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ANCST auf dem Weg zu ihrem Zenit

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ANCST – Furnace
Veröffentlichungsdatum: 19.02.2017
Länge: 22:11 Min.
Label: Self Released
Genre: Blackened Crust

Die Vermischung von Crust Punk und Black Metal ist in Deutschland schon längst angekommen. Und zum Glück hört sich die Musik der Bands, die sich diesem Genre verschrieben haben, immer besser an. ANCST hatten bereits letztes Jahr bewiesen, wie großartig sich eine ganze LP in diesem Stil anhören kann. Als ich die atmosphärischen Lieder auf einigen ihrer Veröffentlichungen hörte, wollte ich sie am Anfang fast schon abschreiben. Noch mehr mittelmäßige Atmospheric-Black-Metal-Bands sind nicht von Nöten. Dass sie auch anders können, war nicht zuletzt auf „Moloch“ zu hören. Eine ganze Platte voll ungebremstem Hass, bretternden Riffs und einer Prise Hardcore-Attitüde. Diese DIY-Berliner sind nämlich genauso eingestellt, wie man es aus der linken Punk- und Hardcore-Szene kennt: antisexistisch, antireligiös und antifaschistisch.

Die unglaublich gute letzte Scheibe war für das Quintett kein Grund sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Diese Überraschungs-EP bringt die gleiche ungebremste Wucht von „Moloch“ mit. Die Vocals sind roh, unbearbeitet und gequält von all dem, was die Jungs beschäftigt. Leider finden sich bei ihnen trotz der konsistenten Qualität keine wirklichen Highlights und es gibt keine Abwechslung. Dabei dürften ein paar hohe Screams und tiefe Growls dem Gesamtpaket nicht schaden. Die begleitenden Gitarrenriffs überzeugen Fans von Death und Black Metal gleichermaßen. Die Produktion ist ehrlich geblieben, was auch bedeutet, dass sich das Schlagzeug nicht wirklich vorteilhaft anhört. Dank der erfolgreichen Vermischung von extremem Metal und Crust können Parallelen zu HEAVEN SHALL BURNs früheren Alben gezogen werden.

Kippeln ausdrücklich erlaubt!

Was sich jedoch verdächtig nach den Thüringer Urgesteinen anhört, schlägt immer wieder schnell in einen ganz anderen Sound um. Diesen mit irgendeiner Band außer ANCST zu vergleichen, wäre ein ungeheures Verbrechen. Da lebe ich lieber ohne diesen Skandal. Auf dem ersten richtigen Lied nach dem gesprochenen Intro „away from atrophy“ setzt es lyrisch sofort eine Ohrfeige für die Gefühle. Schließlich behandelt „urban tomb“ die Stadt als einen Friedhof, auf dem die Träume und positiven Gefühle der Menschen begraben werden. Die dunkle Seite der Gesellschaft, welche ANCST schon oft angesprochen haben, drückt sich so perfekt in der Instrumentalarbeit aus, dass ich sie am liebsten küssen würde.

I know … city lights above me, the warmth of a dying sun. No selflove left to end me, cant decipher the thoughts that shackle me. – „urban tomb“

Besonders emotional und episch sind die instrumentalen Sekunden auf „chronicles of emptiness“ und „cadence“, da dürfen gestandene Männer auch mal Gänsehaut bekommen. Leider drängt sich das Schlagzeug in diesen Momenten so oft in den Vordergrund, dass ich manchmal hoffe, der Drummer fiele vom Stuhl.

Das durch Blastbeats verschönerte Intro von „broken oath“ hingegen würde ohne ihn nicht funktionieren. Ich bleibe also hin- und hergerissen. Genauso verdammt erregend wie sich die Berliner anhören können, wenn sie die harmonischen Riffs auspacken, klingen sie auch, wenn es ans Eingemachte geht. Das macht es mir – dem Verbraucher – sehr leicht, das angesammelte Fett im Nacken abzutrainieren.

Auf den Konzerten sollte sich es jedoch jeder zweimal überlegen, ob er lieber die Haare zur Musik schwingt oder den Text mit erhobenem Zeigefinger zurück in das Gesicht des Sängers brüllt. Genau das macht die Verschmelzung von Punk- und Metal-Genres so attraktiv. Man behält die gesellschaftskritische Einstellung in den Texten, die headbangtaugliche Musik und die moshbare Rhythmik. Daher wird meine Vorfreude auf das nächste vollwertige Album noch größer. Vielleicht erreichen sie dann den Höhepunkt ihres musikalischen Schaffens und brechen endlich durch. Denn in gerade mal 22 Minuten zeigen ANCST worauf ich mich bei ihnen verlassen kann: ehrliche Musik, die mich perfekt anspricht. So etwas kann ich mir auch außerhalb vom Urlaub geben.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Ancst

Autorenbewertung

7
Nach "Moloch" übertreffen sich ANCST erneut selbst und sie vereinbaren erneut erfolgreich zwei Stile, die unterschiedlicher nicht wirken könnten. Wer sie nach dieser sehr überraschend veröffentlichten EP immer noch nicht auf dem Schirm hat, ist selbst Schuld.
ø 4.7 / 5 bei 2 Benutzerbewertungen
7 / 10 Punkten

Vorteile

+ harmonische und melodische Riffs
+ liebevoll gestaltete Texte
+ ehrliche Produktion
+ rauer Grundton, der immer im Gegensatz zu den Melodic Hardcore-Passagen steht
+ eine erfolgreiche Fusion des Unvereinbaren

Nachteile

- Schlagzeug etwas zu "roh" für meinen Geschmack
- keine Höhepunkte im Gesang
- ich will lieber eine neue Langspielplatte und keine EP

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1 Kommentar

  1. […] Am 09. Juni 2017 findet im Club “Emil”  in Zittau, eines der mittlerweile selten gewordenen Düstermetal-Konzerte der Lausitz statt. Mit dabei der Grind von NEOZOEN, der doomige Post Metal von DOWN THE ABYSS und der schwarzmetallische Crust der Senkrechtstarter von ANCST. Dieser wurde zuletzt auch von Kollege Jonas gewürdigt in seiner Review zur aktuellen EP “Furnace”. […]

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