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Core Classics #5 – Killswitch Engage
Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!
KILLSWITCH ENGAGE – Alive or Just Breathing
Veröffentlichungsdatum: 27.05.2002
Länge: 44:43 Min.
Label: Roadrunner Records
Streit über neue und alte Besetzungen von Bands gibt es wie Sand am Meer. Wer ist besser? Wer soll wieder ersetzt werden? Wer von den alten Hasen sollte ihn ersetzen? Das sind so die typischen Fragen, die dann aufkommen. Aber bei keiner Band hat mich das je interessiert, bis ich auf die Melodic Metalcore-Meister KILLSWITCH ENGAGE gestoßen bin. Dieser Name ist weit über Genregrenzen von Metalcore bekannt und steht für eine der größten Hausnummern im Stilbereich. Lange Rede, kurzer Sinn, ich wusste nicht welches Werk mit welchem Sänger ich euch präsentieren sollte. Howard Jones oder Jesse Leach, zwei meiner Lieblingsgesangsstimmen im Metal, stehen zur Auswahl.
Nach 2002 verließ Jesse Leach aus familiären und persönlichen Gründen die Band. Howard Jones ist danach zur Band gestoßen, nahm drei Alben mit ihr auf. Er wurde 2012, nach seinem krankheitsbedingten Austritt, wieder von Jesse ersetzt. Wie ihr seht, hat diese Konstellation viele Wechsel hinter sich und wird, meiner Meinung nach, vor allem durch das Genie Adam Dutkiewicz zusammengehalten. Dieser Herr kann nicht nur Songs schreiben und Gitarre spielen, sondern ist auch ein sehr bekannter und talentierter Produzent (z.Bsp. AS I LAY DYING – „An Ocean Between Us“, UNEARTH – „The Oncoming Storm“, NORMA JEAN – „Bless The Martyr and Kiss The Child“).
Die Frage, welches Album dieser Band ich bespreche, kann ich mir dadurch aber nicht erleichtern. Letztendlich fällt meine Wahl auf „Alive Or Just Breathing“, was beweist, dass ein Song den Unterschied machen kann. „Just Barely Breathing“ war mein Einstiegstrack in die Band und haut für mich alle anderen Lieder vom Hocker. Der typische Melodic Metalcore-Sound findet sich auf dem gesamten Album. Wirkungsvolles Tempo, Breakdowns, Melodeath-Riffs, wunderschöne Melodien und ausreichend Gesang erwarten euch. Vielleicht folgt bald eine Besprechung des anderen Albums „The End of Heartache“, was jetzt leider, dank nur eines Liedes, zu kurz kommt (Zwinker).
Genug des Abschweifens! Es wird Zeit, sich mit der Musik zu beschäftigen. Trotz der oft genutzten Breakdowns, die zum Teil fehl am Platz wirken, wird während den meisten Liedern ein gutes Tempo vorgelegt. Das Riffing wurde oft als inkonstant bezeichnet, macht aber im Metalcore-Bereich mehr als nur einen guten Eindruck her und Elemente wie die aus „The Element Of One“ gehören heute noch zum Standardprogramm im Genre. Besonders während den Versen wird es mal unnötig langsam, bevor dann die Gitarren mit Melodic Death Metal-Wucht und der entsprechenden Geschwindigkeit den Melancholie-belasteten Chorus einläuten. So zum Beispiel auch auf dem Opener „Numbered Days“, dort scheint die Hardcore-Seite der Band durch, mit einem kleinen Ausblick auf den Metal-Aspekt. Bei den Songs „Self Revolution“, „Temple From Within“ und „Just Barely Breathing“ wird der Einfluss aus der Melodeath-Metropole Göteburg noch deutlicher, was jedem Fan dieses Stils auffallen sollte. Das Intro von „Self Revolution“ läutet dabei eine rasante Geschwindigkeit ein, die erst wieder am Ende des Songs aufgegriffen wird. Bei „Just Barely Breathing“ wird hingegen etwas mehr Gas gegeben, aber der Chorus ist dafür wieder langsam und wird quasi im Loop als Outro genutzt.
Epische Gesangseinlagen gehören zum Standardrepertoire und Jesse Leachs Stimme scheint vor allem auf Songs wie „My Last Serenade“ oder „Temple From The Within“ durch. Wenn geschrien wird, klingt der Sänger ziemlich roh und unbearbeitet. Hier wird zwischen hohen und tiefen Passagen je nach Belieben gewechselt. Ich muss zugeben, dass mich das zu Anfang nicht beeindrucken konnte. Inzwischen passt aber der Stil des Clean-Gesangs auch in meinem Kopf zum Geschrei. Der sprachliche Inhalt des Albums ist zwar nicht religiös motiviert, bis auf den Song „Fixation On The Darkness“, aber die Nachricht an den Hörer bleibt durchgehend positiv und gleich. Es geht immer wieder darum, zu sich zu stehen und für sich und mit anderen zu „kämpfen“, um letztendlich glücklich zu sein. Der letzte Song „Rise Inside“ illustriert diese motivationstreibende lyrische Seite sehr gut. Die Figur wehrt sich gegen seine schlechten Eigenschaften und soll Entscheidungen selbst fällen. Und das in fast allen Liedern. Oft wird es hier melodramatisch, was aber vom Namen her zum Genre ganz gut passt. Die erbaulichen Texte sind hier nämlich Teil des Standardprogramms:
Why have we forsaken love
The time has come to raise our voices
So rise up and fight with me
Embrace what we have
It might be the last time
In this life (in this life)
We will rise (we will rise) – „Rise Inside“
Wenn dunkle Zeiten und Seiten besprochen werden, dann so, dass immer der Ausweg über eigene Willenskraft konträr dazu dargestellt wird. Ein weiteres Thema ist der Zusammenhalt unter Freunden und dem eigenen Partner. Immer wieder wird davon gesprochen, dass man mit den richtigen Leuten an der eigenen Seite alles überstehen kann. Ihr merkt hoffentlich, wie idealisiert dieses Weltbild ist. Aber den Anspruch, Schmerz und Hoffnungslosigkeit darzustellen, hat dieses Album auch nicht. Es klingt wie eine lange Psychotherapie via Selbstgespräch, die der Sänger ins Mikro brüllt. Das kann man natürlich selbst nutzen, indem man sich die ein oder andere verzwickte Situation aus einem anderen Blickwinkel anschaut. Und genau das wollten KILLSWITCH ENGAGE damit auch erreichen. Ich will damit aber auch sagen, dass man sich damit auf der sicheren Seite befindet. Wer positive Nachrichten überbringt, dürfte schließlich auch mit der Wirkung seiner Musik überall akzeptiert werden.
Am nächsten kommt die Band ihren Hardcore-Vorbildern mit „Life To Lifeless“ und den auf dem Track zahlreich verteilten Breakdowns und stilsicheren Schlagzeug-Mustern. Aber auch auf Death Metal-Riff-geplagten Songs wie „Just Barely Breathing“, „Vide Infra“ und „Temple From Within“ finden wir natürlich unser Hardcore-Schlagzeug wieder. Jedoch vermag die Anzahl an Breakdowns den Hörer auch zu nerven, so auch auf dem nur zwei Minuten langen „To The Sons Of Man“. So hart das Gesamtpaket dank der vielen „Zusammenbrüche“ auch klingt, es zündet noch lang nicht so, wie gewünscht. Das machen andere Alben besser, bei denen auf Breakdowns öfter verzichtet wurde. Härte nur um der Härte willen ist eine ausgelutschte Strategie. Sie fällt fast jedem sofort ins Ohr, wenn er sie hört.
Verschnaufspausen, wie das instrumentale „Without A Name“, sind leider zu selten bis gar nicht vorhanden. Eigentlich schade um die Melodien. Dennoch sind die ohrwurmverdächtigen Riffs auf diesem Album ein echter Hingucker. Allen voran natürlich mein Favorit „Just Barely Breathing“. Denn wäre dieses Album nicht so eingängig und leicht einprägsam, hätte es wahrscheinlich nie diesen Erfolg erzielt. Und das alles trotz, oder gerade wegen, der Breakdowns? Das bleibt mir wahrscheinlich für immer ein Rätsel.
Fazit:
Dieses Album ist zwar nicht der erste Vertreter des Melodic-Metalcores – von Melodic Death Metal beeinflusster Hardcore -, aber es brachte dieses Genre nicht nur in die Ohren des Otto-Normal-Metal-Verbrauchers, sondern auch ins Radio und den Rock-Mainstream. Eine unglaublich wichtige Grundlage für den Erfolg von Bands wie ALL THAT REMAINS, DARKEST HOUR und SHADOWS FALL. Außerdem wurde dieser Stil seitdem bis zum Äußersten wiederholt, zum Teil auch von den gerade genannten ALL THAT REMAINS. Aber auch der, dank Tim Lambesis Ego-Trip leider aufgelöste, Gigant AS I LAY DYING hat sich augenscheinlich das ein oder andere Riff aus, zum Beispiel „The Element Of One“, abgeschaut.
Für den kommerziellen Erfolg hat es allemal gereicht. Ich kann noch so viel meckern, am Ende sprechen über 100.000 verkaufte Einheiten in den USA und der immer wieder imitierte Stil für sich. Daher ist der Legendenstatus nicht nur gerechtfertigt, sondern auch verdient. Der lyrische Anteil von „Wir gegen den Rest der Welt“, wie man ihn auch bei Bands wie FIVE FINGER DEATH PUNCH findet, erklärt den Erfolg wahrscheinlich auch. Leicht verdauliche Musik mit positivem Inhalt für Außenseiter und, oder doch schon, sozial etablierte Personen?
Ich glaube, da hat jemand Einsteiger-Bands gesagt.
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