Black Metal Malle – Teil 1

Die Erderwärmung ist ja schon ein gemeiner Geselle. Nicht nur sind wir alle Schuld daran, dass sie überhaupt auftaucht, sondern müssen uns mit ihr auch noch einen Planeten teilen. Experten und Panikmacher sind sich einig, dass unser gemäßigtes Klima bald schon nicht mehr so kühl sein wird.

Die Winter werden wärmer, selten kalt und die Sonne brennt uns den Arsch weg.

So ähnlich klingen die übertriebenen Hiobsbotschaften die uns erreichen. Und sie geben Grund zur Sorge: Werde ich meinen düsteren Metal noch im Kalten genießen können?
Um mich der nahenden Zukunft zu stellen, habe ich mich also auf den Weg in wärmere Gefilde gemacht. Denn die angeblich durch den Klimawandel eingeläutete Eiszeit werde ich höchstwahrscheinlich nicht mehr miterleben. Das wäre das perfekte Wetter für Black Metal. Stattdessen verschlägt es mich ausgerechnet nach Mallorca.
Deutschlands 17. Bundesland und Black Metal? Kann man im Touri-Kommerz und der brütenden Hitze noch die ein oder andere Schwarzmetall Band genießen?

Um das schon mal vorweg zu nehmen: Nein, ich habe keine neue Band aus Mallorca entdeckt, sondern werde euch lediglich hier ein paar mehr oder weniger geheime Tipps geben. Dafür erzähle ich euch gleich von einigen meiner Urlaubs-Aktivitäten und dem perfekten Soundtrack zu diesen. Ihr seid recht herzlich dazu eingeladen, meine Reise im Nachhinein mitzuerleben!

Auf nach Mallorca!

Tag 1:

Die Reise beginnt im Flugzeug, deswegen mache ich mich auf Schmerzen fürchterlichen Ausmaßes im Gesäßbereich bereit. Mein Körper verträgt diese Flugzeugsitze nicht einmal über die durchaus menschenwürdige Dauer von zwei Stunden. Und im Flugzeug wird auch meine erste Begegnung mit Musik in diesem Urlaub stattfinden.
Zum Glück nerven die Stewardessen und Stewards mich nicht und akzeptieren, dass ich um 4 Uhr morgens lieber die Augen ausruhen und zu Musik entspannen will. Denn um ehrlich zu sein, kann ich es nicht ab, im Flugzeug belöffelt zu werden, was ich denn nun gern zu trinken hätte etc. Da weiche ich gerne auf eine altbewährte Taktik aus: Augen schließen, Kopfhörer auf und so tun als würde man schlummern. Dabei ist mir egal, ob ich gerade abstürze und Panik schieben sollte oder nicht.

Durch meine Strategie bin ich die nervigen Flugbegleiter los und kann mich auf die Musik konzentrieren, ob ich nun wirklich müde bin oder nicht. Die passende Reisemusik streichelt nach dem Start endlich meine Ohren. Es ist IHSAHN, der mir betörend in die Ohren kreischt und ab und zu auch singt. Wem IHSAHN kein Begriff ist, der darf jetzt gern seine Hausaufgaben machen und seine alte Band EMPEROR anhören, die aber viel traditioneller unterwegs sind als ihr Frontmann mit seiner Solo-Arbeit. Damals wurden noch härtere Sachen abgefeuert und die ganz alte Schiene gefahren. Das gesamte Programm war mit Kirchenverbrennungen, Knastaufenthalten und allem Pipapo ausgefüllt.
Der Einfluss dieser legendären Band auf die gesamte Szene ist nicht abzustreiten, aber Vegard „IHSAHN“ Tveitan war das alles nicht genug.

Trotz der Neugründung von EMPEROR beschloss er, keine neuen Alben mehr mit dieser Band zu veröffentlichen und fing stattdessen mit seiner Solo-Karriere an. Bereits sechs Alben kann der Norweger verzeichnen, wobei meiner Meinung nach jedes neue besser als das vorherige war. Der neueste Longplayer trägt den passenden Namen „Arktis“ und nimmt einen mit auf eine Reise.
Auf norwegisch erzählte Geschichten, progressives Geklimper und eingängige Hits treffen hier aufeinander und man beginnt zu verstehen, warum IHSAHN als der wohl wichtigste Vertreter des Progressiven Black Metals gilt. Es ist also kein Wunder, dass diese Musik super zum Abschalten und Entspannen auf einer langen An- oder Abreise ist.
Besonders empfehlenswert sind hier für Einsteiger und Reisende seine neuesten Werke „Arktis“ (2016) und „Das Seelenbrechen“ (2013). Die Schmerzen in meinen vier Buchstaben machen sich zwar bemerkbar, aber dafür schweben meine Ohren auf Wolke 7.

 

Tag 2:

Wir lassen IHSAHN und die zähe Anreise hinter uns. Diese war sogar inklusive Verspätung des Hotel-Shuttles und einer eher ungewollten und ungemütlichen morgendlichen Inselrundfahrt von zwei Stunden bis zum Hotel selbst. Deswegen wird heute hauptsächlich entspannt und aus Bewegungsfaulheit die hoteleigene Sonnenterrasse getestet. Kaum auf dem Dach angelangt, bemerke ich, was mir nach dem Umschwung im Klima definitiv fehlen wird: Wolken.

Daran stört sich aber unser nächster Musiktipp bestimmt nicht. SUN WORSHIP aus dem sonnigen Berlin suggerieren mit ihrem Namen eine eher wohlwollende Beziehung zur Sonne. Und Tatsache! Die Musik funktioniert auch perfekt als Begleitung zum Sonnen. Wer jetzt aber glaubt, dass dieses Black-Metal-Geschwür sich an den Sonnenbadern von DEAFHEAVEN für ihren Namen orientiert haben, liegt jedoch falsch. Bereits 2010 gegründet, machen sie schon seit einer Weile den Untergrund unsicher, was bereits drei Jahre vor der Erscheinung des hochgelobten Albums „Sun Bather“ war. Sie bieten ein ebenso schönes wie unleserliches Logo und zwei Knaller-Alben.

Die neueste Erscheinung wurde „Pale Dawn“ getauft und diese Beschreibung passt perfekt auf meine äußerst bleiche Haut zu Beginn des Urlaubs auf „Black Metal Malle“.
Wem das Ganze zu eintönig ist und sich lieber Härteres anhört, kann das gerne tun, aber für mich gehören SUN WORSHIP zum erfreulichen Nachwuchs in der Black-Metal-Szene und bedienen sich nicht an dem erwarteten Post-Black-Einheitsbrei. Klar kann man Parallelen zu melodiöseren Post-Black-Bands ziehen, aber das Ganze klang noch nie so gut wie in dieser Umsetzung: altmodisch, nostalgisch und doch innovativ. Zu dieser Musik kann man sich sonnen und baden, oder einfach zu Hause sitzen und die Musik genießen. Jedoch hat mir meine Kombination aus sonnenbaden und Sonne anbeten – Wortwitz komm raus – noch besser gefallen.

 

Tag 3:

Heute entschließen wir uns, dass das genug Sozialphobie war fürs Erste und wir tauschen das eher menschenleere Sonnendeck auf dem Dach des Hotels gegen einen kleinen Ausflug. Sightseeing wird einem jedoch nicht so leicht gemacht, wenn man den Bus eine Station zu früh verlässt und sich die Altstadt von Alcudia selbst suchen muss. Daher mein Tipp: Frischt euer Spanisch auf, bevor ihr hierher kommt. Oder lernt, euch besser zu orientieren.

Den Fußmarsch zu Kirche und alten Stadtmauern vertone ich mit ANCST. „Die nächste Berliner Truppe in meiner Kolumne? Ich schein echt Heimweh zu haben“, denke ich mir und drücke auf Play. Sofort prescht mir eine tausend PS-Maschine, angetrieben von Crust und Black-Metal, entgegen und ich schaffe es nicht mehr auszuweichen. Keine Sorge, ich wurde nicht überfahren, obwohl mir das der ein oder andere bestimmt wünscht, denn mein Musikgeschmack kann zum Teil ziemlich bescheiden sein. Aber ich verspreche euch, dass ihr mit ANCST nichts falsch machen könnt.

Falls euch der Name nicht abschreckt, möchte ich auch noch gern einen Vergleich zu HEAVEN SHALL BURN ziehen, da sich einige Songs nicht nur anhören wie eine Black-Metal-Version des veganen Thüringer Core-Orchesters, sondern auch der politische Anspruch der selbe zu sein scheint. Linker Black Metal(core) wird hier zelebriert, auch wenn der Punk in der Band öfter mal die Oberhand gewinnt und man sich kaum traut, es in eine Liste für Black-Metal-Tipps mit aufzunehmen.

Schon seit ein oder zwei Jahren sind die Jungs aus Berlin ein echter Geheimtipp und erfreuen sich immer mehr Popularität. Und das zu Recht! Das neueste Album „Moloch“ möchte zwar nichts mit Kirchenverbrennungen zu tun haben, aber es sorgt dafür, dass man ordentlich in die Spuren kommt. Ob die Omas, die in Alcudia die Kirchenausstellung beaufsichtigen, zu schätzen wissen, wie weltoffen und progressiv ANCST an ihre politischen Ansichten herangehen, bleibt fragwürdig. Vielleicht mustern sie mich aber auch nur deswegen so pikiert, weil ich komplett in schwarz und mit Bandshirt ihre heilige Kirche betrete.
Das Bild von Dämonenaustreibungen kommt mir in den Kopf, aber diesen Dämon sollen sie mir erst einmal versuchen auszutreiben. Schließlich gehört ANCST neues Album „Moloch“ zu meinen persönlichen Top-Alben diesen Jahres und zeigt, wie einfach man Genregrenzen aufsprengen kann.

 

Tag 4:

Als ob die gestrige Wanderung noch nicht genug war, geht es nun auf zur nächsten Touristen-Falle-Attraktion.
Das Palma Aquarium wartet mit vielen Gründen auf, tiefe Gewässer zu meiden. Eines der größten Aquarien Europas bietet das tiefste Haifischbecken und tausende Fische. Von denen trägt aber leider keiner Corpsepaint, es sei denn, man zählt die Musterung der Muräne im Titelbild.

Die Band, mit der ich diese Tiefen erkunde, trägt leider genauso wenig Schminke wie Nemo, trotz ihres düsteren Namens. „Sieh wie die Männer fallen“ nennt sich diese Kapelle aus Frankreich und eins muss man REGARDE LES HOMMES TOMBER lassen: Ihr Name beschreibt ziemlich gut das, was man sich bei ihrer Musik vorstellt. Brennende Schlachtfelder und sterbende Soldaten, Männer, Frauen und Kinder treten hier vor das geistige Auge. Das klischeehafte Verderben, wie man es aus dem Black Metal kennt, wird hier geschickt illustriert. Es wird Spannung aufgebaut, Höhepunkte gesetzt und sogar der Abbau der Spannung lässt mich interessiert weiterhören.


Nicht ganz so interessant, aber dennoch unterhaltsam, gestaltet sich das Aquarium. Dieses wurde bereits nach kaum einer Stunde komplett durchforstet. Ich bin zwar immer noch der festen Meinung, dass das an der Musik lag, aber meiner Begleitung kam das Ganze auch ohne Musik genauso schnell vorbei vor.
Wer Gefallen an Bands wie CELESTE und AMENRA findet, dürfte meinen Enthusiasmus für REGARDE LES HOMMES TOMBER nachvollziehen können. In meinem Kopf treffen hier epische Theaterbilder auf düstere Klänge. Dank der kühlen Luft im Aquariumsgebäude lässt sich das neueste Gesamtkunstwerk der Truppe, namens „Exile“, noch besser vom Ohr verarbeiten. Daher geht meine Empfehlung eher in Richtung „daheim-hören“ oder „in-den-Bergen-hören“. Wer trotzdem auf Sonnenbrand statt Kirchenbrand steht, dem möchte ich nicht abschlagen, die Franzosen auch am Strand aufzudrehen.


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