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Core Classics #2 – Botch
Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!
BOTCH – We Are The Romans
Veröffentlichungsdatum: November 1999
Länge: 52:35 Min.
Label: Hydra Head
Heute gehen wir weit zurück in das Jahr 1999 und besprechen „We Are The Romans“. Bevor hier jetzt panisch geschrieben wird, dass ich diese Band falsch geschrieben habe: Beruhigt euch bitte, es geht definitiv nicht um die Trancecore-Band, sondern um einen Albumtitel. Mit diesem Meisterwerk einer LP dürfen sich BOTCH brüsten. Diese Band hat nur zwei Alben herausgebracht und für viele Fans ist es wahrscheinlich eine Diskussion wert, ob das Debüt-Album oder eben dieses zweite und letzte Album die Bezeichnung Legende verdient. Natürlich legte man auf „American Nervoso“ bereits einen guten Auftritt hin, aber die Produktion, sowie die Arbeit an den Instrumenten, überzeugt hier noch ein ganzes Stückchen mehr. Wer bereits mit den Kollegen CONVERGE und NORMA JEAN vertraut ist, der weiß ganz genau was von den Gitarren zu erwarten ist.
Die Riffs schlagen jedem sofort um die Ohren und regen zum Mitsummen an. Besonders die Intros der Lieder „C. Thomas Howell as the ‚Soul Man‘ „ und „We Are The Romans“ zeigen auf, wie eingängig man Dissonanz gestalten kann. Da verwundert es niemanden, dass dieses Album zusammen mit Bands wie RORSCHACH den Grundton des Genres noch bis ins Jahr 2016 beeinflusst. Es geht unglaublich chaotisch und langsam zu, worunter Geschwindigkeits-Fanatiker vielleicht leiden könnten. Die fehlende Geschwindigkeit wird an den meisten Stellen aber nur für den Aufbau benutzt. Die Antizipation vermag einen fast zu töten, bis dann die gesamte Band mit voller Wucht auf einen einprescht. Diese Passagen sind über das gesamte Album verstreut und bei so viel theatralischer Inszenierung sträuben sich einem schon die Haare. Und Aufbau ist ja ein Element, welches jedem Metalcore-Fan bekannt sein dürfte, schließlich leben die meisten Breakdowns davon.
Nur mal so am Rande: Ja, damit will ich auch sagen, dass das Grundkonzept von Breakdowns genauso sehr Metal wie die lyrischen Themen von CANNIBAL CORPSE sind. Denn so viel Theatralik und Aufbau ist eindeutig ein Stilmittel des Metals und nicht des Punks.
Wo Mathcore draufsteht ist auch Mathcore drin. Leider habe ich keine Musiktheorie studiert, um euch die Tempiwechsel und Synkopen vernünftig zu verkaufen. Ich kann zu dieser Gitarrenarbeit nur sagen, dass sie jeden begeistert, der auch nur annähernd auf mathige und jazzige Töne abfährt. Auch der Groove kommt auf „C. Thomas Howell as the ‚Soul Man‘ “ und “Mondrian Was a Liar” nicht zu kurz. Denn der Bass kommt zum Tragen und das Songwriting setzt ihn oft genug in Szene. Beim Gesang wird nur geshoutet aber doch so ehrlich gehalten, dass man meint, Emotionen direkt heraushören zu können. Dabei wurde keineswegs darauf geachtet, jugendlich und leicht zuordenbar zu klingen.
Es ist mehr die Nervosität und Anspannung vor dem Fall eines „modernen Roms“, in dem wir uns laut des Titels und des lyrischen Gesamtkonzepts befinden. Die politischen, pop-kulturellen und sozialen Strukturen der 1990er Jahre erinnerten die Band stark an die Spannungen im alten Rom. Daher wurde ein großer Fall dieses „Imperiums“ erwartet und auf dem gesamten Werk findet man Beweise für die Angst vor der Jahrtausendwende. Trotzdem, oder eben deswegen, ist der Text aktuell wie nie zuvor, denn die Welt wird weiterhin von Krisen, Kriegen und politischem Unmut geplagt. Daher gehören natürlich auch Kapitalismuskritik und die Unterstützung der Arbeiterklasse zu den Themen dieser Band und des modernen Roms.
The sweat is part of life
We’re still thriving
We’ve got a lot of mouths to feed – „Mondrian Was A Liar“
Aufmerksamen Lesern ist jetzt hoffentlich aufgefallen, dass wir ein Instrument noch gar nicht besprochen haben: das Schlagzeug. Und meine Güte – ist das ein technisch versierter Auftritt! Es entstehen keine Unstimmigkeiten mit den Gitarren und das Grundgerüst für jeden Song wird ständig abgewandelt. Ich kann zwar nicht genau beschreiben, was diese Spielart für eine Wirkung hat, aber als ich dieses Album zum ersten Mal gehört habe, hat es mich umgehauen. Von diesen Fähigkeiten kann sich der ein oder andere Trommler noch was abschneiden. Durch bestialische Schlagzeugeinlagen werden die vorhin erwähnten langsamen Passagen mehr als nur ausgeglichen. Man kombiniere das mit den rohen Shouts und atonalen Gitarrenklängen und schon hat man die perfekte Mischung gefunden.
Fazit:
Was macht dieses Album also mit dem Hörer? Es nimmt ihn mit auf eine Zeitreise. Eine Zeitreise zurück in die letzten Monate vor der ängstlich erwarteten Jahrtausendwende und in die Wurzeln des Mathcores. Diese Unterkategorie des Metalcores sucht die Nähe zur Avantgarde und dem Noisecore und wer sich etwas auskennt, der hört viele aktuelle Bands aus diesem Album heraus. Dieser Meilenstein der Genre-Geschichte gewinnt von Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung, dennoch stellt sich die Frage:
Wie bleibt man trotz einer kurzen Karriere vielen Fans noch lange im Gedächtnis? Ganz einfach. Man muss nur wenig Spielzeit mit genügend brachialer Musik füllen. BOTCH macht es vor.
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