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Corevolution – eine persönliche Entwicklung
Als ich angefangen habe, ernsthaft Musik zu hören, begann alles mit elektronischen Klängen. OMD, DEPECHE MODE, AND ONE, WOLFSHEIM und alles, was man noch so als Einstiegsdroge in eher düstere Gefilde bezeichnen kann. Das war Mitte der 90er und zog sich über viele Jahre hinweg. Ich wollte eigentlich nie etwas anderes. Später kamen dann aber doch irgendwie Gitarren ins Spiel. Auch wenn zu der Zeit nur vereinzelt, aber mit HIM und DIE ÄRZTE immerhin Bands, die ich nach wie vor zu meinen absoluten Lieblingsbands zähle. Über die Jahre gesellten sich noch hier und da andere Acts dazu, von denen ich wohl BLINK-182 oder RISE AGAINST am nachhaltigsten betrachten würde. Viel mehr gab es dann aber nicht. Für mich war stets der Electro DAS Ding. Das ging auch so weit, dass ich mich selbst darin betätigen wollte, und mit meinem Best Buddy eine Band gegründet hab (Ja, in dem Genre geht sowas mit 2 Hanseln). Diese besteht immer noch, und ich bzw. wir haben dabei auch noch verdammt viel Spaß, aber eine Sache hat sich entschieden geändert…
HINTER DEM RAND DES TELLERS
Soweit ich das nachverfolgen kann, war es 2004, als sich plötzlich eine neue Welt für mich auftat. Im Electro befand ich Bands als meine Favoriten, deren Gesang größtenteils nur aus Geschrei bestand, deren Musik aber trotzdem hochmelodisch war. In dieser Zeit fand ich Freunde, die damit zwar nichts anfangen konnten, aber mich darauf hinwiesen, dass es da etwas anderes gibt, was mir vielleicht auch gefallen könnte. Im Prinzip ähnlich gestrickte Musik, nur eben „handgemacht“: Metalcore. Zur gleichen Zeit hab ich beim Soundtrack zu SAW schon einen Song gehört, der mich total begeistert hat: „The Beloved And The Hatred“ von CALIBAN.
Genau die Band zählte auch zu den Lieblingen eines Freundes und so griff quasi eins in’s Andere. Er zeigte mir das damals aktuelle Album „The Opposite From Within“ und ab diesem Zeitpunkt war es passiert: Ich war angefixt. Die Mischung aus dem Geschrei und den unfassbar melodischen Refrains war (und ist) einfach großartig. Die Abwechslung zwischen Aggression und Eingängigkeit hat mich komplett umgehauen. Er zeigte mir noch weitere Bands, von denen ich bis heute nur IN FLAMES behalten hab. Auch wenn das nicht dieser Metalcore war, es war trotzdem geil, denn es bot sozusagen die gleichen Elemente, nur etwas anders verpackt. Eine Sache musste ich aber unbedingt haben: den Klargesang. Ohne ging es einfach nicht, ich wollte es auch keinesfalls ohne haben! Selbst eine Band wie HEAVEN SHALL BURN mochte ich einfach nicht, weil es keinen Klargesang gab. Nur der eine Song damals „To Harvest The Storm“, der war gut. Der hatte das! Und so blieben dann CALIBAN über einige Zeit die Band für mich, die das Genre in meinem Kopf definierte.
Wann genau der Punkt war, an dem mir mein Hirn gesagt hat: „Komm, das kann nicht alles sein, stöber doch mal weiter!“, kann ich nicht genau festlegen. Jedenfalls hab ich vor ein paar Jahren angefangen, mich dem Metalcore weiter zu öffnen, weiter zu graben. Immer mehr Bands landeten auf meinem Radar, immer mehr starke Melodien, immer aggressivere Screams. Es fühlte sich an, wie ein nie enden wollender Strom aus neuen Eindrücken. Ich war permanent auf Websiten unterwegs, auf denen ich fast täglich neue Bands entdeckte. Dann folgten die ersten Konzerte, die ersten Moshpits und Crowdsurfer, die ich beobachten (!) konnte.
Alles war so neu, so frisch, so unverbraucht. Dieses Gefühl und diese Energie spürte ich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten nicht mehr. Ich fing an, meine mich stets begleitende Musiksammlung (einen iPod) zu entrümpeln und umzukrempeln. Electrobands, die stellenweise sowieso nur Platzhalter waren, wichen Corebands. Ein paar vereinzelte werden immer da sein, keine Frage, nur finde ich in dieser Szene nichts mehr, was mich so begeistern kann. Und das kann ich leider nicht nur auf die Musik beziehen. So haben auch ein Haufen schwarze (Band)Shirts Platz machen müssen. Platz für neue, teils sehr farbenfrohe (Band)Shirts. Springerstiefel wurden gegen Chucks getauscht. Davon kann man übrigens auch nicht genug besitzen.
Irgendwann in dieser Zeit hab ich für mich auch festgestellt, wie genial HEAVEN SHALL BURN eigentlich sind, und zähle sie heute zu meinen absoluten Lieblingen. Mittlerweile brauchte es auch nicht unbedingt nur Clean Vocals, hauptsache Melodie. Was ich auch festgestellt hab: dass ich mich irgendwie auch in diesem musikalischen Umfeld betätigen muss! Und so hatte ich im Herbst 2017 die Idee, mich beim Silence Magazin zu bewerben. Noch eine Band kam nicht in Frage, da ich erstens nicht die Zeit und zweitens nicht das Talent für handgemachte Musik besitze. Allerdings hatte ich auch noch nie etwas mit Rezensionen zu tun. Aber ich wollte es unbedingt versuchen! Ich bekam die Chance, hatte sofort Blut geleckt und hier bin ich nun. An der Stelle nochmal Danke an alle Beteiligten und alle Leser! Was aber seither für eine Entwicklung stattgefunden hat, konnte ich 2017 auch noch nicht ahnen…
VOM DREHEN AN HÄRTESCHRAUBEN
Es ist erstaunlich, wie viele Bands ich durch Silence entdeckt hab. Verdammt viele Gute, aber auch mal den ein oder anderen Dämpfer. Neben Metalcore verliebte ich mich auch in melodischen Post-Hardcore. OUR MIRAGE seien da zum Beispiel besonders hervorgehoben. Womit ich aber irgendwie nie klarkam, ist der Deathcore. Diese teils gruseligen Borstentierlaute verstörten mich, das oft durchgängige Geknüppel ohne Sinn und Verstand – ich hab’s nie kapiert. Und auch nur selten konnte ich irgendwo eine vernünftige Melodie ausmachen. Auch einige Bands, die ich im Zuge von Konzerten und Festivals gesehen hab, haben mich eher an die Bar oder raus getrieben.
Im letzten Jahr stieß ich dann aber auf eine Band namens FORGETTING THE MEMORIES, welche als Mischung aus Deathcore und Metalcore beworben wurden. Das war vermutlich der berühmte Schalter im Kopf. Diese Herren sind durch das Review für Silence und ihr bisheriges Schaffen zu meiner Nummer 1 geworden. Brachiale Härte in den Strophen (Deathcore!) und wundervoll-melodische Refrains. Ich war und bin platt. Allerdings bin ich kürzlich eher unbewusst über eine andere Band gestolpert. Vor ca. einem Monat (wenn überhaupt) las ich im Netz etwas von „melodischem Deathcore“ und stieß auf den Namen AFTER THE BURIAL. „Hörste halt mal rein.“ Ich glaube es war der Song „Collapse“, den ich zuerst hörte. Auf jeden Fall ist dann etwas passiert. Ich fand’s richtig gut! Die berühmten Schweinchengeräusche waren da auch nicht drin, und die Härte und die Kraft haben mich irgendwie in ihren Bann gezogen. Auch der Rest der Band konnte mich überzeugen. Merkwürdig, vorher mochte ich sowas doch auch nicht?!
Nun wollte ich aber doch mehr kennenlernen. Ich wühlte mich natürlich erstmal durch sämtliche „großen“ Namen. WHITECHAPEL? – Love it! CHELSEA GRIN? – Love it! FIT FOR AN AUTOPSY? – Herzlich gern! Nur die oft genannten Speerspitzen, da haperts. Mit SUICIDE SILENCE werd ich nicht warm, allerdings sind die Sachen mit Mitch Lucker noch ganz cool, wahrscheinlich liegt’s wirklich an der Stimme. THY ART IS MURDER und ich werden momentan auch keine Freunde. Funktioniert einfach nicht. Eine Band hat es in den letzten Wochen aber geschafft, mich komplett zu überzeugen. Weil sie Stilmittel und Elemente vermischen, die ich in der Kombination so noch nicht gehört hab. Die Rede ist von SHADOW OF INTENT. Symphonic Deathcore hab ich dazu gelesen und würde das auch direkt so unterschreiben. Das harmoniert so außergewöhnlich gut miteinander, dass es wirklich als Kunst zu bezeichnen ist. Zumindest fasse ich das so auf, in meinem ausufernden Hype diesbezüglich. Interessant ist rückblickend auf all diese Bands, dass ich einige davon vorher schon mal irgendwann probegehört hab und praktisch direkt wieder ausgemacht hab.
UND NUN?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie sich mein Geschmack so entwickeln konnte und was da innerlich passiert ist. Nach wie vor liebe ich Metalcore und Clean Vocals, noch besser ist es natürlich, wenn beide Genres sich mischen. Aber dass ich nun Bands höre, vor denen ich vor ein paar Jahren noch weggerannt bin, macht mich selbst stutzig. Möglicherweise höre ich heute anders hin, detailierter – wenn man so will. Ich entdecke und schätze bei meinen bisherigen Deathcore Entdeckungen die versteckten Melodien, die man eben nicht im ersten Moment wahrnimmt. Auch die andere Ausrichtung der Texte, der Themen tut gut.
Dass mir diese Musik in einer kürzlich schlechten Stimmung irgendwie Kraft gegeben hat, stimmt mich auch sehr zufrieden mit der Entwicklung. Wohin das nun alles geht, kann ich noch nicht sagen. Ich hab allerdings an vielen Stellen Kommentare gelesen, wie „Ich bin vom Metalcore zum Deathcore gekommen“. Scheinbar ist dieser Werdegang nicht untypisch. Ich fühle mich aber in beiden Bereichen wohl. Ebenso in der „Szene“ generell. Wenn ich zum Beispiel dieses Jahr wieder zum Impericon Festival gehe, wird es sich wieder wie ein „Nach Hause kommen“ anfühlen. Und das gefällt mir verdammt gut. Ein Gefühl, das ich in der Szene, in der ich ich mich so viele Jahre meiner musikalischen Entwicklung vorher bewegt hab, nicht mehr hatte.
Wann ich allerdings mein erstes Review zu einem Deathcore Album schreibe, weiß ich nicht. Ich bin gerade noch dabei, das Genre richtig für mich zu erfassen. Um ein paar Elemente und Sounds mach ich auch immernoch einen Bogen. Manches hört sich eben einfach falsch an. Aber wer weiß, ich mochte auch Deathcore nie. Und wenn man’s genau nimmt, mochte ich auch Metal nie. Und überhaupt und sowieso. Achso, ob ich immernoch Electro höre? Es gibt schon noch Bands, von denen ich nicht wegkomme. Allerdings kann man die mittlerweile an beiden Händen abzählen. Ich kenne aber ein Mitglied einer solchen Band, welcher einen ähnlichen Musikgeschmack hat, wie ich. Das beruhigt!
Danke für’s Lesen, ich wollte das schon lange mal so niederschreiben.
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