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Core Classics #22 – Antagony

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Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Core-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

ANTAGONY – See Through These Eyes
Veröffentlichungsdatum: 01.06.2001
Länge: 32:07 Min.
Label: Sporadicore Records

Um den Deathcore-Teil dieser Serie vernünftig abzuschließen, beschreibe ich euch nun die Emotionen, Intentionen und Leute hinter dem frühesten Meisterwerk der Dreifaltigkeit des Genres. Wenn von den großen Deathcore-Bands die Rede ist, dann werden diese trotz ihrer frühen Gründung im Jahr 1999, nicht immer erwähnt. Das kann daran liegen, dass sie sich viele Elemente aus dem Grindcore und anderen Untergenres wie Doom Metal liehen, bevor es 2009 zur endgültigen Auflösung der Formation kam. Vorher wurden andere Bands wie ALL SHALL PERISH fleißig mit ehemaligen Mitgliedern von ANTAGONY versorgt. Die Besetzung der Band schwankte seit dem ersten Album nämlich stark. Nach der Auflösung suchten sich die beiden verbliebenen Gründungsmitglieder ein neues Projekt namens OBLIVION, welches die Erwartungen vieler Fans übertreffen konnte.

Weinende Core-Babys

Das Cover allein stimmt hier darauf ein, wie man sich fühlen wird. Ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie einfach es ist, die Emotionen, die die Musik vermittelt, in einem Kunstwerk zu verpacken. Durch die Augen eines verlorenen Kleinkindes sieht man auf dieser Scheibe oft genug. Schrecklich verwirrt und verunsichert durch die auf den Hörer eindringenden Töne, läuft dieser Gefahr, aus seinem sicheren Kinderwagen zu springen. Dort erwartet ihn der kalte Boden der Realität, gepflastert mit den zerschlagenen Träumen aufstrebender Seelen und den brachialen Riffs von ANTAGONY. Nichtsdestotrotz bedient man sich den Geräuschen eines weinenden Babys, welches am Anfang des Albums zu hören ist.
Die künstlerische Interpretation des hörbar roh produzierten Albums ist also nicht so weitreichend wie man vielleicht zuerst vermutet. Das heulende Kind hat sich wahrscheinlich überlegt, wie ungeschliffen und brutal die Stimme seines Vaters ist, der mit widerlichen Growls und abartig hohen Screams den angstgefüllten Texten Ausdruck verleiht. So viel Angst und Wut können in keinem Baby stecken, wenn diese doch gerade mal bis zum nächsten Löffel Karottenbrei denken können. Diese Fülle an Emotionen kann nur einem Heranwachsenden gehören, der von der Welt schon oft genug enttäuscht wurde. Da verwundert es nicht, dass die folgenden Zeilen nach einer Audio-Datei – in der suggeriert wird, dass Kinder den Tod durch eine Waffe finden – gesungen werden:

Now I laugh at you
The moment you died, you knew
Revenge is mine, revenge
Revenge is mine, revenge, revenge, revenge
Realize tomorrow you’ll discover if you live or die
Shotgun blasts drowning out your cries – „Slob“

Nächster Halt: Bedeutungslosigkeit

Genauso rastlos wie die Riffs auf diesem Album, war die Band selbst nicht. So heißt es in Statements auf den offiziellen Kanälen, dass durch die wechselnde Besetzung nach diesem Album das Momentum verloren wurde. Wer weiß schon, welche brutalen Anschläge noch auf die Hörer möglich gewesen wären, wenn nicht die Diskontinuität der Besetzung in den Weg gekommen werden. Sie hatten das Potenzial zu einer modernen Legende im Core-Untergrund und dann an der Oberfläche des Genres zu werden. Genauso hatten es Bands wie CONVERGE ja schon vorgemacht.
Man betrachte nur das Intro von „The Last Fall“ mit irgendeinem Song auf ihrem Abschiedsalbum „Days of Night“ und man wird feststellen, dass musikalische Spiel- und Experimentierfreudigkeit durch kommerziellere und melodischere Songstrukturen ersetzt wurden. Dabei gab es wohl nichts Besseres als diesen Grindcore-Death-Metal-Hybrid, welcher die kommenden, sich als Deathcore bezeichnenden Bands hätte beeinflussen können. Wäre auch nur ein Quäntchen Einfluss von diesem Manifest der Genre-Vermischung in den heutigen Deathcore-Einheitsbrei gelangt, dann würde es wohl kaum große Aufschreie geben, sobald eine Band in eine andere Richtung als Radio-Rock experimentiert.

Das sollte aber nicht davon ablenken, dass der durchaus eingängige und groovige Erstling von ANTAGONY nicht zum Headbangen taugt. Er befindet sich noch näher am Death Metal als DESPISED ICON und ALL SHALL PERISH, verliert dabei aber nie die gewisse Portion Hard- und Grindcore-Charme. Man trifft sich dort, wo die perfekte Mitte zwischen gefestigten, traditionellen Werten – siehe Riffs – und chaotischen, jugendlichen Ambitionen – siehe Gesang – vermutet wird. Ein Anlass für jedermann sich zu einigen und den gemeinsamen Konsens zu finden. Dieser sorgt dann dafür, dass sowohl Hardcore-Dancing als auch Headbanging erlaubt sind und die friedliche Koexistenz gesichert ist. Keiner will dann mehr den dürren Spargeltarzan mit dem SUICIDE SILENCE-Tank-Top schlagen, obwohl er so dämlich grinst mit seinen Snakebites und gedehnten Ohrlöchern.

Fazit

Wer steht schon gern neben jemandem, der die Bands auf der eigenen Kutte/Jacke nur wegen ihres Genres nicht respektiert? Sowas darf in keiner Szene passieren – es sei denn, die Bands auf deiner Weste geben sich öffentlich wie Arschlöcher – und hoffentlich helfen Crossover-Bands dabei. Mit wilden Genre-Vermischungen kann man so einige prüde Einbahnstraßen-Fans aus ihren Reserven locken, so wie es ANTAGONY bei mir geschafft haben. Ich möchte mich zwar nicht als ein mit Scheuklappen versehener Idiot ohne einen breiten Musikgeschmack outen, aber das muss ich wohl. Umso besser ist es, wenn einem die Augen geöffnet werden und man plötzlich auch Deathcore an sich ranlässt. Also, wenn sonst schon niemand will. Wäre ich jetzt ein gut aussehender Fatzke auf irgendeinem Werbeplakat, würde ich euch wahrscheinlich diesen tollen Spruch entgegenschreien:

Gebt Deathcore eine Chance!

Oder auch zwei. Und wenn ihr schon dabei seid, gebt dem Nachfolger OBLIVION auch noch eine.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Antagony und Antagony

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