Aus den Tiefen #8: Black Table – Interview Edition
In „Aus den Tiefen“ stelle ich euch regelmäßig mehr oder minder unbekannte Künstler, Projekte und Bands vor, die aus dem einen oder anderen Grund abseits der altbekannten Pfade wandeln. Die Gründe hierfür können zahlreich sein. Das Ergebnis muss nicht immer nach Metal klingen, im Gegenteil! Der Fokus liegt hierbei auf Innovation, auf Experimentierfreude, auf dem Potenzial, etwas anders zu machen, als alle anderen.
Heute geht es um die New Yorker Experimental Black Metal Band BLACK TABLE, die ich vor vier Jahren mit ihrer EP „Sentinel“ kennengelernt habe. Vor Kurzem spielte die Band ihre erste Europa-Tour. Leider konnte ich keinen der Termine wahrnehmen. Trotzdem, oder gerade deshalb, nahm ich Kontakt zu Sängerin und Gitarristin Mers Sumida auf und löcherte sie ein bisschen bezüglich der Band und dem kommenden Album „Obelisk“.
Robert: Hallo Mers! Danke, dass du dieses Interview mit mir führst! Wie geht’s dir?
Mers: Mir geht’s gut. Ich bin gerade in Upstate New York und höre einen neuen Song, an dem wir gerade arbeiten.
R.: Für die Leser, die dich und euch noch nicht kennen: könntest du uns die Band kurz vorstellen?
M.: Wir sind eine vierköpfige Band aus New York und New Jersey. Ich bin Gitarristin und Sängerin, Ryan Fleming ist unser anderer Gitarrist, Michael Kadnar, der auch bei DOWNFALL OF GAIA und THE NUMBER 12 LOOKS LIKE YOU spielt, ist unser Schlagzeuger, und DJ Scully, der ebenfalls bei THE NUMBER 12 LOOKS LIKE YOU und DEAD EMPIRES ist, spielt Bass.
R.: Es ist bereits vier Jahre her, seitdem eure erste EP „Sentinel“ erschienen ist. Das ist im Musikgeschäft schon echt ne lange Zeit. Was ist in der Zwischenzeit so bei euch passiert?
M.: Es gab viele personelle Wechsel und neue Projekte für die anderen Mitglieder, aber hauptsächlich haben wir uns einfach Zeit genommen, um unser neues Album zu schreiben. Wir sind wirklich weitschweifig, was unsere musikalischen Kompositionen anbelangt.
R.: Euer neues Album „Obelisk“ wird noch in diesem Jahr veröffentlicht. Was erwartet uns? Wie würdest du die neuen Songs mit eurem „alten“ Material vergleichen?
M.: „Sentinel“ war eine Art Experiment, um zu sehen, was wir gemeinsam schaffen können. Wir gingen dabei nicht mit irgendwelchen Konzepten oder Regeln darüber, wie wir zu klingen hätten, an die Sache heran. Es war eher so nach dem Motto „Lasst uns was erschaffen“ und dann taten wir das, was sich für uns richtig anfühlte. Bei „Obelisk“ wollte ich, dass es konzeptreicher und heavier, dunkler und fokussierter zugeht. So, dass man fühlt, dass alles miteinander verwoben ist und das zwang uns dazu, uns selbst musikalisch zu fordern. Ich fühlte, dass wir bereit dazu waren. Konzept-Alben sind schwierig, sie sollten hörbar und nicht zu protzig sein oder sich zu sehr darauf verlassen, dass das Konzept selbst alles trägt. Man braucht eine klare Vorstellung davon, was man machen will und muss sich und der Sache treu bleiben, ansonsten kann man dabei echt scheitern. Es ist wirklich eine schwierige Aufgabe, dabei gleichzeitig objektiv und kreativ zu bleiben.
Ich würde sagen, dass die neuen Songs anders sind. Härter, ursprünglicher, aber mit einem Quäntchen Hoffnung, welche das alte Album nicht hatte. „Sentinel“ handelte von religiöser Heuchelei, Todessehnsucht, der amerikanischen Guerilla und dem Zerfall der westlichen Zivilisation. „Obelisk“ wurde zu einer Zeit geschrieben, in der ich schwer unter meinen Depressionen litt. Also las ich viel über Mythologie und das spendete mir ein bisschen Trost, sodass ich meinen Schmerz nehmen, einen Archetyp daraus machen und ihn wenigstens für einen Moment von mir losgelöst beobachten konnte.
R.: Euer ehemaliger Bassist Matt Mellon verließ die Band im Jahre 2013 und nun ist DJ Scully bei euch. Hatte dies einen Einfluss auf das Songwriting oder das Ergebnis eurer neuen Songs?
M.: Unser Schreibprozess ist gleich geblieben. Das heißt, dass Ryan und ich die Songs schreiben, Mike und DJ ihre Parts dazu komponieren und wir dann gemeinsam editieren, verfeinern und arrangieren. Das Ergebnis ist sicherlich anders als das, was Matt geschrieben hätte. DJ hat seinen ganz eigenen musikalischen Geschmack und Stil und bringt außerdem eine hohe Bühnenpräsenz mit, die sehr zu uns passt. Wir wollten mehr Härte als zuvor, aber auch hohes musikalisches Können.
R.: Euer Sound ist ziemlich eigen. Wie kamt ihr dazu und was sind die wichtigsten Einflüsse für euch? Wie würdet ihr euren Stil selbst beschreiben?
M.: Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, wie wir das angestellt haben. Wir waren uns nur von Anfang an einig, dass wir niemals etwas tun würden, nur weil es gerade im Trend liegt oder diese und jene Band das gerade so macht. Als wir „Obelisk“ schrieben, hörte ich keine Musik von anderen Bands. Ich denke, das ging fast zwei oder drei Jahre so. Ich wollte einfach nicht beeinflusst werden.
R.: Ihr habt gerade eure erste Europa-Tournee hinter euch gebracht. Gab es irgendwelche Kulturschocks in Europa, die ihr niemals vergessen werdet?
M.: Nein, nicht wirklich. Aber ich hab mich wie ein komplett dämlicher Amerikaner gefühlt, da ich nicht eine europäische Sprache beherrsche. Mein Ziel ist es nun, Deutsch zu lernen, was ich momentan auch mache. Ich liebe die Sprache und die Leute und ich weiß und hoffe, dass BLACK TABLE noch öfter in Europa sein werden. In Strasbourg, Frankreich, war ich im Club Molodai, was übrigens ein echt schönes Teil ist. Jedenfalls wollte ich etwas Wasser trinken. Ich hab aber total vergessen, wie ich das auf Französisch sagen kann, l´eau. Es war verdammt laut und der Typ hinter dem Tresen guckt mich mit dem gelangweiltesten Blick der Welt an, wie eine Katze. Eine Zigarette hing wie „ein Schlappschwanz“ (O-Ton Mers) aus seinem Mund. Ich fragte ihn auf Englisch: „Water?“, er zuckte nur mit den Schultern. Ich fragte ihn auf Deutsch: „Wasser?“. Er zuckte wieder mit den Schultern. Ich wollte mich dann wenigstens entschuldigen, aber nicht mal das fiel mir ein. Je suis désolé! „Aber ich liebe Europa und ich hatte nicht Heimweh“ (O-Ton Mers), nicht ein einziges Mal. So sehr hab ich es genossen.
R.: Ich hab bei Facebook gesehen, dass ihr mit Alex und Wolfie von Swansea Constellation befreundet seid. Ich kenne die beiden nicht persönlich, kenne allerdings ihre Arbeit und habe viele von ihren Shows und Konzerten besucht. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich sogar Mike mal in Leipzig getroffen. Wie kam der Kontakt mit den Jungs zustande und gibt es Pläne für weitere zukünftige Kooperationen?
M.: Nachdem BLACK TABLE vor drei Jahren mit DOWNFALL OF GAIA durch die Staaten getourt sind, hat ihr Schlagzeuger Hannes beschlossen, die Band zu verlassen. Lange Rede, kurzer Sinn: Mike ist DOWNFALL OF GAIA beigetreten. Sie hatten auf einer Tour einen Off-Tag und haben das Doom over Leipzig Festival besucht. Und so hat Mike dann die ganzen Leipzig-Leute kennengelernt. Seitdem steht er mit Alex und Wolfie in Kontakt und wir haben die Europa-Tournee von BLACK TABLE über Alex‘ Swansea Constellation geplant.
R.: Aus meiner europäischen Sicht wirkt es auf mich so, als würde in der New Yorker Gegend und Szene immer unfassbar viel passieren, was Kreativität und Experimentierfreude anbelangt. Ich denke da vor allem an Bands wie TOMBS oder KRALLICE und an Künstler wie JULIE CHRISTMAS. Wie sehr fühlt ihr euch von diesem Umfeld beeinflusst?
M.: Ich würde sagen, dass es eine konstante Quelle der Energie und Hoffnung ist, zu Konzerten zu gehen und neue Bands zu sehen. In New York hast du die Möglichkeit, den Besten der Besten ausgesetzt zu sein, denn New York ist ein gnadenloses Pflaster voller Konkurrenz für Künstler. Entweder du hinterlässt eine Spur, oder du verschwindest. So viele Bands kommen und gehen. Allerdings erinnert mich der Fakt, dass die Leute hier harte, krasse Musik machen und auf der Bühne alles geben, immer daran, warum wir das alles eigentlich machen. Musik ist unser Vermächtnis. Zumindest hoffen wir das.
R.: Mit „Sentinel“ habt ihr Bilder auf Leinstoff versandt, von denen nur 47 gefertigt wurden. Für „Obelisk“ habt ihr sogar ein kleines Buch handgefertigt. Wie kommt ihr auf die Idee, solche speziellen Extras zu kreieren?
M.: Ich mache Dinge, dich ich selbst gerne kaufen würde und die ich natürlich auch machen will. Ich mag es nicht, irgendwelche Produkte aus China zu bestellen, auf die dein Name gedruckt wird und zu denen weder die Musik noch die Band einen Bezug hat. Mit BLACK TABLE versuchen wir etwas im Zusammenhang mit Kunst und Bedeutung anzubieten. Ich habe so viele Nachforschungen für „Obelisk“ angestellt und war davon überzeugt, dass manche Leute gerne darüber lesen würden, also dachte ich, dass es doch echt cool wäre, ein kleines Buch zu binden. Im Grunde ist Buchbinden aber eine Kunst und ich hoffe, dass ein richtiger Buchbinder niemals das zu Gesicht bekommt, was ich hingestümpert habe.
R.: Eine eurer Ideen war das „DeepWell Auditory Kit“. Musst du, müsst ihr euch, an einen besonderen Ort, in eine bestimmte Stimmung versetzen, um Musik schreiben zu können?
M.: Das war ein weiteres unserer Experimente, was uns echt Spaß gemacht hat. Das ist ein 20-minütiger, dröhnender Segen. Mit dem Song wurde ein Spiegel, eine Kerze, Weihrauch und eine Beschwörung versandt. Ich selbst bin ein sehr emotionaler Mensch, kann ironischerweise aber nicht arbeiten, wenn ich deprimiert oder wütend bin. Diese Gefühle führen mich einfach vom Wege ab. Mein Herz wandert dann davon und hinterlässt nur eine Blutspur.
R.: Ich suche stets nach neuer Musik. Gibt es Bands, die dich in letzter Zeit positiv überrascht haben? Irgendwelches neues Zeug, dass du empfehlen würdest?
M.: Ganz ehrlich – ich bin seit ein paar Monaten in der Stimmung für extrem düsteren Elektrokram. Das ist zwar nicht wirklich neu, aber ich bin verrückt nach KANGDING RAY, sowie „Solen’s Arc“ und „Continental Drift“ von FAURES. Ansonsten find ich „Värähtelijä“ von ORANSSI PAZUZU großartig und die neue CULT LEADER sowie die neue INTER ARMA sind geil! Und dann gibt es noch einzelne Songs, die mich in letzter Zeit total gefesselt haben, „King Of Swords“ von KING WOMAN, „Total Self-Hatred“ von TOTALSELFHATRED, „Iodine Sky“ von BLACK LIGHT BURNS und „Floating Cube“ von S U R V I V E.
R.: Alles klar Mers. Das wärs schon von meiner Seite. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Die letzten Worte gehören dir!
M.: Danke für die Korrespondenz mit dir, ich habs sehr genossen! Ich hoffe, wir können irgendwann mal n paar Bier trinken! Prost!
Mittlerweile wurde der erste Song des neuen Albums via Metalsucks veröffentlicht, ihr könnt ihn euch unten anhören!
„Obelisk“ erscheint am 14.10.2016 über Silent Pendulum Records und kann bereits jetzt HIER vorbestellt werden!
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2 Kommentare
[…] vor ein paar Wochen habe ich in „Aus den Tiefen“ ein Interview mit Mers Sumida von den New Yorkern BLACK TABLE veröffentlicht. Mittlerweile liegt […]
[…] GAIA, die mich erst zum Ende ihres Sets wirklich fesseln können. Drummer Mike Kadnar, der auch bei BLACK TABLE spielt, ist ein absolutes Monster und prügelt und bangt sich durch das gesamte Set. Der Sound ist […]