Aus den Tiefen #44: SANKT OTTEN
In „Aus den Tiefen“ stelle ich euch regelmäßig mehr oder minder unbekannte Künstler, Projekte und Bands vor, die aus dem einen oder anderen Grund abseits der altbekannten Pfade wandeln. Die Gründe hierfür können zahlreich sein. Das Ergebnis muss nicht immer nach Metal klingen, im Gegenteil! Der Fokus liegt hierbei auf Innovation, auf Experimentierfreude, auf dem Potenzial, etwas anders zu machen, als alle anderen.
Dass Schwermut und Düsternis nicht immer im Gewand von Black Metal passieren muss, haben Künstler wie CHELSEA WOLFE oder diverse Post-Rock- und -Metal-Bands immer wieder klar gemacht. Doch heute möchte ich über eine Band schreiben, die das Ganze noch etwas weiter auslotet, in fast gänzlich elektronische Gefilde.
SANKT OTTEN
Das Gründungsjahr von den Osnabrückern SANKT OTTEN liegt noch im letzten Jahrtausend: bereits 1998 entschloss sich Stephan Otten, damals noch unter Beteiligung von Carsten Sandkämper, tiefschürfende und -traurige Musik zu kreieren.
Die erste EP „Stille Tage im Klischee“ erschien bereits im Folgejahr und enthielt vier, stark vom Trip Hop beeinflusste Songs, die sich auch an einigen Stellen an die deutschen Elektropioniere KRAFTWERK anlehnten.
Schon im Jahr 2000 erschien das Debütalbum „Eine kleine Traurigkeit“, welches insgesamt 11 Songs enthielt, wobei auch der Großteil der Songs von „Stille Tage im Klischee“ erneut veröffentlicht wurde. Stilistisch wird hier Musik geboten, bei der vor allen Dingen repetitive Schlagzeugfiguren die Basis bilden, und welche damit deutlich in Richtung britischer Trip-Hop-Bands wie PORTISHEAD oder MASSIVE ATTACK schielen. Darüber hinaus dominieren düstere orchestrale, fast cineastische Orchesterklänge und zunehmend Synthieflächen die Songs, die zudem noch mit etwas ausgestattet sind, was in neueren SANKT OTTEN-Werken fehlen wird: Gesang. Dieser wird in den häufigsten Fällen einfach gesprochen, oder aber nur in einfachen Melodien vorgetragen. Erneut muss hier als Referenz KRAFTWERK herangezogen werden, leben die Texte doch von ihrer sehr minimalistischen Art, die dennoch äußerst emotionale Reaktionen in mir auslöst.
Noch stärker als auf den frühen Alben, sind sie seit 2006, da die Musik von SANKT OTTEN nahezu komplett instrumental wurde. Die Songtitel, die nicht nur kreative Wortspielchen aufweisen, sondern auch an der Substanz kratzen, zumindest an meiner. Wem bei Alben- und Songtiteln wie „Wunden gibt es immer wieder“, „Wir können ja Freunde bleiben“, „Ich bin dann mal oben“ oder „Ein Himmel voller Galgen“ nicht das Lachen vergeht, dessen Medikation ist wohl ziemlich gut eingestellt.
Im Jahre 2002 stieß Oliver Klemm mit zur Band und stellt mit Stephan Otten bis heute sowohl optisch als auch klanglich SANKT OTTEN dar.
Immer wieder muss ich bei der Beschäftigung mit den Osnabrückern an meine Lieblings-Doom-Jazz-Band BOHREN UND DER CLUB OF GORE denken. Auch wenn sich Instrumentierung und Stilistik beider Bands nicht sonderlich gleicht, und BOHREN deutlich langsamer zu Werke gehen, so schlagen doch beide Bands bei mir in die gleiche Gefühlskerbe und vermitteln mir, dass sie sich sowohl in puncto Humor und musikalischer Sozialisierung nicht allzu fremd sein können. Ein Beweis dafür dürfte wohl die Kooperation mit dem BOHREN Saxophonisten Christoph Clöser auf dem 2013er Album „Messias Maschine“ sein. Auch beim Blick auf die jeweiligen Diskographien gibt es, zumindest für mich, einige Gemeinsamkeiten. So ist das Frühwerk beider Bands, noch vergleichsweise ruppig, während man sich auf beiden Seiten gleichermaßen mehr und mehr zum Kern des eigenen Sounds vorarbeiten könnte, der mittlerweile unverkennbar geworden ist. Während BOHREN so bei ihrem ganz eigenen Doom Jazz angekommen sind, trifft auf SANKT OTTEN mittlerweile fast schon „Synthpop“ als Stilbezeichnung zu, wobei sich vor Ausbrüchen in Post-Rock- und Trip-Hop-Sphären nicht gescheut wird.
Seit ihrem 2009er Album „Morgen wieder lustig“ stehen SANKT OTTEN bei dem fantastischen, französischen Label Denovali Records unter Vertrag, welches auch über das Osnabrücker Duo hinaus zahlreiche einzigartige Bands unterschiedlichster Couleur beheimatet und vertreibt.
Wer also darüber hinaus noch auf der Suche nach einigen Leckerbissen sein sollte, dem lege ich die Website bzw. Bandcampseite des Labels ausdrücklichst ans Herz.
Alle Alben, sowie zahlteiche EP’s von SANKT OTTEN sind auf ihrer Bandcampseite erhältlich.
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