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Core Classics #16 – Confide
Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!
CONFIDE – Shout The Truth
Veröffentlichungsdatum: 08.09.2009
Länge: 45:45 Min.
Label: Tragic Hero Records
Heute tauchen wir wieder in die Abgründe einer ganz besonders geliebten Szene, welche (natürlich) in den USA ihren Ursprung hat. Tausende Gummi-Armbänder und Emo-Frisen zeugen von dem Erfolg einer Welle, ausgelöst von Glätteisen-Fachverkäufern. So ähnlich sehen auch die süßen Schreihälse von CONFIDE aus und alle echten Metal-Fans müssen ganz stark bleiben, wenn sie dieses Album an ihre Ohren lassen. Der feuchte Teenie-Traum besteht nämlich aus einer großen Portion Synths, Autotune und poppigem Gesang. Jeder, der in den vergangenen Jahren auf Festivals nicht geschlafen hat, weiß, dass auch heute noch Bands den Party-Metalcore leben und erfolgreich damit sind. ESKIMO CALLBOY, TO THE RATS AND WOLVES, WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER und GROOVENOM sind gerade mal die bekanntesten der deutschen Szenevertreter, die beweisen, dass sich Pop, Synth-Mucke und Metal mischen lassen. Meinen persönlichen Geschmack mal ganz ausgenommen – ich könnte mir das auch nicht außerhalb von Festivals geben – lieben viele junge Menschen deren Sound und rutschen dadurch vielleicht auch in die Metal-Szene hinein. Schade ist nur, dass sie dort nicht gerade herzlich empfangen werden. Mein sehnlichster Wunsch ist es, eine neue Akzeptanz für diese neuen Kategorien von harter Musik zu schaffen, aber dafür ist der Metal wahrscheinlich zu spießig geworden. Das liegt vielleicht auch an dem Ghost-Writing, welches in der jungen Szene betrieben wird. Da schreiben Gitarristen anderer Bands gern mal ganze Alben für Newcomer, was auch mich an künstlerischer Integrität zweifeln lässt. Aber nicht bei allen Bands muss Kommerz zum Selbstzweck werden, manchmal hat man auch einfach Lust drauf.
So ähnlich wird sich das bei CONFIDE verhalten haben, die mit ihrem Cover von „Such Great Heights“ (THE POSTAL SERVICE) ihren ganz eigenen, besonderen Hit landeten. Das hier eine Elektropop-Band gecovert werden wird, kann man schon am Anfang der Platte heraushören. Der Gesang bedient Klischees bis sich die Balken biegen, und so ist das auch mit dem Text. Dennoch bleibt man am Ball, wenn einem der ein oder andere Breakdown gefällt oder man generell sein heimliches Vergnügen gefunden hat. Bei der Besprechung des Albums ist jedoch wichtig zu wissen, dass es sich um ein Re-Release handelt, denn ein Jahr zuvor war es bereits ohne die drei Bonus-Tracks, darunter auch „Such Great Heights“, und mit einem anderen Sänger erschienen. „Shout the Truth“ 2.0 wird jetzt vom neuen Schlagzeuger mit Gesang vertont. Dieser fühlt sich auch irgendwie richtiger an, als das was zuvor verzapft wurde. Man klatscht eine ordentliche Kelle Ton-Korrektur oder Autotune auf den Mann und schon passt es viel besser in das Gesamtkonzept.
Wer dieses Debüt hört, wird sich wahrscheinlich denken, dass er lieber zu Hause im Black Metal-Kämmerlein geblieben wäre, aber vielleicht juckt es ihm auch im Tanzbein. Ich für meinen Teil habe immer gedacht, dass alle Leute die „pogen“ statt „moshen“ sagen, nicht zurechnungsfähig sein können. Ein anderes Wort als Pogo passt bei dieser Musik aber nicht, das habe ich eingesehen. Bei Synth-Lines die eine Identitätskrise vermuten lassen, kann man nur wie ein zugedröhnter Teenager, der ein Shirt mit der Aufschrift „Rawr means I love you in Dinosaur!!!“ trägt, abzappeln. Dennoch kann der eigentliche Sänger nicht wirklich shouten beziehungsweise screamen, was man deutlich hört. Er klingt teilweise roh und brutal, aber leider so unpoliert und grün hinter den Ohren, dass es manchmal echt weh tut. Auf Songs wie „I Never Saw This Coming“ hält sich das in Grenzen, aber trotzdem hofft man eines Tages miterleben zu dürfen, wie die schizophrenen US-Amerikaner sich entscheiden. Wofür? Na, ob sie lieber THE DEVIL WEARS PRADA oder OWL CITY wären. Natürlich ist der Vergleich mit OWL CITY eine Übertreibung, aber wenn man nur für ein Elektropop-Cover bekannt geworden ist, sollte man einen gewissen Standard bei seinen restlichen Liedern wahren. Das schaffen sie zum Teil sogar so gut, dass nicht nur der Stil des Screamers von späteren Bands gern übernommen wird, sondern auch der Text. Es ist kein Zufall, dass sich die Hälfte des Albums „Chasing Ghosts“ der australischen Metalcore-Granaten THE AMITY AFFLICTION so anhört wie „Millstone“ und so ziemlich jeder andere Song hier. Beide Bands hatten ähnliche Vorbilder, aber den Australiern sollte man doch den ein oder anderen Punkt auf dem Integritätstest streichen. Einfluss hin oder her, CONFIDE klangen immer noch einen Ticken anders als ihre Vorväter.
Ruhige Passagen gibt es zu Genüge, vor allem dann, wenn man die unzähligen Clean-Gesänge mit einbezieht. „00:00“ ist dann nicht unbedingt das Entspannendste, was die Band zu bieten hat. Durch Passagen fast absoluter Stille – in denen der Gesang in den Vordergrund tritt, zu finden auf „If We Were A Sinking Ship“ – kann man sich ausruhen und die Spin-Kicks für einen Moment vernachlässigen. Trotzdem baut man in jeden Song so viele Breakdowns ein, dass der Zuhörer, selbst bei Anwesenheit von interessanten Riffs, diese innerhalb der nächsten halben Minute wieder vergessen hat. Wenn man wie ich einen grässlichen Musikgeschmack hat, dann vergisst man auch die fehlenden, spannenden Riffs und Soli, weil man wie ein kleines Mädchen bei „Holes“ oder „Vultures Among The Dead“ mitsingt. Der Höhepunkt dieser Praxis ist erreicht, wenn zu den ersten Keyboard-Tönen von „Such Great Heights“ mit den Fingern auf dem Schreibtisch getrommelt wird. Dafür sollte man mich verteufeln oder zumindest in eine geschlossene Anstalt einweisen. Die immer gleichen Abläufe in der Songstruktur und die damit verbundenen gleich klingenden Instrumente schaden leider der Einprägsamkeit, sonst wäre dieses Album wahrscheinlich viel erfolgreicher gewesen.
Fazit:
Diese Truppe hat Spaß daran, mit Klischees um sich zu werfen, aber ich habe leider auch Spaß an ihrer Musik. Viele Vorwürfe werden den Fans und Musikern der Trance- und Metalcore-Szene heute noch gemacht, aber manchmal darf es halt auch ein bisschen poppiger sein. Das würde zwar bei vielen Menschen das Weltbild zerstören, aber wenn sich TAYLOR SWIFT und CONVERGE in der eigenen Playlist abwechseln, lassen sich Vereinbarungen für radio-freundliche Gruppen treffen, oder nicht? Nur dem eigentlichen Radio-Rock bleibe ich abgeneigt, falls eine Band sich bewusst in dieses Genre „hineinentwickelt“, aber früher diese Musik eigentlich nicht machen wollte. Wenn man aber wie CONFIDE mit dem Grundgedanken startet, dass man gern Mainstream-Musikfan-freundliche Songstrukturen und Refrains haben möchte, dann bleibt die Integrität der Künstler bestehen. Jetzt entschuldigt mich, ich muss zum Intro von „Such Great Heights“ pogen gehen.
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