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Aufruhr in Punkrock-Manier mit WAKRAT
WAKRAT – Wakrat
Release: 11.11.2016
Dauer: 27:49 Min.
Label: Earache – ADA/WMG
WAKRAT, das neue Projekt um Tim Commerford, seines Zeichens Gründungsmitglied und Bassist der uns wohl allen gut bekannten Band RAGE AGAINST THE MACHINE, haben diesmal ihren Weg in mein CD-Laufwerk gefunden. Ich gebe zu, getriggert durch RATM habe ich zugegriffen. Ich erwarte treibend wütendes, rotziges Material. Die offizielle Ankündigung der Scheibe verspricht mir nicht nur Wut gegen jeden und alles, sondern Texte, die scharf Richtung Politik und System feuern. Es konnte wohl keinen passenderen Zeitpunkt geben, als das Album punktgenau zur amerikanischen Präsidentschaftswahl herauszubringen.
„Wakrat“ begegnet mir ganz direkt und schnörkellos mit markanten Basslinien, die sich knurrig und knarzig in meine Ohren grooven. „Sober Addiction“ legt erfolgreich die Linie für das ganze Album fest, denn um den Bass drumherum finden sich Schrammelgitarre und straightes, reduziertes Schlagzeugspiel. Die Elemente tragen den – dem Genre entsprechenden – Charakter und vor allem der Bass hat wohl das meiste Durchsetzungsvermögen, ganz so, wie ich es mag und erwartet habe. Natürlich begegnen mir hier keine hochkomplexen Kompositionen, sondern eher überschaubare Melodiken und Strukturen. Der erste Song ist durchaus mitwipp- und mitsingtauglich und ein netter Einstieg in ein Album, das im weiteren Verlauf deutlich mehr Aggressivität an den Tag legen wird.
„The Number“ empfängt mich mit rhythmischen Spielereien, die ich so nicht erwartet hätte. Eine Stimme, die ein Pattern ins Mikrofon rotzt, das sofort vom Bass aufgenommen wird und seine Fortsetzung im weiteren Songverlauf findet. Das fetzt mir! Der Song macht für mich immer mal wieder Parallelen zu DANKO JONES auf. Vor allem der Refrain in seiner Struktur und die Stimmfarbe von Commerford lässt diese Assoziation aufkommen. Mathias Wakrat zeigt unheimlich viel Agilität am Schlagzeug. Insgesamt habe ich jedoch ein sehr reduziertes Album vorliegen. Keine Spielereien, viel Eier … und mit ordentlich Drive gibt’s hier auf die Fresse.
Recht nett beginnt der dritte Song der Platte mit melodischem Gesang, wieder unterlegt von durchzimmerndem Bass und sehr punktiert eingesetzten Drums und Gitarre. Im Laufe kommt dann die Angryness. Ich höre nur fuck, fuck und … ja, genau: fuck. Gut, der Song heißt auch „Generation Fucked“. Straffer Punkrockbeat in ordentlichem Tempo, knarziger Bass und ein ziemlich wütender Sänger, der für mein Empfinden dennoch oft recht zahm klingt und in seiner Aggressivität durchaus Luft nach oben hätte.
Die rhythmischen Anfänge des folgenden Songs sagen mir sehr zu. „Nail in the Snail“ beginnt wie auch der Rest: Knarzig, simpel und tight. Etwas Abwechslung bringt hier eine geflüsterte Passage in die Vocals rein. Damit war’s das an Abwechslung aber auch schon wieder. Der Rest ist dann doch ziemlich vorhersehbar. Den Sprechgesang mit choralem Gesang zu hinterlegen, halte ich für etwas zu pathetisch, wobei es stilistisch insgesamt grad noch so auf der Punkrock-Linie liegt. Zusammen mit den später einsetzenden Clean-Gesang-Parts wird mir die Chose leider doch zu leidvoll. Ich wollte Punk, keinen Trauerkloß!
Mein Groll verfliegt augenblicklich mit „La Liberté ou la Mort“, einem Song, der sich zu meinem Favoriten des Albums mausert: Ein eingängiger sowie mitreißender Songbeginn – solistischer Gesang, der kontrapunktisch von bassgeleiteten Instrumental-Einschüben unterlegt ist. Das lädt tatsächlich nicht nur zum Mitnicken sondern auch Fußzappeln ein. Der charakterstarke Bass trägt selbst in den stark instrumentierten, rumpelnden Parts. Diese wechseln sich mit dezenteren, aber nicht weniger pointierten Parts ab. Das groovt und treibt unheimlich! Songintern zeigt sich ein sehr schöner wellenartiger Aufbau, bei dem man in ruhigen Momenten genau merkt, wie für den nächsten Wutanfall Luft geholt wird. Wer sich über den französischen Titel wundert, hier ein bisschen Hintergrundwissen: „La Liberté ou la Mort“, zu Deutsch „Freiheit oder Tod“, ist ein Kunstwerk des französischen Malers Regnault aus dem Jahre 1794 und nimmt Bezug auf den Slogan der französischen Revolution, der vor allem in der Zeit des Terrors Robespierres an Bedeutung erlangte. Robespierre? Französische Revolution? Vielleicht klingeln hier bei dem einen oder anderen die Glocken der Erinnerung an verpennte Geschichtsstunden. Ich verschone euch mit tiefgreifenderen Interpretationen von Songtext und Gemälde.
Weniger stark kommt der „The Thing“ ums Eck. Mit viel Zerre und einem unheimlich hektischen Grundcharakter lässt er mich an Jump’n’Run-Spielesoundtracks denken. Melodisch passiert hier quasi nix. Auch der Gesang gestaltet sich nicht besonders abwechslungsreich. Dass ich das als Manko empfinde, liegt am ehesten an meinen Hörgewohnheiten. Genretypisch muss der Gesang ja nicht unbedingt von Varianz geprägt sein. Hier geht es um Schub – und der ist in ausreichendem Maße vorhanden. Der Song hat sich dank der fehlenden Abwechslung in allen Elementen zum Ende hin dennoch ziemlich verbraucht.
„Knucklehead“? Ich gebe ehrlich zu, nachdem mich der Anfang in seiner Rhythmik mitreißen kann, bin ich nach gut einer Minute einfach nur genervt. Hier passiert eindeutig zu wenig. Sowohl Refrain als auch Strophe bestehen gefühlt konsequent aus demselben Material, sogar textlich: „Am I locked in my aquarium…“ Ich hab’s verstanden. „Knucklehead“ wird von mir bei den kommenden Durchläufen eiskalt geskippt. Keine Ahnung, wieso WAKRAT gerade diesem Lied ein Video (welches aber zugegebenermaßen ziemlich cool ist) gegönnt haben.
Der vorletzte Song bringt beim Hören wenig Entspannung – der Sound empfängt mich, wie der vorherige Song aufgehört hatte: leicht rumpelig, doch sehr aufgeräumt und vor allem irgendwie erwartbar. Der durchlaufende Bass, zu dem die Gitarre nur Highlights in Form von Schrammelakkorden setzt. Was „New Clear“ von allen anderen Songs der Platte abhebt, ist ein Gitarrensolo, das mich ungläubig aufhorchen lässt. Der Sound von selbigem gefällt mir und hebt sich damit auch vom Gitarrensound der restlichen Platte angenehm ab.
Wenig spektakulär hört sich dann auch der letzte Song der Platte an. In Stilistik und Sound fügt sich „Pigs in a Blanket“ in das, was musikalisch bisher etabliert wurde, ein. Die Platte bietet für mich zwei Highlights, und dieser Song ist leider keines davon.
Ihr könnt das Album in Gänze auf dem Youtube-Kanal von Earache Records anhören.
Autorenbewertung
Vorteile
+ rhythmische Spielereien
+ unheimlich viel Energie
Nachteile
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