Core Classics #4 – Bullet For My Valentine

Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

BULLET FOR MY VALENTINE – The Poison
Veröffentlichungsdatum: 03.10.2005 (GB)
Länge: 53:26 Min.
Label: Visible Noise Records (GB)

Jetzt, wo ich euch in den letzten drei Wochen hauptsächlich mit Mathcore „zugeballert“ habe, wird es Zeit eine andere Seite des Metalcores zu beleuchten. Ein Bandname, der vielen Metalcore-Liebhabern und -Hassern ungefähr gleich viel bekannt sein wird.
Noch heute sehe ich Leute, die missbilligende Blicke in Kauf nehmen, wenn sie ein Shirt mit dem unverkennbaren Logo tragen. Und nein, ich rede nicht von ASKING ALEXANDRIA. Es geht noch etwas zurück in die Geburtsstunde eines Metalcores, der viele junge Metal- und Hardcore-Begeisterte heranwachsen ließ. Mit „The Poison“ und den darauf auffindbaren eingängigen Melodien und leicht verdaubaren Songs haben BULLET FOR MY VALENTINE den Hit ihres Lebens gelandet. Die Single-Auskopplungen und Musikvideos dieses Albums waren und sind so erfolgreich, dass sie eigentlich in den Rock-Mainstream einzuordnen sind. Fast alle ihre Alben boten einer Vielzahl von Leuten einen Einstieg in härtere Musik.

Der poppige Unterton sollte jedem, der sich mit der Band beschäftigt hat, aufgefallen sein und wird an einer anderen Stelle erläutert.
Dass die Band von jähzornigen „Echt-Metallern“ als Screamo abgetan wurde und zum Teil noch wird, sei mal so dahingestellt. Es wird jedem hoffentlich schnell klar, dass dieses Album von Metal-Riffs nur so strotzt. Durch die vielen Gesangsstellen und leicht verständlichen Screams bettelt das Ganze nur so darum, unter der Dusche neu vertont zu werden. Von „Hit The Floor“ bis hin zu „Tears Don’t Fall“ wird ordentlich was zum Mitsummen geboten. Ich kann mich sogar noch erinnern, dass „Tears Don’t Fall“ und „All These Things I Hate (Revolve Around Me)“ zu den ersten härteren Songs gehörten, die nicht aus meinem Kopf herauszukriegen waren. Ohne dieses Album würdet ihr meinen Schreibstil und meine Meinung also nicht ertragen müssen. Aber Nostalgie beiseite, was kann dieses Album außer dem Ansprechen von Jugendlichen?

Zuallererst ist anzumerken, dass es zu Genüge Stellen gibt an denen die Instrumente atmen dürfen. Das auch vereinzelt in Breakdown-ähnlichen Strukturen, zum Beispiel in „Her Voice Resides“ und „4 Words (To Choke Upon)“. Ich wollte dadurch nur auf die Präsenz des Sängers zu sprechen kommen. Der lebt hier keine unnötig vereinnahmende Art aus, die im Core-Bereich schon fast zur Grundausstattung gehört:
Jede freie Sekunde muss mit Text gefüllt werden, denn die Instrumente können ja niemals für sich selbst sprechen.
Aber die Instrumente der Waliser können mehr als nur hirnloses Gechugge. Der Groove wird durch simple und effektive Riffs erzeugt, aber an einigen Stellen kann man die heutige Spielart von einigen bekannten Bands sofort heraushören. Melodisch kommt das Gesamtwerk auch daher und die Songstrukturen ähneln ebenfalls den damaligen und heutigen Kollegen stark. Denn was wäre ein legendäres Album ohne Einfluss auf die heutige Szene.

Die vorhin erwähnte poppige Komponente kommt durch das verdächtig langsame Tempo, welches besonders in den Strophen von „Hit The Floor“ und „Tears Don’t Fall“ zu finden ist. Auch komplett gesungene und vom ruhigen Schlagzeug unterstützte Intros wie auf „All These Things I Hate (Revolve Around Me)“ und „The End“ machen dieses Album äußerst Erstnutzer-freundlich.
Auf Songs wie „Hand Of Blood“, „Her Voice Resides“ und „Room 409“ geht es vergleichsweise härter zu und man darf sogar schnelle Schlagzeug-Einlagen erwarten. Aber dieses Instrument sollte uns eigentlich nur peripher interessieren, denn der tragende Faktor sind die wunderschönen Riffs, übrigens unterstützt durch eine sehr gute Produktion, und die vereinzelten Gitarren-Soli. Fast jedes Lied wird schon durch das Intro zu einer Stimmungskanone und ich ertappe mich immer wieder bei dem Versuch bei der einladenden Gitarre mitzusummen. Denn im Gegensatz zum Nachfolgewerk „Scream Aim Fire“ steht hier der Heavy Metal und die NWOBHM (New Wave Of British Heavy Metal) und nicht der Thrash-Metal als Metal-Einfluss im Vordergrund. Wahrscheinlich kann man an den textlichen Qualitäten noch viel mehr rumnörgeln als ich es getan habe, aber belassen wir es bei einem Wort: Kitsch.

The path I walk’s in the wrong direction
There’s always someone fucking hanging on
Can anybody help me make it better?
Your tears don’t fall, they crash around me – „Tears Don’t Fall“


Den gibt es überall wo man hinguckt. Das verunsicherte Teenie-Herz wird mit Rachefantasien (siehe Cover), Verlustängsten, Trennungen und weiteren Hormon-Gespinsten bombardiert. Aber einen anderen Anspruch hat die Platte auch nicht und man fühlt sich schon ein oder zwei Jahre jünger beim Auflegen. Und trotz des sehr einseitigen lyrischen Anteils (Liebe, Trennung, Hass, Mord), sollte es auch Lyrik-Fanatikern Spaß machen zuzuhören. Denn man kann hier den eigenen Anspruch schnell vergessen, wenn man ihn auch nur ein kleines Stück beiseite stellt. Ab dann ergreift einen der jugendliche Wahn und man singt fröhlich mit, falls man des Englischen mächtig ist. Der komplett instrumentale und düstere Intro-Track wird übrigens von APOCALYPTICA unterstützt, aber dieser währt leider nicht lang genug, um im Vergleich zum langen Gesamtstück seine Wirkung zu erzielen. Diesem mangelt es nämlich an Atmosphäre, was ein kleiner aber feiner Kritikpunkt ist.

Fazit


Ohne Umschweife haben sich diese Metalcore-Giganten aus Wales mit ihrem ersten Album im Metalcore-Genre festgesetzt. Zusammen mit IRON MAIDEN bilden sie die Spitze der britischen Metal-Bands und warum zeigt sich sofort nach dem ersten Hören. Eingängig bis zum Get-no und sehr poliert. Wer also erhofft auf krächzende und raue Töne zu stoßen, ist hier falsch. In dieses legendäre Album hereinzuhören, wenn man auf der Suche nach kleinen „Party-Hits“ und schönen Melodien ist, lohnt sich dennoch. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass die Auseinandersetzung mit einem für mich Musikstil-prägenden Album wie diesem, mich skeptischer gemacht hat. Trotzdem zeigt es mir, wie leicht man mich auf die eingängige Seite der Macht locken kann, wenn man es richtig macht. Und ich bleibe dabei dieses Album als einen zeitlosen Klassiker aus den schon vorangeschrittenen Anfangsjahren des Metalcores zu werten.
Vorwürfe zur musikalischen Integrität dann bitte an meine PHIL COLLINS-Fanpage.


Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über Patreon
Die mobile Version verlassen