Core Classics #23 – I Killed The Prom Queen

Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Core-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

I KILLED THE PROM QUEEN – Music For The Recently Deceased
Veröffentlichungsdatum: 31.07.2006
Länge: 42:03 Min.
Label: Stomp Entertainment, Metal Blade, UNFD

Aus der Abteilung „Hört mal wer da wummert!“ kommt heute eine Band, die sich zwar 2014 wiedergefunden hat und mit ihrem dritten Album alle Erwartungen übertreffen konnte, aber seitdem sehr ruhig geworden ist. Längst schon erwarte ich nach den Eskapaden auf ihrem legendären, hier besprochenen zweiten Album und dem etwas erwachseneren Nachfolger „Beloved“ neues Material. Dennoch muss ich mich zuerst mit dem zufrieden geben, was bereits geboten wurde. Knallende Riffs, ein paar zu viele Breakdowns und für Metalcore typische Texte waren das bis zum heutigen Tag. Bei einem so Facepalm auslösenden Namen ist das kein Wunder. Wer die Ballkönigin umbringt war entweder neidisch, eifersüchtig, der/die AußenseiterIn oder der/die Leidtragende, wenn arrogante gutaussehende Highschool-Schnepfen wieder Dampf ablassen. Genau in dieses Schema passt auch der standardmäßige MySpace-Scenester und sein Musikgeschmack. Die Zielgruppe erreichen Musiker jedoch nicht nur durch einen quirkigen Bandnamen oder böse Songtitel. Welche Noten man spielt und was man singt, sollte ebenfalls wie die Faust aufs Auge passen, was hier definitiv der Fall ist.

Allein der Titel „Your Shirt Would Look Better with a Columbian Neck–tie“ lässt die Gewaltfantasien betrogener und hintergangener Menschen aufleben. Für den Wortwitz im Titel möchte wahrscheinlich kein Mensch verantwortlich sein, der etwas auf seinen Humor hält, dennoch macht es Spaß zuzuhören. Trotzdem würde ich niemandem eine Kolumbianische Krawatte wünschen, damit sieht kein T-Shirt besser aus. Selbst für Goregrind-Fans mit entsprechendem Merch ist es nicht zu empfehlen. Da würde mir Guido Maria Kretschmer vielleicht auch zustimmen, falls der einen Metal-Fashionguide herausbringen müsste. Genug Humor für heute, kommen wir zum wichtigsten Part – der Musik. Hier werden uns neben Melodic-Death-Metal-Riffs viele Breakdowns präsentiert, die ich an dieser Stelle leider nicht gezählt habe. Das Gesamtpaket kommt mir schwedischer vor als jeder IKEA-Katalog. Was hier von den Gitarristen, dem Sänger und dem Schlagzeuger fabriziert wird, könnte so zum Teil der Feder von zum Beispiel IN FLAMES entsprungen sein. Vorausgesetzt, diese hätten vorher Sex mit Hardcore-Schlagzeug-Rhythmen gehabt und Breakdowns von PARKWAY DRIVE abgekupfert.

Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass das Album in Gothenburg aufgenommen und produziert wurde. Einen passenderen und Genre-trächtigeren Ort hätte man wohl nicht wählen können. Das Sahnehäubchen ist dann der Fakt, dass im Studi Fredman unter anderem Klassiker wie „Slaughter Of The Soul“, „The Jester Race“ und „Projector“ aufgenommen und/oder abgemischt wurden. Die Größten der Großen des Melodic Death Metals wie AT THE GATES, ARCH ENEMY, SOILWORK und DARK TRANQUILITY gaben sich hier die Ehre.
Und ähnlich wie das Genre Melodic Death Metal, fungiert der Melodic Metalcore nämlich auch als Einstieg für viele neue Metaller. Für die werden nicht nur eingängige, melodische Riffs eingebaut, sondern auch Soli. Das freut dann die Alteingesessenen genauso und schon hat man eine Gruppe junger Musiker gefunden, auf die sich plötzlich viele Leute einigen können. Dieser Effekt ist zum Bespiel bei AS I LAY DYING und KILLSWITCH ENGAGE zu beobachten.

Nichtsdestotrotz erreicht der klare Gesang auf dem Album an zahlreichen Stellen das Gegenteil von dem, was er vermitteln will. Emotionen können eben nicht erzwungen werden und dementsprechend kann nicht jedes Lied „Say Goodbye“ sein. Wer Kompromisse eingehen kann, sollte sich trotzdem auf das Album einlassen. Denn schon allein das Solo auf „The Deepest Sleep“ solltest du dir nicht durch die Lappen gehen lassen. Und erfreulicherweise bietet ein Album wie dieses so viele Momente, bei denen ich auch gern Kauleisten meiner Mitmenschen gestalten würde. Growls und disharmonische Breakdowns, sowie die kompromisslosen Riffs mobilisieren jeden Muskel in meinem noch so auf Bürosessel geeichten Körper. Am Ende reicht es nur für ein verhaltenes Kopfnicken und ein bisschen Luft-Gitarre aber das sollte für die Australier genügen. Den Schlagzeuger aus der Gleichung zu nehmen wäre jedoch fatal, denn sein energischer Spielstil sorgt für die nötige Portion an Tempo – Circle Pits inklusive -, die irgendwo zwischen den Breakdowns verloren gehen würde.

Fazit:

Die Australier himmeln ihre schwedischen Idole nicht nur vergeblich an, sondern setzen das um, was sie selbst bewegt. Trotz einer sehr instabilen Besetzung darf ich weiterhin hoffen, dass 2017 den nächsten großen Durchbruch markiert. Dennoch liegt die Messlatte nach den beiden erfolgreichen letzten Alben ziemlich hoch. Dank der nahtlosen Verschmelzung von Breakdowns, Chugs und Melodic Death Metal stehen I KILLED THE PROM QUEEN direkt hinter der Speerspitze einer Bewegung, in der sie oft vergessen werden. Die Underdogs bleiben dran und beißen sich bestimmt bald weltweit in der Szene fest.


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