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AU-DESSUS – Über allem erhaben

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AU-DESSUS – End Of Chapter
Veröffentlichungsdatum: 19.05.2017
Dauer: 46:37
Label: Les Acteurs De L’Ombre Productions
Genre: Post Black Metal

Eines vorweg

Nach zwei Wochen Dauerrotation hat sich das Album der vier Litauer zu einem meiner Spitzenkandidaten der ersten Jahreshälfte gemausert, der eine klare Neun in der Wertung verdient hat. Mit ihrem unheimlich ausgewogenen Mix aus eisiger Verzweiflung und schwebenden, fast hoffnungsvollen Sphären, gepaart mit Einflüssen verschiedener Genres, schaffen sie es, mich eine dreiviertel Stunde lang in ihren Bann zu ziehen. Es erwartet dich kein vor sich hinplätschernder Post Black Metal, sondern ein erfreulich ausgereiftes Gesamtwerk, das sich nicht scheut, die Extreme verschiedener Empfindungen auszuloten.

Mit dem Opener „VI“ (die Songs sind alle mit römischen Zahlen benannt, in direkter Fortsetzung ihrer ersten EP) begrüßt mich ein harscher Gitarrensound, der in meditativer Art vielmals ein eingängiges Lick wiederholt und von einer sehr sonoren, knurrigen Stimme begleitet ist. Oh, hier fühle ich mich schon sehr wohl. Die Drums sind verhalten, und dennoch baut sich mit weiteren melodietragenden Spuren eine tragende Atmosphäre auf, die ihren Höhepunkt findet, als die sonore Reibeisenstimme in verzweifeltes Geschrei aufbegehrt und sowohl in Blastbeats als auch Shredding das Grundgefühl intensiviert wird und zu explodieren scheint. Mit diesem Song beweisen sie schon eindrucksvoll ihre stilistische Spannweite, die sie in eine sehr klare und helle Produktion verpackt haben.

Mit dem Zeh im Teich

So richtig, richtig fieses Geknüppel mit Geschrei kann ich ja auf Dauer nicht so gut ertragen und dementsprechend erfreut bin ich, dass sich das verdichtete Stresspotential immer wieder mit einer melodisch-schwebenden, typisch postigen Gitarrenspur und hohem Cleangesang auflockert. Und hier liegt auch die Stärke der Gesamtkomposition des Albums – AU-DESSUS stoßen immer mal wieder mit dem großen Zeh in den Shoegaze/Post-Teich, rühren ein bisschen darin herum und lassen kleine Wellen an die Ufer schlagen, verlieren dabei aber nie die Grundessenz ‚Black Metal‘ aus den Augen und wagen auch, mit Dissonanzen ihre aufrüherische Art zu unterstreichen.

Tatsächlich geht es in diesem Album wenig um einzelne Songs. Schon die einfache Durchnummerierung der Lieder deutet an, dass es um die Wirkung als Ganzes geht. Die Songgrenzen verschwimmen mit jedem Durchlauf stärker und lassen das Album als Gesamtwerk erscheinen. Und dennoch lässt sich eine Entwicklung über die Dauer des Albums verzeichnen. Mit „IX“ wird beispielsweise mit dem klassischen Rock-Charme geliebäugelt, „XI“ hingegen trägt mehr Sludge-Anleihen. Beide Tendenzen stehen jedoch, wie auch der durchgängige Post-Einfluss, nie zu sehr im Vordergrund und ordnet sich immer dem fiesen Grundton des Black Metal unter.

Dass diese recht junge Band, die sich 2014 gegründet und mit „End Of Chapter“ gerade erst ihren ersten Langspieler herausgebracht haben, schon einen so überaus ausgereiften und in Rohheit und Verträumtheit ausgeglichenen Grundsound entwickelt hat, spricht sehr für AU-DESSUS. Anscheinend als Nachfolgeprojekt von vier, der sich dem Tech/Brutal Death verschriebenen, PARALYTIC-Mitglieder ins Leben gerufen, lässt sich erschließen, woher diese ausgereifte Bosheit kommen könnte.

Fazit

Ich gebe zu, ich brauchte ein paar Durchläufe, um mich final reinzuhören und meine Ohren nach und nach für die verschiedenen Einflüsse öffnen zu können, denn auf den ersten Eindruck erscheint „End Of Chapter“ tatsächlich als recht unspektakuläres Post-Black Album. Die clevere Komposition und die Ausgeglichenheit überzeugt dann aber doch vollends von der Tatsache, dass es sich hierbei um ein selten schönes Stück musikalisches Schaffen handeln muss. Der Gesang funktioniert nicht nur als Dekoration, sondern trägt zu einem ordentlichen Anteil den Charakter der einzelnen Songs – sei er knurrend, schreiend, keifend oder doch sanft melodisch singend.

So durchkomponiert und durchdacht das Album ist, verliert es doch nie die Natürlichkeit, die auch ein oberflächliches Hören möglich macht. Damit gelingt AU-DESSUS ein Kunstgriff, der sie – in meinen Augen zumindest – ihrem Bandnamen entsprechend „über Allem erhaben“ erscheinen lässt.

Lasst euch auf der Bandcamp-Seite der Band auf 45 Minuten himmlisch-grausige Sphären ein.

Ach ja, und das Cover. Ist dir aufgefallen, wie hübsch das Cover ist?

Autorenbewertung

9
Mit einer Neun von Zehn ist schon viel gesagt. Ein rundum gelungenes Werk, das voller Ideen steckt, die sich aber immer brav der Wurzel "Black Metal" besinnt und unterordnet. Sowohl instrumental als auch gesanglich (und sogar optisch) ein echtes Schmankerl! Für mich ist es immer wichtig, dass das Album auch nach dem dritten Hören noch das Potenzial neuer Entdeckungen birgt, was hier absolut gegeben ist. Klare Empfehlung für Fans durchdachter Musik.
ø 4.8 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
9 / 10 Punkten

Vorteile

+ postiger Black Metal der stilistisch durchdachten Art
+ sowohl oberflächlich als auch detailliert gut hörbar
+ passender Einsatz verschiedener Gesangsstile
+ auch nach zwei Wochen Dauerrotation noch voller Entdeckungen
+ Sound

Nachteile

bisher keine

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