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Aus den Tiefen #20: Murmuüre

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In „Aus den Tiefen“ stelle ich euch regelmäßig mehr oder minder unbekannte Künstler, Projekte und Bands vor, die aus dem einen oder anderen Grund abseits der altbekannten Pfade wandeln. Die Gründe hierfür können zahlreich sein. Das Ergebnis muss nicht immer nach Metal klingen, im Gegenteil! Der Fokus liegt hierbei auf Innovation, auf Experimentierfreude, auf dem Potential, etwas anders zu machen, als alle Anderen.

Vor einigen Jahren, als das Internet in seiner brutalsten und Schneeballeffekt auslösendsten Form über mich herein brach, war ich sogut wie täglich auf Youtube, Blogspot und diversen Foren unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Bands, die mich wiederum zu neuen Bands führten, die mich wiederum zu neuen Bands führten, die mich wiederum… Na ihr wisst schon. Bandception sozusagen.
Inzwischen hat dieses Kratzen in den verkrustetsten Fugen des tiefsten Untergrunds etwas nachgelassen und eine gewisse, nun ja, Sättigung hat sich eingestellt. Ob ich mittlerweile genug Bands kenne weiß ich nicht. Manchmal hab ich das Gefühl, es sind viel zu viele – manchmal denke ich das genaue Gegenteil.

Um mit dieser schönen Einleitung auch noch etwas sinnvolles anfangen zu können: eine der – zugegeben wenigen – Bands, die ich aus dieser seitendurchforstenden Ära bis heute gern und relativ häufig höre, sind MURMUÜRE.

MURMUÜRE

 

Ich kann heute leider nicht mehr nachvollziehen, wo genau ich auf diese Band gestoßen bin und wenn ich mir einige andere Artikel dazu durchlese, dann geht es vielen Leuten genauso. Vielleicht ist dies auch Teil des Mythoses. Denn F., der alleinige Schöpfer hinter der Musik von MURMUÜRE agiert in der Anonymität, obgleich die Band nicht dermaßen abgeschottet wäre, als dass man nicht auf sie stoßen könnte. Jedoch sind die Hintergrundinformationen mehr als rar gesät. Eine der ersten und bis heute wenigen gesicherten Annahmen, die ich über MURMUÜRE in Erfahrung bringen konnte, ist, dass Großteile der Gitarrenkompositionen aus Improvisationen stammen, die über einen langen Zeitraum nachträglich bearbeitet und vervollständigt wurden. Dabei wurden nicht nur Schlagzeug und Bass ergänzt, sondern auch Flöte, Trompete, Percussion, spärlich eingesetze, unverständliche Vocals und eine Vielzahl Synthies.

Somit erhält die Musik insgesamt etwas hymnisches, transzendentales, psychedelisches. Dies wird durch den Sound nur noch weiter verstärkt, wobei dieser nicht komplett schwarzmetallisch und Low Fi ist, jedoch auch alles andere als eine High End Produktion aufweist. Alles in allem könnte ich mir aber auch kein passenderes Klanggewand für das vorstellen, was MURMUÜRE auf ihrem selbstbetitelten und bis heute einzig(artig)en Album machen.

Es gibt Industrial und Ambienteinschläge, und trotzdem ist die Platte mit nichts zu vergleichen, was etwaige inhaftierte norwegische Black Metaller aus Mangel an Instrumenten in den 90ern „produziert“ hätten.

Der erste Track „Primo Vere“ wird durch ein Carmina Burana Sample eröffnet, bevor wenige Minuten später anderthalb (!) Takte Black Metal hereinbrechen und sich die restlichen Stücke des Albums zu Soundcollagen empor arbeiten, die sich unendlich zu türmen scheinen und dabei Atmosphäre aufbauen, die ich in dieser Form selten gehört habe. MURMUÜRE wirklich treffend zu beschreiben fällt schwer, denn obgleich hier Ambient, Field Recordings, Industrial, Post-irgendwas und Black Metal gleichermaßen stark und gleichermaßen wenig integriert werden, wirkt das Ergebnis eher wie der Soundtrack zu einem Film aus den 1920ern der in der Zukunft spielt…oder so.

Ich weiß, dass diese Aussage merkwürdig anmuten kann, aber MURMUÜRE ist ausgezeichnete Musik zum einschlafen. Das Album hat eine Spielzeit von 29 Minuten, und diese kommen mir jedes Mal vor, wie Sekunden.
Alles ist hier im Fluss. Bitte lasst das einsinken, denn ich kann es nicht überbetonen. Die Musik fließt! Es gibt keine Hooklines, keine Wiederholungen oder gar sowas wie Refrains, aber dennoch bleibt dieses Album so sehr im Kopf, dass es mir bis heute bei sogut wie jedem Hören Gänsehaut beschert. Man kann dieses Werk nicht mit Metalkriterien bewerten, schon garnicht mit denen des Black Metal, und das, obwohl hier deutliche Einflüsse dessen zu finden sind.

Was sind MURMUÜRE eigentlich?

Ich habe bis heute keine Ahnung, wie ich diese Frage beantworten soll. Jeder stilistische Rahmen greift irgendwie zu kurz und nichtsdestotrotz wirkt das Gesamtwerk unglaublich ausgereift und organisch. Das einzige Wort, das mir einfällt, um die Frage zumindest ansatzweise zu beantworten, ist „Geil!“.

Bis heute gibt es von MURMUÜRE nur diese eine Veröffentlichung und keine Angaben dazu, ob überhaupt weitere Alben geplant sind. Vermutlich nicht.
Alle paar Jahre gibt es eine Neuauflage des Albums, zuerst als Tape, dann als CD und angeblich bald als Vinyl. Natürlich immer in kleinsten Stückzahlen.

Das gesamte Album gibt es aber für 5€ als Download auf der Bandcampseite. Das ist es definitiv wert. Hört mal rein und genießt es!

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Bild mit freundlicher Genehmigung von Murmuüre

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