Aus den Tiefen #36: GENERAL LEE

In „Aus den Tiefen“ stelle ich euch regelmäßig mehr oder minder unbekannte Künstler, Projekte und Bands vor, die aus dem einen oder anderen Grund abseits der altbekannten Pfade wandeln. Die Gründe hierfür können zahlreich sein. Das Ergebnis muss nicht immer nach Metal klingen, im Gegenteil! Der Fokus liegt hierbei auf Innovation, auf Experimentierfreude, auf dem Potenzial, etwas anders zu machen, als alle anderen.

Es ist wieder mal Freitag. Was das heißt, ist mittlerweile eigentlich so gut wie klar: Feierabend um 1, betrunken halb 2 Bands, die vielleicht noch nicht jeder kennt.

Diesmal schwenkt der Blick nach Französien, genauer nach Béthune, von wo aus bis Mitte letzten Jahres eine Band versucht hat, sich einen Namen zu machen. Aus verschiedenen Gründen war ihnen das jedoch nur begrenzt vergönnt, weswegen sich die sechs Jungs zu einem Schritt entschieden, der genauso sympathisch wie bedauernswert ist: sie lösten sich auf.

GENERAL LEE

 

Im Jahre 2002 gegründet, verschrieben sich die Franzosen schnell dem Post Metal, dem sie einige Ingredienzen aus Hardcore und Doom beimengten.

Bereits 2003 erschien dann die erste EP „The Sinister Menace“, die aufgrund vertrackter Einschübe und weniger Hooks noch recht schroff klang, allerdings schon ein deutliches Gespür für Stimmungen offenbarte.

Abgesehen von einer Split mit AS WE BLEED im Jahre 2004, wurde es dann schon wieder ruhig um die Franzosen. Ganze fünf Jahre gingen ins Land, bevor das erste Album „Hannibal Ad Portas“ erschien. Doch die Zeit, die seit der ersten EP vergangen war, muss Wunder gewirkt haben, da das Debütalbum in puncto Emotion, Ohrwurmpotenzial und Songwriting völlig neue Welten erreicht, die selbst die Besatzung der Enterprise (egal, welche!) vorher nicht zu Gesicht bekommen haben dürfte.

 

Dass es nicht gerade wenig Bewunderer und Nacheiferer des Post-Metal-Dreigestirns CULT OF NEURISIS gab und bis heute gibt, ist hinlänglich bekannt. Umso erfreulicher war es, dass GENERAL LEE zwar die Beeinflussung durch die eben Genannten nicht zu übertünchen versuchten, sich aber dennoch ihren eigenen Stil erarbeiteten, der qualitativ in bedrohliche Nähe zu den Idolen vorstoßen konnte.

Das zweite Full Length Album „Roads“ wurde 2010 veröffentlicht und stand seinem Vorgänger in kaum etwas nach. Melancholie, Energie, Ruhe, Sturm und Post Rock-artiger Bombast sind nur einige Stichworte, die mir zum Zweitling der Franzosen einfallen. Scheitern doch Unmengen von Bands bei dem Versuch, ein so diffiziles Gebilde wie Stimmung aufzubauen, so gibt es bei GENERAL LEE keinen einzigen Moment, in dem der Wechsel von fragiler Schwermut zu schleppender Aggression und zurück nicht präzise konzipiert und vollzogen wird!

Mein persönlicher Favorit „Raiders Of The Evil Eye“ folgte im Jahre 2012 und begann damit, die bereits vorher gemeisterten Fähigkeiten im Post-Metal-Sektor mit gesteigerten Hardcoreanteilen zu vermengen. So strotzt das Drittlingswerk nicht nur vor gesteigerter Wut, sondern auch vor Gitarrenhooks, die die sieben Songs so übermäßig im Nachhirn verankert, dass es mir seit Jahren nicht gelingt, sie dort dauerhaft weg zu bekommen. Aber warum sollte ich auch?

Das letzte Album „Knives Out, Everybody!“ spiegelt den Albumtitel exakt wieder und ist nur noch auf Krawall gebürstet. Die atmosphärischen Anteile der Anfangstage sind weitestgehend vergessen, stattdessen werden die Hardcoreanteile auf 11 gedreht und Größen wie BOTCH und CONVERGE gehuldigt. Mit dem Schwanengesang wurde noch einmal versucht, alles zu vernichten und dem Erdboden gleich zu machen, in der Hoffnung, dass nichts mehr steht, wenn sich die Band zur Ruhe legt.

Auch wenn mir dabei die stimmungsvollen Elemente etwas fehlen, so haben GENERAL LEE doch einen Brocken Musik kreiert, der einige Zeit braucht, um vollständig verdaut zu werden und so noch einige Zeit nachwirkt.

Am 23.02.2016, nach 15 Jahren des Bandbestehens, wurde via Facebook das Ende der Karriere, sowie das letzte Konzert verkündet, wonach GENERAL LEE verstummen sollten.

Nach wie vor sind alle Releases für n paar wenige Mark über die Bandcampseite erhältlich und dort auch zu streamen, was ihr unbedingt tun solltet!

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