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Core Classics #7 – As I Lay Dying

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Hier bekommt ihr eure wöchentliche Dosis an Metalcore-Alben mit Legenden-Status. Viele Vorurteile gegenüber dieser Musikrichtung konnten ja bereits schon ausgelöscht werden. Und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Kolumne, denn ich kann sie schreiben und mich danach immer noch auf die Straße trauen!

AS I LAY DYING – Shadows Are Security
Veröffentlichungsdatum: 14.06.2005
Länge: 43:23 Min.
Label: Metal Blade Records

Diese Scheibe setzte so viel in Bewegung und ist gerade einmal elf Jahre jung. Die Rede ist von „Shadows Are Security“ von AS I LAY DYING. Die Band selbst wurde nur 14 Jahre alt und macht seit 2014 eine Pause ohne Hoffnung auf Wiederkehr. Sie hat den Prozess und die Verurteilung von Frontmann Lambesis nicht überstanden. Für alle, die mit der Bandgeschichte vertraut sind, folgt nun eine etwas abgewandelte Version des Dramas:

Der moderne Jesus hat es nicht leicht. Er versuchte neue Anbeter zu gewinnen, indem er Musik machte und sich tätowieren ließ. Er wollte eine neue Zielgruppe erreichen. Positive Herangehensweisen an negative Vorfälle und Probleme, die mit einer leichten Prise christlichem Kontext versehen waren, präsentierte er den potenziellen neuen Kirchenbesteuerten. Mit seinem Geschrei fand er jedoch auch Zustimmung bei dämonischen Zuhörern, denen der Klang seines Gesangs und die Instrumentalarbeit seiner Jünger gefiel. Als er dann noch von der Breitnacken-Sekte verführt wurde und Anabolika nahm, war das Ende schon absehbar. Er versuchte alle Gerüchte über eine mögliche Ehefrau Gottes aus dem Weg zu schaffen und arrangierte einen Auftragsmörder, damit er endlich Ruhe vor dem Gewinsel seiner Anbeter und seiner Göttergattin hatte. Das erfreute die Polizei des neuen Roms, ich meine natürlich das Imperium US-amerikanischer Staaten, eher wenig und seitdem sitzt Jesus in der Haft. Nicht nur haben die Anabolika ihn zu einem gottlosen Menschen gemacht, sondern es besteht für ihn die Gefahr, selbst zu einer Göttin zu werden. Es würden ihm Brüste wachsen, drohte ihm sein Vater. Da unser Held aber jegliche Mythologie mit weiblichen Göttern verabscheut und am liebsten Eva aus der Bibel gestrichen hätte, klagt er nun auf Schadensersatz. Denn wer will schon eine weibliche Sängerin anbeten. Seine Jünger hatten zwar einen neuen Gott gefunden, der mit ihnen durch die Lande zog um Leute zu bekehren, aber einer von ihnen hat diesen bereits verraten. Selbst das Erbe Jesus hält sich also nicht und wird bald in alle Winde verstreut sein. Und das ist noch nicht genug! Jesus bekannte sich als Atheist und hatte versucht, mit seinen religiösen Ansichten Geld zu machen. Er hatte von Anfang an nur die saftige Kirchensteuer im Blick.

In der Mitte: Tim Lambesis (Jesus)

Im Text geht es um das Wirrwarr rund um die Inhaftierung des Frontmanns Tim Lambesis. Dieser mag zwar eine menschliche Katastrophe geworden sein, aber er hat musikalisch so einiges geleistet. AS I LAY DYING leisteten Pionierarbeit mit ihren ersten drei Alben und gaben zusammen mit KILLSWITCH ENGAGE den Ton an, was Melodic Metalcore anging. Nicht nur die Texte, sondern auch die Stile der Bands ähneln sich. Gemeinsam öffneten sie Teile des Metals wieder dem Mainstream. Dass der Metalcore – so wie wir ihn heute kennen – auch stark ihrem Einfluss unterliegt, sollte jedem klar sein. Tim Lambesis hatte zudem mit seinem Nebenprojekt AUSTRIAN DEATH MACHINE einen sehr belustigenden Anteil seiner Musik präsentiert. Seine Arnold-Schwarzenegger-Imitation illustriert, dass er wahrscheinlich nicht immer Lust auf todernste Musik à la AS I LAY DYING hatte. Einen kleinen Auszug davon solltet ihr euch anhören. Technisch bleibt er aber auf hohem Niveau und lediglich Text und Art der Vocals sind an die Frohnatur Arnie angelehnt. Hier hat sich Tim „schwerwiegend genehmigt“, oder so ähnlich.

Auch wenn der Vorgänger „Frail Worlds Collapse“ genauso den Ton angab, setzt sich „Shadows Are Security“ deutlich davon ab. Eine bessere Produktion, noch härtere Riffs und schönere Melodien. Dass die Breakdowns für mich ein Sahnehäubchen auf dieser Riff-Torte darstellen, sei mal so dahingestellt. Denn das Ohrwurm-Niveau, auf dem hier gespielt wird, ist nicht zu unterschätzen. Man möchte bei den Intros von „Meaning in Tragedy“, „Confined“, „Through Struggle“, „The Darkest Night“ und „Morning Waits“ sofort mitsummen. Das setzt sich auf den folgenden Alben zwar so fort, aber blieb mir nie so in Erinnerung wie bei diesem Kunstwerk. Ich weiß zwar nicht, bei welcher Art von Musikfan die spielsicheren Gitarren keinen Orgasmus auslösen, aber ich bemitleide jeden, der hier keinen Zugang findet. Schließlich wird hier mit hohem Niveau, was Songwriting, Melodien und Gesang angeht, aufgetrumpft. Ähnlich harte Riffs zum Mitsummen findet man wahrscheinlich nur auf PARKWAY DRIVEs „Horizons“ und I KILLED THE PROMQUEENs „Music For The Recently Deceased“. Man ertappt sich hin und wieder bei dem Versuch, das eigene Hörerlebnis mit Stadiongesängen auszugestalten. „Duh du du du de, duh du du du de…“, gröhlt es da aus mir heraus. „Verdammt! Wie können die nur so eingängig und dennoch hart schreiben?“, ist der nächste Gedanke der dann meinen Mund verlässt. Es folgen ein Blick nach rechts und ein Blick nach links, um mich zu versichern, dass das auch wirklich niemand mitbekommen hat. Der Nachhauseweg in einem 2000-Seelen-Kaff ist nämlich sehr einsam und man fühlt sich oft unbeobachtet, müsst ihr wissen.

Die starken Einflüsse des Metals bestimmen diese hauptsächlich metallisch geprägte Spielweise des Metalcores, aber typische Hardcore-Schlagzeug-Beats finden sich auf vielen Liedern, wie zum Beispiel „Confined“, wieder. Die Verse auf „Losing Sight“ werden gechuggt und erinnern den Hörer daran, dass es bei der Hardcore-Seite um mehr als nur Breakdowns geht. Aber auch den Thrash-Metal kann man bei einigen Tracks heraushören. Den klaren Gesang, übernommen von Bassist Nick Hipa, ist ein Ohrenschmaus und kommt dabei überhaupt nicht weinerlich daher. Die klaren Favoriten, was epische Gesangseinlagen betrifft, sind „The Darkest Nights“ und „Confined“. Generell werden diese Vocals aber sehr sparsam genutzt. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum gerade diese Band so gut beim sonst so skeptischen Metal-Fan ankam. Wenn auf den Metalcore eingetreten wurde, dann hat man AS I LAY DYING, zusammen mit ein paar anderen Bands wie UNEARTH, DARKEST HOUR und KILLSWITCH ENGAGE, immer zur Seite gestellt. Diese Bands hatten es nämlich in den Augen des kultigen und echten Metalheads verstanden, dass man mit Härte und Riffs weiterkommt. Obwohl sie zu den bekanntesten Nutzern von Breakdowns zählen, wurde darüber hinweggesehen. Wahrscheinlich auch deswegen, weil sich nicht ganze Songs nur aus Breakdowns zusammensetzen. Abwechslungsreiche Songstrukturen fernab vom typischen „Verse-Chorus-Breakdown-Verse-…“-Schema gibt es zur Genüge, auch wenn oft im Hintergrund eben dieser Aufbau stattfindet. Er wird durch den oft fehlenden Klar-Gesang nur nicht so in das Auge des Betrachters gerückt.

Aber ich schweife zu sehr ab. Die Breakdowns fetzen, trotz aller Kritik an der musikalischen Kreativität, welche angeblich während eines Breakdowns flöten geht. Sie werden nämlich zum Großteil mit abwechslungsreichen Gitarren hinterlegt und ähneln sich kaum. Die Highlights hier sind bei „Through Struggle“ und „Confined“ zu finden, wo sie einen beachtlichen Teil des Songs einnehmen. Das Solo auf „The Truth Of My Perception“ ist mein instrumentaler Höhepunkt auf dem Album. Und abgesehen von „Control Is Dead“ und „Illusions“ wird immer ein angenehm schnelles Tempo hingelegt. Die einzigen Abzüge gibt es für die rohen, aber grässlich klingenden Screams auf „Control Is Dead“. Die sind zwar gewollt so unbearbeitet und dreckig, aber sind einfach nicht mein Geschmack. Die Qualitäten des Geschreis von Tim Lambesis muss ich hoffentlich nicht weiter erläutern, da er schon seit langem über die Genregrenzen hinaus als ein begabter Live- und Studio-Schreihals bekannt ist. Lyrisch geht es wieder um negative Erlebnisse und die Kraft diese – mit Gottes Hilfe – zu bewältigen. Stereotypische Melodic Metalcore-Texte also, aber wer will es ihnen verübeln, schließlich haben sie ja damit angefangen. Etwas düsterer als in den Texten von Genre-Vettern geht es jedoch zu, was in der Retrospektive zeigt, dass Tims Atheismus schon immer hätte auffallen können. Sie bedürfen aber auch keiner weiteren Erklärung, wenn man ein oder zwei Zeilen liest, wird einem die Bedeutung sehr schnell klar. Geradlinige und ernste Lyrics sind also das, wofür AS I LAY DYING standen.

These thoughts
Will carry me
Through the darkest nights
While your eyes rest in mine – „The Darkest Nights“

Fazit:


Wer sich darauf einlässt, wird in diesem Album seinen neuen Messias finden.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von AS I LAY DYING und AS I LAY DYING

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6 Kommentare

  1. FeeLikes
    12. Oktober 2016 bei 17:14 — Antworten

    Kurze Recherche-Schelle, Nik Hipa is der Gittarist. Die Cleanvocals zu der Zeit stammten von Bassist Clint Norris der 2006 leider AILD verlassen hatte und die Band somit für mich uninteressant wurde. Aber sonst schöner Artikel. Und absoluter Klassiker, auch wenn ich den Vorgänger sogar mehr mochte!
    Cheers 🙂

    • 12. Oktober 2016 bei 20:25 — Antworten

      „Although Clint Norris was the bassist when this album was recorded, he is not featured on the album on either bass or vocals. Phil Sgrosso is credited with recording bass on the album. Norris still performed with the band at live shows during his time as bassist, and even appeared in all three music videos from the album.“ Das sagt selbst Wikpedia

      • Darquise
        12. Oktober 2016 bei 23:56

        Auf Shadows are Security singt keiner der beide. Wikipedia ist falsch.

        alle Cleans wurden im Studio von David Arthur eingesungen.

      • Darquise
        13. Oktober 2016 bei 0:05

        Also – das war meine Persönliche Überzeugung aufgrund von metal-archives.

        Ich habe jetzt nochmal recherchiert. Und ich find keine eindeutige Aufschlüsselung. Das Booklet hilft auch nicht viel weiter.

        Die Reviews widersprechen sich häufig.

        Eins ist jetzt jedoch jetzt klar: es gib einige Guest Vokalists und Guest Musicians – leider wiedersprechen sich die Quellen wer auf welchem Track was macht… Die einzige Angabe die sic wiederholt, ist, dass David Arthur Cleans gesungen hat. Ob alle oder nur einen Part ist jedoch unklar.

        Wegen der ersten unüberlegten Antwort muss ich mich entschuldigen!

        Ansonsten hat mir der Artikel gut gefallen.

      • FeeLikes
        13. Oktober 2016 bei 11:08

        Hm das is ja verrückt. Ändert aber nix daran dass nach seinem weggang eine andere Stimme zum Einsatz kam die mir nicht gefiel.

      • 13. Oktober 2016 bei 21:41

        Ja die ganze Situation wurde anscheinend nie klargestellt.

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