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Core Classics #11 – The Human Abstract

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Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

THE HUMAN ABSTRACT – Noctune
Veröffentlichungsdatum: 22.08.2006
Länge: 46:35 Min.
Label: Hopeless Records

Wie bringen wir frischen Wind in das Metalcore-Tal? Nicht nur PROTEST THE HERO scheinen sich diese Frage gestellt zu haben. Sonst wäre mit „Nocturne“ von THE HUMAN ABSTRACT eins der stärksten Progressive Metalcore-Alben aller Zeiten wohl nie erschienen. Man bekommt das Gefühl, dass hier nicht nur mit reiner Verspieltheit angegeben werden soll. Es soll bewegt werden und wer eine Brise der Spielfreude abbekommt, dem schlagen bald die „Riffnados“ entgegen. Ähnlich mittelmäßig wie die Dialoge in einem schlechten Spielfilm ist hier die Gesang. „Überzogen“ scheint mir der richtige Ausdruck dafür, aber darüber sehen wir hinweg, wenn es in der gesamten Komposition Sinn macht.

Im Gegensatz zu Trashfilmen wie „Sharknado“ hatte dieses Album keinen würdigen oder erfolgreichen Nachfolger und tanzt damit etwas aus der Reihe. Während ich bei anderen Core-Klassikern auch die Folgealben empfehlen konnte, ist das hier leider nicht der Fall. Das Album „Digital Veil“ hat zwar auch seine Momente, ist dennoch zu langatmig und wenig erfrischend. Apropos Erfrischung: was sprudelt denn auf diesem Album eigentlich und versorgt unsere von Mainstream-Metalcore ausgetrockneten Gehörgänge? Nicht nur feuchtfröhliche Riffs, sondern auch Anlehnungen an Neo classical- und Prog-Metal verzaubern ab „Harbinger“, dem ersten Track. Der tobende Fluss namens Melodic Death-Metal reißt jeden Song mit sich. Ein Ozean aus Härte, zum Teil sehr technischen Riffs und Drum Patterns, die man nie im Hardcore vermuten würde, entsteht. So viele Höhepunkte sind kaum zu ertragen und mancher Musiker würde sich wohl verloren fühlen. Wenn man die eigenen Emotionen betrachtet, kann man sich kaum einer Seite zuordnen. Der Zufall scheint diese Kompositionen zu bestimmen, aber es wird einfach nur geschickt mit der Aufmerksamkeit des Hörers gespielt.

Spätestens wenn man auf „Nocturne“ zum hundertsten Mal den Rhythmus beim Headbangen ändern muss und dann ein Solo der Extraklasse gespielt wird, weiß man, dass das nicht viel mit stumpfer Musik zu tun hat. Die poppigen Refrains und groove-getränkten Abschnitte ändern daran kaum etwas. Darauf muss man halt stehen, wenn man Metalcore erwartet. Dennoch gibt es genügend Stellen, wie zum Beispiel in „Crossing The Rubicon“, die aufzeigen, wie viele Genres man beherrscht. Technical Death Metal, stumpfer Normalo-Death Metal, Progressive Rock, Metalcore und Post-Metal treffen ständig aufeinander. Ein Schlaflied folgt auf einen Breakdown und verwirrt bestimmt den ein oder anderen Neuling. Daher fühlt man sich so, als würde man in einem Theaterstück sitzen, dessen Spannungsbogen sich so konstant und weit über dem Boden hält wie ein posender Planker.

Dafür sorgt der ständige Wechsel zwischen reinem Gesang, Shouts und der Kombination aus beidem. Dazu nimmt man dann eine Prise feinster Entspannungsmusik, die sich so auch auf poppigeren Alben finden lässt, und fertig ist die Metalsuppe. Diese wird durch unspektakuläre Einheitsbrei-Lyrics etwas dickflüssiger und lässt sich dadurch schlechter den Hals des Kenners herunterspülen. Wenn die ruhigen Teile einsetzen, versetzt man sich an den Strand einer Karibikinsel. Ein Frieden, der schnell durch eine Hai-Attacke aus dem Nichts unterbrochen wird. Haie, die aus dem Sand angreifen, hatten wir schon. Haie, die aus einem Tornado angreifen, hatten wir schon. Haie, die als Geister aus jeder Form von Wasser angreifen, hatten wir auch schon. Vielleicht sollten die Produzenten von trashigen Hai-Filmen erfinderischer werden und dieses Album zum Vorbild nehmen. Haie, die von Gitarristen durch das Spielen von Riffs beschworen werden, klingen doch gut, oder?

Bestes Beispiel für wuchtige Gitarren und eine Aufmachung, die sich sehen lassen kann, ist der bekannteste Song dieser Band. „Vela, Together We Await The Storm“ spielt nicht nur auf die lateinische Pluralform von Segel an, sondern zeigt eindrucksvoll alle Qualitäten dieser Band. Außer eben die im Titel mitinbegriffene Kunst des Wartens und der Ruhe vor dem Sturm. Denn dieses Lied ist der Sturm und der Titel schreibt eine genau umgekehrte Bedeutung zu, ob mit Absicht oder nicht. Leider passt es trotzdem in meine Wasser-Rethorik und ich merke einfach frech an, dass THE HUMAN ABSTRACT schon lange vor diesem Lied und mit bereits gehissten Segeln in das Metal-Meer gestochen sind.

Fazit:


Wichtig dabei sind auch die abwechslungsreichen Intros der Lieder. Sie zeigen von rein brutalen Einstiegen über galoppartige Beats auf „Polaris“ bis hin zu langsamen, träumerischen Geklimper auf „Mea Culpa“ alles was sie können. Das man oft verschnaufen darf, verdankt man wohl der ruhigen Seite dieser US-Amerikaner. Was in dieser Beschreibung verdächtig nach BETWEEN THE BURIED AND ME riecht, hört sich auch oft so an. Als wären sie Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden. Diese beiden Kinder von Apophis, dem Gott des Chaos höchstpersönlich, sollten wahrscheinlich nie zusammengeführt werden. Die Auflösung von THE HUMAN ABSTRACT im Jahr 2011 macht diese Mission auch äußerst beschwerlich. Wenn sich trotzdem jemand bereit erklären würde, mich bei den Beschwörungsritualen zu unterstützen – kleine Blutspenden von ungefähr fünf Litern tun es auch -, dann kann derjenige sich gern bei mir melden.

https://www.youtube.com/watch?v=L1n5IWbHqu8

Bilder mit freundlicher Genehmigung von THE HUMAN ABSTRACT und

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