, als auch den vollständigen Auftritt von ANTI-FLAG, gebe ich mir wieder von der Tribüne. Es ist faszinierend, dem Haufen aufgeregter Fans zuzuschauen, die ameisengleich herumwuseln. Bei beiden Bands ist die Stimmung hervorragend, wobei ANTI-FLAG mich etwas bessser überzeugen kann und mich sogar auf meinem Stuhl in der hintersten Reihe ansteckt. Optisches Highlight ist der Circlepit, der aus der Ferne echt was hermacht.

 

Seit Oktober 2016 ist Asking Alexandria wieder mit dem alten Sänger Danny Worsnop unterwegs.

Um 18.25 Uhr wartet mit ASKING ALEXANDRIA wohl einer der heißersehntesten Auftritte des Publikums. Es wird spürbar voll in der Halle. Und als die Show endlich beginnt, wird die Band von vielen Fans hart gefeiert. Die Mischung aus langsamen und schnellen Titeln gestaltet den Auftritt abwechslungsreich. Neben Klassikern wie „The Final Episode“ und natürlich „Not The American Average“, kommen auch neuere Titel wie „The Death Of Me“ zum Tragen. Durchschnittlich etwas zackiger unterwegs sind die folgenden IGNITE, die mich mit dem ersten Titel „Veteran“ sofort an Land ziehen. Die Melodic-Hardcore-Band hat Spaß und verbreitet eben solchen, doch da im Anschluss mein persönliches Tageshighlight folgt, dürstet es mich zuerst nochmal nach einer Erfrischung.

Caliban ist für mich das bombenstarke Highlight des Abends.

Fünf vor Acht ist es dann endlich soweit: Fucking CALIBAN beginnen ihre Show! Live ist die deutsche Metalcore-Band eine wahre Macht und weiß das Publikum mitzureißen. Schon zu Beginn wird „Paralyzed“ von den Fans dankbar zelebriert, und auch im Folgenden reißt die Stimmung nicht ab. Den Höhepunkt erreicht die Stimmung während des vorletzten Titels, als CALIBAN das RAMMSTEIN-Cover „Sonne“ spielen und die halbe Halle mitgröhlt. Wer die Truppe live noch nicht sehen konnte, dem sei dies von meiner Seite aus wärmstens ans Herz gelegt!

Als vorletzte Band des Abends finishen SICK OF IT ALL die Marshall Stage. Wie mir das Backdrop verrät, sind die alten Säcke bereits 30 Jahre lang auf Tour und damit vermutlich älter als 98 % des Publikums – denn mir fällt auf: Verdammt nochmal, ist das Publikum hier jung! Als ich mich instinktiv umsehe und nach Menschen suche, die ebenfalls 30 Jahre lang durch die Gegend touren, werde ich auf Anhieb nicht fündig. Es ist also wahr. Die Metalcore-Szene ist jung, und dies bezieht sich nicht nur auf das Alter der Stilrichtung selbst. Die meisten Gäste dürften zwischen 18 und 28 Jahre alt sein. Das sah auf sämtlichen Metal-Festivals, die ich bisher besucht habe, anders aus.

Nach einer 35-minütigen Pause beginnt kurz nach 22 Uhr der Headliner seinen Auftritt: Ans Werk geht niemand Geringeres als PARKWAY DRIVE! Nicht nur der australische Metalcore heizt der Menge mit Songs „Bottom Feeder“ und „Dark Days“ ordentlich ein. Ergänzend verfeinert auch dann und wann ein Hauch Pyrotechnik die Show. Während der 80-minütigen Headlinershow (die damit ungefähr doppelt so lang ist wie jede andere Show) rüttelt dann beispielsweise ein „Karma“ wieder wach.

Headliner Parkway Drive bringt die Menge noch einmal richtig zum toben.

Eine Mischung von Ostersonntags-Verpflichtungen, aus Schlafmangel resultierender Müdigkeit und suboptimalen Fahrplänen im öffentlichen Nahverkehr zwingen mich schließlich dazu, bereits 30 Minuten vor Ende der Show die Halle zu verlassen. Da diese zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin voll ist wie nie an diesem Tag, bin ich mir sicher, dass bis zum bitteren Ende erbarmungslos gefeiert wird.

 

Fazit

Wie war es so, als Metalhead unter Coreheads? Um ehrlich zu sein: Ziemlich geil! Das Impericon Festival kann mit einer Reihe an großen Bands des Genres, einer straffen Organisation und einer absolut geeigneten Location aufwarten. Die Bands spielen Schlag auf Schlag, und zwischen den angenehm kurzen Sets von 30 bis 45 Minuten bleibt keine Zeit, in der Langeweile aufkommen könnte. Trotzdessen meine Begeisterung für Metal- und Hardcore sich oftmals in Grenzen hält, bereitete mir das Eintagesfestival als Teil einer 10.000 Besucher zählenden Gemeinschaft großes Vergnügen. Noch im Hochgefühl meines ersten Festivals dieser Art sage ich: Bis 2018 – wir sehen uns in Leipzig!

 

 

Fotos von Claudia Helmert Fotografie:

https://www.facebook.com/claudia.helmert.fotografie

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Claudia Helmert Fotografie und

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5 Kommentare

  1. Aggronorm
    19. April 2017 bei 14:33 — Antworten

    Super Artikel!

    War auch begeistert von dem Festival bis auf die ewige Warteschlangen an den Cocktailständen?
    A A waren wirklich kacke soweit ich das von der Warteschlange am Cocktailstand aus beurteilen kann?
    Meine Highlights waren Stick to your guns (da war es wirklich schwer vor die Bühne zugegangen), Ignite & natürlich Parkway Drive die mit einer genialen Bühnenshow extrem überzeugen konnten. Bin auf alle Fälle nächstes Jahr wieder vor Ort

  2. LochNess
    19. April 2017 bei 13:13 — Antworten

    Super Artikel! Schön eine „Außenansicht“ zu hören!
    Zu schade, dass es dieses Jahr nicht hier im tiefen Süden statt gefunden hat. Hab wohl echt was verpasst!

  3. Daniel
    19. April 2017 bei 1:00 — Antworten

    Klasse Artikel, Danke dafür.

  4. Darquise
    18. April 2017 bei 22:32 — Antworten

    Asking Alexandria war echt zum kotzen. Was ein Spast von Frontmann…

    • minuslik
      18. April 2017 bei 22:59 — Antworten

      Was hat er gemacht?

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