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Core Classics #28 – THE AGONY SCENE
Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Core-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!
THE AGONY SCENE – The Agony Scene
Veröffentlichungsdatum: 10.06.2003
Länge: 36:01 Min.
Label: Solid State Records
Black Metal und Metalcore sind für mich zwei Genres, die nicht oft zusammen funktionieren. Wenn dann doch mal etwas Core im Black Metal oder andersherum zu finden ist, dann klingt es mehr nach Crust oder rohem Hardcore Punk. Dass es eine Veröffentlichung auf diese Liste schafft, die einen essentiellen Teil aus dem Black Metal geliehen hat, ist eine kleine Besonderheit. Wer „The Darkest Red“ von THE AGONY SCENE kennt, weiß bestimmt schon, wie geschickt Death-Metal-Einflüsse im Metalcore verpackt werden können. Dieses Album bescherte der Band ihren Durchbruch, doch das SILENCE wäre nicht das SILENCE, wenn wir uns nicht für einzigartigeres Material interessieren würden. Die größte Innovation der Bandgeschichte waren nämlich die an den Black Metal angelehnten Screams, die auf den folgenden Alben zwar genutzt wird, aber nie so effektiv wie auf ihrem Debüt. Damit ist diese Platte der Gruppe aus Oklahoma ein Schmankerl für jeden Metalcore-Fan, der auf Black-Metal-Gekreische steht. Ein bisschen Schmunzeln musste ich trotzdem, als ich daran dachte, wie fehl am Platz Corpsepaint und brennende Kirchen in der Melodic-Metalcore-Szene wären. Zu viele religiös motivierte Bands treiben da ihr Unwesen. Das würde den unchristlichen Melodic Metalcore wahrscheinlich zum Unmelodic Metalcore machen. Aber um ehrlich zu sein, klingen THE AGONY SCENE alles andere als unmelodisch.
Die Benennung von Gegenstücken mit der Vorsilbe „Un-“ ist also nicht immer hilfreich, was an der kindischen Natur der Bezeichnung liegt. Denn – nur mal so am Rande – lyrische Inhalte bestimmen die musikalische Ausrichtung nicht wirklich, du kannst dich so oft Unblack Metal nennen wie du willst, es klingt immer noch nach Black Metal. Leute, die über einen gesunden Menschenverstand verfügen, suchen sich ja einen Sound raus der ihnen gefällt und nicht einen Text, mit dem sie zu hundert Prozent konform gehen. Außer du bist ein Arschloch, dann kauft trotzdem keiner deine Mucke.
Wer da noch die typischen Growls und Screams der bekannteren Melodeath-anhimmelnden Kollegen vorzieht, hat einen gewaltigen Schlag vor die Birne verdient!
Zurück zum ausgezeichneten Debüt der US-Amerikaner: was definiert diesen Erstling außer den Screams? Die Antwort liegt auf der Hand – es sind die rigorosen Breakdowns und Double-Bass-Passagen, welche den Groove des Albums steuern. Zwischenzeitlich meine ich eine Verschmelzung von LAMB OF GOD und IMMORTAL herauszuhören, bevor ich diesen Gedanken wieder verwerfe. Obwohl Ähnlichkeiten definitiv vorhanden sind, wurde auf dieser LP etwas gänzlich eigenes gezimmert. Wen zu viele Breakdowns langweilen, der sollte definitiv die Finger davon lassen. Jeglicher Groove ist nämlich so lahm und downbeat, dass es niemals zu längeren Headbang-Passagen kommt. Trotzdem ist es möglich, die Haare schwingen zu lassen. Wem thrashige Riffs gefallen, sollte mit dem Album begnügt sein. „Shotgun Wedding“ und „We Bury Our Dead At Dawn“ sollten eigentlich schon reichen, um jedem KILLSWITCH ENGAGE-Fan das Genick zu brechen. Und ein Cover des legendären „Paint It Black“ hat es auch noch auf das Album geschafft. Eingängiges Material mit einem ganz eigenen Ansatz von Härte und Brutalität wird von den Jungs aus Oklahoma zum Besten gegeben – egal ob Cover oder eigener Song.
Die vielen Death-Metal-Parts geben der Platte, die sonst so fade und wiederholt klingen würde, einen Hauch von dem, was sie dringend braucht. Damit man sich nicht wie ein Klon aller vorangegangenen Bands anhört, gibt es also Riffs auf die Fresse, die mal thrashig und mal deathig sind. Das beste Beispiel hierfür sind „Lines Of Suicide“ und „Habeus Corpus“. Außerdem klingt vieles, was nach der Scheibe kam, verdächtig nach THE AGONY SCENE. Selbst UNEARTH und AS I LAY DYING scheinen sich den ein oder anderen Trick abgeschaut zu haben. Wenn also der ein oder andere Track hier ähnlich klingt wie „Shadows Are Securities“ oder „The Oncoming Storm“, denkt daran, dass THE AGONY SCENE etwas schneller waren. Auch die Pinch Harmonics im Breakdown von „Eyes Sewn Shut“ finden zum Teil bei neueren Beatdown-Bands Anklang.
Fazit:
Dass der Gesang eine komplette Neuerung damals war, muss ich hoffentlich nicht erwähnen. So viel frischen Wind hat es im sonst gesanglich so stagnierenden Core-Genre seit „Jane Doe“ von CONVERGE nicht gegeben. Und eine solche Innovation wird es wahrscheinlich auch nicht mehr geben, da inzwischen ja so ziemlich alles ausprobiert wurde. Wer da noch die typischen Growls und Screams der bekannteren Melodeath-anhimmelnden Kollegen vorzieht, hat einen gewaltigen Schlag vor die Birne verdient. Zumal Mike Miller auch tief gehen kann, wie eindrucksvoll auf „Lines Of Suicide“ und vielen anderen Liedern bewiesen wird. Mischt man das mit den bis heute alles andere als gewöhnlich klingenden Breakdowns und den Blast Beats und man erhält eine abwechslungsreiche, brutale Mixtur von all dem, was Hardcore, Death Metal, Thrash Metal und Melodic Metalcore großartig macht. Und das Beste daran ist, dass sich diese Band wieder zusammengefunden hat, um im Laufe dieses Jahres eine neue EP und ein neues Album herauszubringen. Wir dürfen also gespannt bleiben.
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