DARK TROLL FESTIVAL 2022 – DER BERICHT

Es ist Zeit! Zeit, den Bornstedter Berg zur Ruine der Schweinsburg zu erklimmen!

Zeit für Black Metal, Folk Metal, und alles, was dazwischen und drum herum wächst!

Es ist Zeit. Zeit für das DARK TROLL FESTIVAL 2022!


Tag 1

Flöten und Trommeln

Merlin: Es ist eine heiß geliebte und gut gepflegte Tradition auf dem DARK TROLL, dass BARBAROSSA PIPES & DRUMS mit ihren Dudelsäcken das Festival eröffnen. Und so ist es auch heute. Gemeinsam marschieren die 18 Männer und Frauen auf dem Burghof ein und geben einen ersten Appetithappen zum Besten. Es folgt ein interaktives Stück zum Mitklatschen: „We will Rock you“, solo vorgetragen. Das nächste Lied ist ebenfalls ein Klassiker, wenn auch aus einer ganz anderen Sparte: „Flower of Scotland“ – ein Stück über die Jugend. Und ein Stück, welches ALESTORM auf ihrem ersten Album „Captain Morgan’s Revenge“ gecovert haben. Aber das nur am Rande. Den Auftritt von BARBAROSSA PIPES & DRUMS zeichnet auch aus, dass sie komplett auswendig und ohne Noten spielen. Respekt!

Und auch die Ansagerin der Truppe tritt souverän auf. So erklärt sie den Schaulustigen, warum sie und ihre MitstreiterInnen keine Autogrammstunde geben: 18 Leute seien schlichtweg zu viel für die kleine Bude, in der die Autogrammstunden abgehalten werden. Auch animiert die dunkelhaarige Dame die Festivalbesucher zum Besuch weiterer live-Veranstaltungen: „Geht zu Konzerten, ein guter Psychologe ist wesentlich teurer als ne Konzertkarte!“ Wo sie Recht hat… Nachdem BARBAROSSA PIPES & DRUMS, es durfte nicht fehlen, „Amazing Grace“ spielen, beschließen sie ihren Auftritt mit etwas zum Mitsingen: „Was sollen wir trinken, 7 Tage lang“ – ihr ergänzt den Rest. Und während die Zuschauer klatschen und singen, verlassen die MusikerInnen in einem gemeinsamen Auszug unter den Klängen ihrer Dudelsäcke das Infield. Das war doch mal ein gelungener Start! So fröhlich darf es gerne weitergehen.

Die erste Metalband des Tages

Die erste Metalband des Tages darf man, denke ich, durchaus als Urgestein bezeichnen: CROM. Ihres Zeichens 1997 gegründet. Die Power-Metaller machen schon länger Musik, als ich alt bin. Sänger WALTER alias CROM (es besteht Verwechselungsgefahr) ist ein Mann wie ein Tier. Breit gebaut, lange Haare, enorme Präsenz. Dafür aber ausgestattet mit schlichten schwarzen Klamotten. Sein Klargesang gefällt mir extrem gut, die Töne sind sauber und voll, die Resonanzen mächtig. Dazu kommen die Variosität und das schwindelerregend schnelle Spiel der Gitarre sowie das Donnern des Schlagzeugs. Vor der Bühne fliegen die ersten Haare. Die Musik der Landshuter geht dermaßen nach vorne – wer bisher noch nicht wach war, ist es spätestens jetzt! Dem Gitarrenspiel merkt man außerdem deutliche Heavy-Metal-Einflüsse an: „niiiiuuuu!“ Großartig. Nur die rhythmischen Übergänge erscheinen manchmal etwas unsauber – vielleicht schwirrt mir auch einfach der Kopf vom vielen Headbangen.

Übrigens: Wer im Publikum natürlich auch hier nicht fehlen darf, ist dieser eine Typ mit Dreads, der barfuß unterwegs ist. Ist das eigentlich auf allen Festivals derselbe? Wie dem auch sei. CROM zeigen jetzt, dass sie nicht nur schnelle Stücke können, sondern auch Powerballaden. Wahnsinn, was der Sänger da wieder mit seiner Stimme macht! Die hohen Töne mögen zwar nicht jedes Zuschauers Sache sein. Ich selbst bin aber überzeugt und weiß, dass ich nach dem Konzert direkt zum Merchstand eiern und eine CD der Band erwerben werde! (Wen es interessiert: Es ist „Of Love and Death“ geworden. Kann ich nur empfehlen!)

Der Aufstieg

Als nächstes spielen UPRISING. Über die wusste ich vorher genau gar nichts, und so bin ich einigermaßen überrascht, als plötzlich JAN alias WINTERHERZ von WALDGEFLÜSTER auf der Bühne steht. Ich recherchiere und stelle fest, dass er bereits 2016 das selbstbetitelte Debüt veröffentlicht hat. So können Dinge an einem vorbeigehen. Auch wenn JAN augenscheinlich allein für das Projekt UPRISING verantwortlich ist, so braucht es zum live-Spielen natürlich tatkräftige Unterstützung. Und so steht ihm MARCO von AD NEMORI am Bass zur Seite. Die grandios langen blonden Haare hängen ihm in sein Instrument und ich wundere mich, dass er so überhaupt spielen kann. Aber es funktioniert.

UPRISING spielen Black-Metal, und das auch solide. Aber vom Hocker reißt es mich nicht. Es wird viel mit Hall gearbeitet, zu Beginn der Songs werden atmosphärische Geräusche eingespielt, und dann wird die Lautstärke noch einmal kräftig raufgedreht. Aber nur laut zu sein, reicht eben nicht, um sich abzugrenzen. Ich hätte mir mehr Eigenständigkeit gewünscht, und vor allem: Mehr Varianz im Gesang. Vielleicht habe ich JANS Stimme inzwischen auch einfach totgehört. Aber mir erscheint sein Gesang bei diesem Auftritt eintönig und erinnert mich einfach zu sehr an WALDGEFLÜSTER. Somit kann ich persönlich dem Konzert von UPRSING leider nichts abgewinnen. Aber Anderen geht es da womöglich ganz anders – Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

Ein dickes Ausrufezeichen

Mich: Und mit CÂN BARDD darf ich mir als Einstieg direkt eine Band ansehen, die ich mit einem dicken Ausrufenzeichen auf meiner Liste markiert habe! Die Erwartungen sind somit natürlich hoch – und werden makellos erfüllt. Mal sanft, mal gnadenlos vorwärts treibend; mal Black Metal, mal atmosphärisch und folkig nehmen die Schweizer das Publikum mit auf eine Reise zwischen zwei Extremen. Konstant ist allerdings ist eines: Der Tiefgang. Gleich in welchem der beiden Modi sich die Musik gerade befindet, das Kribbeln unter der Haut ist dauerpräsent. Die Vocals wandern von epischen dreistimmigen Chorgesängen zu Schreien, die Gänsehaut sprießen lassen. Wie großartig diese Erfahrung wohl wäre, würde man die Kapelle bei Nacht spielen lassen anstatt in der prallen Sonne? Aber man kann nicht alles haben. Schon zu Beginn des Festivals mit so viel musikalischer Intensität konfrontiert zu werden, macht was mit einem.

Mehr naturverbundenen Black Metal braucht die Welt. Besonders, wenn er so gut gemacht ist.

Eine solche Band braucht zudem als Fundament einen richtig ausdauernden und stabilen Drummer, und der ist hier definitiv am Start. Nicht nur zeugt er von durchgehender Präzision und Beständigkeit, er ist zudem der glücklichste Musiker, den ich je gesehen habe. Sein Trommelspiel ist stets von einem freudestrahlenden Lächeln begleitet, das sich nur noch verbreitert, je anspruchsvoller der Song wird. Voilà. Erste Band, erste Neuentdeckung. Hoffentlich geht das so weiter.

Punk und Rotz

Merlin: Auf den Auftritt von NOCTE OBDUCTA habe ich schon hingefiebert, seitdem die Bandbestätigung draußen war. Denn obwohl die Mainzer bereits seit über 20 Jahren musikalisch aktiv sind, hatte ich es bis jetzt noch nicht zustande gebracht, mir einen Auftritt von ihnen anzusehen und zu hören. Und ich werde nicht enttäuscht! Die Jungs sind gut aufgelegt und auf Interaktion aus. Auch sorgen sie für den ein oder anderen Lacher: Als beispielsweise im Verlaufe des Konzerts das Schlagzeug seine eigenen Wege zu gehen beginnt, wird die Schuld kurzerhand auf den neuen Schlagzeuger geschoben: „Junge Menschen tragen ganz viel Aggression in sich!“ Dabei hat er doch heute extra sein nettestes TAYLORSWIFT-Shirt angezogen.

Aber was machen NOCTA OBDUCTA eigentlich genau? Ich würde es als Black Metal mit unüberhörbaren Punk-Einflüssen bezeichnen. Roh, rotzig und direkt. Und live einfach enorm geil! „Fick die Muse“ vom 2001 erschienenen Album „Schwarzmetall (Ein primitives Zwischenspiel)“ darf da natürlich nicht fehlen. Im Publikum wird gerockt und geheadbangt, die Stimmung ist einfach großartig. Und so bin ich umso betrübter, dass auch dieses Konzert schließlich sein Ende findet. Mein Fazit? Der Auftritt von NOCTA OBDUCTA hat nicht nur mich, sondern auch alle Umstehenden begeisterst. Das schreit aber sowas von nach einer Wiederholung!

KHORS treten nicht auf.

Mich: Der Grund: Die Jungs kommen aus der Ukraine und werden dank verlängertem Kriegsrechtsbeschluss nicht aus dem Land gelassen. Selbst der beidseitige Kontakt zum Kulturministerium hat am Ende des Tages nicht geholfen. Dennoch wird seitens Festivalorga zumindest dafür gesorgt, dass den Musikern ihre versprochene Gage zukommt. Ein schwacher Trost, aber Panzer und Raketen sind wohl immer stärker als Kultur und Musik. Krieg ist das Dümmste auf der Welt, und wer ihn ikonisiert und verherrlicht, hat etwas falsch verstanden. So. Jetzt habe ich es gesagt. Auf einem Black-Metal-Festival.

WOLFCHANT mal anders

WOLFCHANTs Gitarrist hat seit gestern Corona. Noch ein Bandausfall also? Von wegen! Dann übernimmt der andere Axtträger eben neben seinen eigenen Spuren auch noch die seines Kollegen. Dessen Spuren hat er sich einfach mal so über Nacht beigebracht, so dass er heute zwischen zwei Performances hin- und herwechseln kann. Einen Basser haben die Wölfe übrigens auch nicht dabei, so dass das Line-Up nur aus zwei Sängern, einer Gitarre und einem Schlagzeug besteht. Außerdem verliert eines der Gesangsmikrofone immer mal wieder den Kontakt, ca. zehnmal pro Sekunde ist der Ton da und wieder weg. Vor allem bei Ansagen fällt’s auf. Und als wäre das nicht genug, fängt auch noch die einsame Gitarre an, rumzubuggen und gelegentlich den Kontakt ganz zu verlieren. Dieses Konzert steht definitiv unter einem schlechten Stern. Doch das scheint die alteingesessenen Pagan-Metaller nicht zu kratzen.

Neben vielen guten neueren Songs geben sie auch die ein oder andere Underground-Hymne der 2000er zum Besten, geben am Ende drei Zugaben und dann noch eine mehr, und lassen sich von nichts und niemandem die Stimmung oder die Spaß am Auftritt verderben. Großartig. Ein Hoch auf WOLFCHANT, ein massiver Eimer Respekt an den Gitarristen, und ein riesiges „Du dummer Idiot!“ an den Besoffski, der der Band den Mittelfinger entgegengestreckt hat weil „die Hälfte der Band fehlt“. Als letzten Song gibt’s ein Trinklied, und das danach vom Band laufende bayrische Humppa-Stück knüpft direkt an dessen Stimmung an und lässt das Publikum fröhlich in den Rest des Abends hineintanzen oder zumindest -schunkeln.

Die ersten Headliner

HELHEIM liefern im Anschluss ein sauberes Konzert ab – ich muss aber gleich loswerden, dass ich meinen Weg heute Abend absolut nicht in ihre Musik hineinfinde. Vielleicht bin ich zu müde, vielleicht ist die Band nicht aufregend genug. Am makellosen Sound liegt’s nicht, und an der Atmosphäre schon gar nicht: Die Dunkelheit hat sich nämlich endlich mal herbequemt, und die Burgmauern lassen es sich nicht nehmen, in tiefrotem Scheinwerferlicht zu erstrahlen – während über der Bühne zwischen antikem Gemäuer episch das DARK-TROLL-Banner prangt. Ein majestätischer Anblick, und viele Menschen sind anwesend um das alles (inklusive HELHEIM) zu genießen. Aber dieser Abend und ich sind einfach nicht füreinander gemacht. Irgendwann stehe ich vor der Entscheidung, schmerzenden Beines im Stehen einzuschlafen oder mich zurück zum Camp zu bewegen. Tut mir leid HELHEIM, beim nächsten Mal dann.

Die Macht der schlechten Laune

Merlin: Jippie jai jeh, Schweinebacke! …ach ne. TOTENWACHE. Kinners, wie ich mich auf diesen Auftritt gefreut habe! Seit ich TOTENWACHE auf dem FIMBUL FESTIVAL 2020 das erste Mal live sehen durfte, sehne ich mich nach einer Wiederholung. Und ich werde nicht enttäuscht! TOTENWACHE sind einfach großartig in dem, was sie machen: Kalten und unbarmherzigen Black-Metal. Die drei wie immer mit Corpsepaint ausgestatteten Finstergestalten crashen die Dunkelheit mit ihrer klassischen und doch so eigenen Interpretation des Schwarzmetalls. Bis auf ein kurzes, sehr unangenehmes Quietschen zwischendrin ist der Sound dabei auch noch verdammt gut. Von den massiven Technikproblemen bei WOLFCHANT ist glücklicherweise nichts mehr zu hören, und so können TOTENWACHE aus dem Vollen schöpfen.

Die Hamburger ballern ihren Zuhörern eine gute Stunde lang die Ohren dicht und erzeugen zeitweise sogar einen kleinen (und leider recht rücksichtslosen) Moshpit. Die meisten Zuhörer aber haben keine Lust auf Rumgeschubse – es wird entweder geheadbangt oder in aufrechter Haltung gelauscht, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Letzteren stehen die Bandmitglieder übrigens in nichts nach. Mag es an dem gewählten Genre oder ihrer norddeutschen Herkunft liegen – TOTENWACHE bieten weder eine ausgefallene Show dar, noch sind sie sonderlich gesprächig. Die einzigen Worte, die der Sänger für sein Publikum übrig hat, sind die Abschiedsworte: „Machts gut, ihr Idioten!“. Alles klar, machen wir. Der Auftritt war jedenfalls großartig. Ich freue mich jetzt schon wie bolle, die missgelaunten Black-Metal-Gurus im August auf dem WOLFSZEIT FESTIVAL wiederzusehen.


Tag 2

Ein starker Ersatz

Merlin: Da NORDIC RAID aufgrund einer Corona-Infektion leider überraschend absagen mussten, sind unfassbar kurzfristig THJODRÖRIR (…ihr wollt nicht wissen, wie viele Anläufe ich gebraucht habe, um diesen Bandnamen richtig auszusprechen) für sie eingesprungen. Die Pagan-Metaller aus Neumünster wirken zu Beginn noch etwas unsicher, vor allem die beiden Damen an Bass und Gitarre. Sänger DENNY kommt da schon etwas mehr aus sich heraus, er übernimmt auch die Lead-Gitarre. Die Gesichter der Bandmitglieder werden geziert von einer Art Kriegsbemalung, simpel, aber wirkungsvoll. Am Mikrophonständer ist ein Wikingerschild befestigt. Der Gesang von DENNY ist böse und rau, sehr schwarzmetallisch. Noch versierter als am Mikro ist er jedoch an seinem Saiteninstrument – der Typ beherrscht die Gitarre! Insgesamt ist der Sound sehr roh, fast blechern. Nicht schlecht, jedoch keine Offenbarung. Aber zum Headbangen taugt es definitiv, wie einige der langhaarigen Zuschauer eindrucksvoll beweisen.

Zwischen den Songs immer machen THJODRÖRIR immer wieder längere Pausen, um sich untereinander abzustimmen. Verständlich, hat die Band doch dank Corona kaum mehr Routine im Auftreten und ist zudem wie schon erwähnt sehr kurzfristig engagiert worden. Aber sie kommen immer besser rein und am Ende headbangt selbst die Bassistin. Auch für eine Zugabe sind THJODRÖRIR zu haben. Wir erfahren außerdem: Ihr Drummer hatte heute seinen ersten live-Auftritt! Man muss dieser Band wirklich Respekt zollen für das, was sie hier und heute allen erschwerenden Umständen zum Trotz abgeliefert haben. Zum Abschluss traut sich Bassistin WAWA sogar selbst ans Mikrophon: „Wir würden gerne noch ein Foto mit euch machen!“ Nichts lieber als das. Hoch die Hörner, liebes DARK TROLL! Auf THJODRÖRIR!

Okkult wie fick

Mich: Nun ist es an der Zeit für BÖOTES VOID. Äußerst okkult treten sie mit Tierschädeln, kryptischen bis satanischen Symbolen und komplett vermummten Gesichtern auf die Bühne. Musikalisch liefern sie meines Erachtens eher unspektakulären Black Metal. Das machen sie dafür aber sehr gut! Die Mucke ballert, und die Köpfe der Zuhörer befinden sich in einem Dauerzustand des Mitnickens um ca. 20 Grad. Aber auch die Gezeiten geben einen zum Besten: Während rechts über der Bühne bis zum fernen Horizont nur gelbe Sonnenstrahlen zu sehen sind, sieht das, was von links heranzieht, nach massivem Unwetter of Doom aus. Der stärker werdende Wind kündigt zu den unheilvollen Klängen von BÖOTES VOID auch nahendes meteorologisches Unheil an…

Runen im Gesicht

Merlin: Es ist Zeit für die dunklen Seehunde! …oder so ähnlich. DARK SEAL sind extra aus Tschechien angereist und spielen hier und heute ihre allererste Show in Deutschland. Die Band besteht aus fünf Mann, die bis auf den Schlagzeuger alle mit langen Haaren ausgestattet sind. Außerdem wartet sie gleich mit zwei Sängern auf: CRUDELIS spielt neben seinem gesanglichen Engagement auch noch Gitarre, während STYRBJØRN die Show und die Action übernimmt. Er trägt, genauso wie ihr zweiter Gitarrist, eine Runen-Gesichtsbemalung und zusätzlich die typische Gewandung. Immer wieder läuft STYRBJØRN vor zum Rand der Bühne, feuert die Menge an und headbangt, dass die Fetzen fliegen. Eine unfassbare Energie hat dieser Typ! Und so schöne blaue Augen…

Es ist weder zu übersehen noch zu überhören: DARK SEAL haben mächtig Bock auf diesen Auftritt. Der Sound ist brachial, der Pagan-Metal mit schwarzmetallischen Einflüssen bricht sich unaufhaltsam Bahn. Doch gleichzeitig schafft es die Musik, melodisch und eingängig zu sein. DARK SEAL liefern mit ihren Songs genau die richtige Mischung aus Blast Beats und ruhigeren Passagen. Leider steht der Bassist ein wenig ungünstig, sodass er stets halb von der rechten Bühnensäule verdeckt wird. Aber das tut der musikalischen Leistung der Jungs natürlich keinen Abbruch.

Und das Publikum? Ich finde, der Platz vor der Bühne könnte gerne noch voller sein. Ein engagierter Zuschauer in den vordersten Reihen hat immerhin eine tschechische Flagge mitgebracht, die er nun stolz der Band entgegenreckt. Ihn wie mich konnten DARK SEAL jedenfalls vollumfänglich begeistern. Auch hier komme ich nicht umhin, nach dem Konzert am Merchstand eine CD zu erwerben. Die lasse ich mir bei der anschließenden Autogrammstunde auch gleich signieren und nutze außerdem die Gelegenheit, einige Worte mit Bassist DIMI zu wechseln sowie gemeinsam mit ihm den DARK TROLL eigenen Met zu verkosten. Dabei gewinne ich den Eindruck, dass die Tschechen auch abseits der Bühne sehr bodenständige und sympathische Kerle sind. Mein abschließendes Fazit zum Auftritt von DARK SEAL? Ihr könnt, nein, ihr MÜSST unbedingt wieder kommen!

Der melancholische Nerv

Mich: ÄERA aus dem Münsterland ziehen viele Leute, und das mit Recht. Gerade mit den oben schon erwähnten Türmen der Burgruine wirken ihre atmosphärischen Klangerzeugnisse richtig gut – wer hier ist, frönt dem wahren Genießertum melancholischer Musik. Auch mein melancholischer Nerv bleibt nicht unberührt, und den meiner Begleiterin trifft es allemal. Nun habe ich in meinem Leben zwar schon innovativere Musik gehört, aber das ist – und ÄERA sind der lebende Beweis – keine Voraussetzung dafür, ein mitreißendes Musikerlebnis zu erschaffen. Man muss ja nicht alles neu erfinden. Gutes Konzert. Geile Vocals. Weiter so.

Frauenpower

Merlin: Nun heißt es aber: Bühne frei für die einzige weibliche Protagonistin des diesjährigen DARK TROLLS! VERMILIA ist ihr Name, und so lautet auch der Name ihres Projekts. Die musikalischen Themen finden sich hier auch in der visuellen Ästhetik wieder. So ist ihr Gesicht kunstvoll bemalt und drapierte Trockenblumen gereichen zum Schmuck des Mikrophonständers. Die Zeichen stehen auf Naturverbundenheit. Die Musik der Finnin und ihrer Band wiederum lässt sich als Folk-Metal mit Black-Metal-Elementen beschreiben. Die akustische Untermalung wird aber schlagartig zur Nebensache in dem Moment, als VERMILIA anfängt, zu singen.

Alter Falter, was hat diese Frau für eine Stimme! Dunkel, kraftvoll, schwer und weich. Das sind nur einige Attribute, die ich ihr zuschreiben möchte. Und erst die nahtlosen Wechsel zwischen Growls und Klargesang! VERMILIA beeindruckt mich auf ganzer Linie. Jetzt ergibt es auch Sinn, dass alle anderen Bandmitglieder bis auf einen schmalen Sehschlitz maskiert sind – der Fokus liegt überdeutlich auf der Frontfrau. Der Rest der Band wirkt gegen sie wie austauschbar. Und VERMILIA kann nicht nur singen und trommeln, sondern auch noch Querflöte spielen. Leider ist die einzige Gitarre (die Band kommt ohne Rhythmusgitarre aus) so laut, dass sie die Querflöte und teils sogar den Gesang übertönt, was unfassbar schade ist. Generell empfinde ich die Gitarre als sehr scheppernd und dominant.

VERMILIA hat neben idyllischen, beinahe romantischen Klängen ja aber auch noch etwas Schwarzmetall im Gepäck, und so bildet sich während eines schnellen Songs ein zierlicher Moshpit, der sich im Verlauf des Konzerts in einen Circle Pit verwandelt. Jedoch ist es der kleinere Teil der Zuschauer, der sich in wilder Rennerei ergeht. Die Meisten lauschen dann doch lieber andächtig der fesselnden Stimme VERMILIAs. Übrigens hat die Musikerin erst vor kurzem eine neue Single veröffentlicht, „Hautavajo“. Das dazugehörige Album folgt dann im September. Ich bin der Meinung, Freunde des Folk sollten VERMILIA unbedingt auf dem Zettel haben!

Der Schotten erstes Mal

Es folgt der Auftritt von RUADH. Eine schottische Band, die bis vor kurzem noch das Soloprojekt von Sänger und Gitarrist TOM PERRETT war. Mittlerweile hat er die anderen drei Musiker fest ins Boot geholt und verkündet der Menge vor der Bühne stolz: „This is our first gig outside the UK!“ Und tatsächlich könnte meine Freude darüber, dass es RUADH (übersetzt: „rot“) auf die Bornstedter Burg verschlagen hat, größer nicht sein. Denn deren atmosphärischer Folk-Black-Metal klingt einfach unfassbar gut – ausschweifend, episch, melodiegewaltig. Genau mein Ding. Und auch den anderen Festivalbesuchern scheint die Musik der Schotten zu taugen. Der schmale Platz vor der Bühne wird immer voller und voller. Zurecht, denn RUADH liefern einfach ab.

Bassistin KIM gewinnt mit ihrer Sonnenbrille mal locker den Preis für das coolste und lässigste Auftreten. Und Sänger TOM PERRETT ist einfach ein Tier. Er motiviert sein Publikum mit einem markerschütternden: „HEY!“ und reckt die Pommesgabel in den Himmel. Er kann eine wahnsinnige Stimmgewalt sein Eigen nennen, egal ob Growls oder Klargesang. Warum tut sich der Typ nicht mal mit CROM zusammen? Das hätte dermaßen Potenzial! Aber noch bleiben die einzigen Features die backing vocals von Gitarrist ALAN BUCHAN sowie vereinzelter Frauengesang vom Band. Außerdem bekommen wir einige schöne Gitarrensoli geboten. Die Zeit vergeht wie im Flug. Als RUADH ihren Auftritt beenden, ist es einer dieser Momente, wo man mit einem ungläubigen Blick auf die Uhr feststellen muss, dass die Spielzeit der Band tatsächlich schon rum ist. Das ging ja mal viel zu schnell vorbei!

Da bleibt nur zu hoffen, dass RUADH ganz bald wieder den Weg zu uns nach Deutschland finden werden.

Ein großartiger Auftritt

Mich: Ich sehe THE SPIRIT gerne mal als die musikalischen Erben von DISSECTION und Konsorten an. Die Mischung aus Black Metal und Melodeath zerläuft ineinander wie flüssiger Honig und lässt von erster Sekunde an die Bühne in einem Schwall massiver Energie erbeben. Der Sound ist klar und sauber, und dennoch schafft er es, mir in jedem basslastigen Moment die Innereien meines Bauches zu massieren. Spielerische Rhythmuswechsel und progressive Einwürfe geben dem Ganzen noch mal eine besondere Würze. Es ist ein Schauspiel an Energie und Fertigkeit, das so schnell niemand nachmacht – und es wird auch gleich vom Publikum belohnt! Von allen Konzerten dieses Festivals fliegen hier bisher die Mähnen am zahlreichsten und am energischsten. Die Urkraft kosmischen Terrors strömt intensiv durch das Zusammenspiel aus Musiker, Verstärker und Besucher.

Fazit: Trotz aller Krassheit sind THE SPIRIT eine musikalisch wahrhaft interessante Band. Und das ist bei Weitem nicht der Standard. Macht weiter so, und erkämpft euch bitte den Weg an die Spitze!

Der Grundbaustein

Man wird es auf einem Festival wie diesem kaum glauben, aber: Es gibt tatsächlich eine Band, deren Musik noch mehr pagane Energie ausstrahlt als die anderen. Und das sind MÅNEGARM. Der Stil dieser Gruppe stellt den Nährboden für so manch eine andere Kapelle der heutigen Zeit. Mir war es jahrzehntelang verwehrt geblieben, diesen Grundbaustein jener Musik, die ich verehre, live mitzuerleben. Und doch stehe ich nun hier. Und lasse die Musik durch mich fließen.

Der Hit des Gigs ist mit „Odin Owns Ye All“ allerdings ein etwas neuerer Song. Hier wirkt es plötzlich, als hörte ich von allen Seiten schallende Stimmen mitgrölen – es scheint der Moment zu sein, auf den alle hier gewartet haben. Er ist aber auch ziemlich cool, soviel muss ich zugeben. Und ein schöner Abschluss für diesen meinen zweiten Festivalabend.

Elend und Ellenbogen 

Merlin: Kommen wir last but not least zu der Band, auf die unsere Campnachbarn am meisten hingefiebert haben und gar nicht mehr aufhörten, von ihnen zu reden: ELLENDE. Die Österreicher stellen heute die letzte Band des Abends. Dementsprechend ist die Burg gänzlich in Dunkelheit gehüllt und die optimale Atmosphäre für melancholischen Post-Black-Metal geschaffen. Und ELLENDE sind wahre Meister ihres Faches. Der gesamte Burginnenhof ist gerappelt voll, die ganz überwiegende Mehrheit der Festivalbesucher ist gekommen, um sich von der Musik ergreifen zu lassen.

Und diese überwältigende Resonanz scheint Sänger und Mastermind L.G. ehrlich zu rühren. Zigmal bedankt er sich bei seinem Publikum. Das ist auch eine Sache, die ELLENDE für mich ausmachen: Kaum eine andere Band wirkt auf mich so offen, ja beinahe verletzlich. Und diese Wirkung überträgt sich in direkter Weise auf die Zuhörer. Die melodischen Düsterklänge umhüllen das DARK TROLL wie ein wabernder Zauber. Aber ehe ich mich gänzlich in Schwermut ergehen kann, ist das Konzert schon wieder vorbei und ELLENDE überlassen uns der kühlen Frühsommernacht. Ich muss mich erstmal kneifen, ob ich nicht doch noch träume…

Übrigens: ELLENDE haben für Ende September ihr neues Album „Ellenbogengesellschaft“ angekündigt. Das Cover hat mich als solches jetzt schon überzeugt. In erwartungsvoller Spannung harre ich der Musik, die da kommen wird!


TAG 3

Guten Morgen!

Mich: Der Tag beginnt ruhig. Mit vergleichsweise seichten Tönen lockt die freundliche Musikertruppe von BAUMBART die ersten Menschen aufs Infield. Genau nachgezählt habe ich nicht, aber es stehen und sitzen ziemlich viele Menschen auf der Bühne. Die meisten von ihnen sind mit akustischen Instrumenten ausgestattet, manche auch nur mit einem Mikrofon. Metal gibt’s hier – wie zu erwarten – nicht, dafür eben akustische Reisen in eine eigens erfundene Fantasy-Welt. Mit J.R.R. TOLKIENs Figur Baumbart hat das Ganze, soweit ich weiß, nichts zu tun.

Der Sound spielt mit, und so einige Besucher finden sich auch schon vor der Bühne zusammen. Die generelle Freude am frühen Spektakel ist da! Auch wenn aus anderen Windrichtungen Meinungen erklingen, die von deutlichem Desinteresse zeugen. Aber auch damit war zu rechnen, da die meisten Besucher sich wohl eher wegen härterer Klänge in den Burgruinen tummeln. Aber auch über BAUMBART steht heute wohl ein schlechter Stern: Den gefühlten Rest des Tages sehe ich die Bandmitglieder immer nur besorgt um ihren Wagen herumzustehen, der scheinbar nicht mehr anspringen möchte.

Rumänische Wölfe

Hinter dem unüblichen Namen SYN ZE SASE TRI versteckt sich eine rumänische Black-Metal-Band mit auffällig präsentem Keyboard. So zumindest eine erste, unbefleckte Live-Interpretation. Das Gehirn versucht bei solcher Musik natürlich immer gleich, den Brückenschlag zu DIMMU BORGIR zu machen – trotzdem gibt es aber hier einige markante Unterschiede. Zum einen liegt bei SYN ZE SASE TRI der Fokus doch etwas mehr auf der folkigen Seite, zum anderen sind auch Clean Vocals ein weitaus wichtigerer und häufiger auftretender Aspekt. Dann findet sich auch der ein oder andere langsamere Track inmitten des heutigen Soundbuffets. Dies sind Songs, die eher in Doom- und Gothic-Metal-Gefilde abtreiben, als stur am Black Metal festzuhalten.

Viel Abwechslung wird also geboten, während die Keyboarderin inmitten all dessen auch mal zur Geige greift. Was man auch selten auf Metal-Bühnen sieht: Sie spielt mit Notenblättern! Kurios. Der Sänger lässt irgendwann das Publikum wie die transsilvanischen Wölfe heulen, und kurz darauf platzt der vor zwei Tagen angekündigte Regen dann endlich aus allen Wolken.

Wahnsinn und Wetter

Merlin: MARTIN FALKENSTEIN alias VALKENSTIJN hat uns in diesem Jahr mit seinem Black-Metal-Projekt MOSAIC wieder ein neues Album kredenzt. Und so wundert es mich nicht, dass der Thüringer auf dem DARK TROLL zu Gast ist. „Heimatspuk“ will schließlich präsentiert werden! Zu Beginn des Auftritts weht bereits ein starker Wind durch die Ruinen der Burg Bornstedt. Der Atmosphäre kommt das natürlich zugute, dem Sound dagegen weniger. Nach einem raschen Blick zum Himmel ahne ich außerdem Böses für die nächste Stunde.

Aber noch regnet es nicht und MOSAIC beginnen ungetrost, den locker über den Innenhof verteilten Zuhörern eine Kostprobe feinsten heimat- und naturverbundenen Black Metal zu reichen. VALKENSTIJN hat sich dafür extra in ein kariertes Holzfällerhemd geschmissen und weiße Schminke aufgelegt, die bis in seinen Bart reicht. Dazu verdreht er regelmäßig die Augen und schafft so ein wildes, fast wahnsinniges Bild. Die anderen Bandmitglieder auf der Bühne treten dagegen in den Hintergrund. Es wird recht deutlich, wer hinter MOSAIC steht.

Und während die vier Musiker sich klangreich verausgaben, tritt plötzlich ein, was eintreten musste: Es beginnt zu regnen. Wobei, das ist nicht ganz korrekt: Es beginnt vielmehr zu schütten! Von jetzt auf gleich entscheidet sich die graue Wolkenfront, auf die Zuschauer niederzugehen, und zwar in einer Intensität, dass es jedem trveen Schwarzmetaller innerhalb von Sekunden das geliebte Corpsepaint vom Gesicht gewaschen hätte. Zack, ist der Platz vor der Bühne wie leergefegt und MOSAIC müssen die letzten Songs vor den ganz wenigen Unerschütterlichen performen, die aus Trotz oder Trunkenheit auf dem Innenhof verblieben. Das ist ziemlich schade für die Band, die nach wie vor überzeugend abliefert. Aber die Regenwolken kann selbst das Geschrei eines VALKENSTIJN nicht vertreiben, und so beschließen MOSAIC ihren Auftritt unter dem umbarmherzigen Prasseln und Rauschen des (gar nicht so unerwarteten) Wetterumschwungs. Schade!

Zwei Seiten einer Münze

Mich: BELORE stehen als Nächstes auf dem Plan. Schon nach Sekunden kommen Erinnerungen an das CÂN BARDD-Konzert vom ersten Tag hoch – und wen wundert’s! Die beiden Gruppen fahren schon einen sehr ähnlichen Sound und Stil. Interessant ist in der Hinsicht auch, dass beide innerhalb einer Zeitspanne von nur drei Jahren (2016-2019) ihr Debüt hatten und beide aus französischsprachigen Regionen kommen (BELORE aus Frankreich, CÂN BARDD aus der Schweiz). Es gibt also so einige Parallelen, und im Backstage wirkt es mittlerweile fast, als handelte es sich um eine einzige große Band, so viel hängen die zusammen ab.

Das Konzert jedenfalls steht dem der Schweizer in Atmosphäre absolut in nichts nach. BELORE aber gehen noch etwas mehr in Richtung Eingängigkeit, erinnern teils etwa an eine Real-Life-Version von SUMMONING. Dafür gibt es weniger musikalische Feinheiten und Abwechslung, und auch die richtig harten Parts vermisse ich ein bisschen. Dennoch ist es eine sehr genießbare Konzerterfahrung: Das Ambiente stimmt, der Sound hebt die wichtigsten Dinge hervor, und man sieht den Musikern an, dass sie wahrhaftig auf diesen Moment gefiebert haben und richtig Bock haben. Nette Dudes. Keep it up!

Eine neumodische Vikingerparty

Merlin: Es wird höchste Zeit für die Folk- und Pagan-Metaller von GRIMNER! Seit 2008 aktiv, haben die Schweden neben drei EPs bisher drei full-lenght-Alben veröffentlicht und spielen nun zu meiner Freude auf dem diesjährigen DARK TROLL FESTIVAL. GRIMNER sind für mich einfach ein Paradebeispiel für eine Gute-Laune-Band. Mit Flöte, Mandola und Dudelsack bringen sie Leben in den inzwischen regentrockenen Burghof und sorgen so nebenbei für den ersten (und einzigen?) Crowdsurfer des Tages. Die Flöte ist dabei durch das an ihr befestigte Mikrophon ungewöhnlich gut zu hören – fast übertönt sie die anderen Intrumente. Denn GRIMNER haben natürlich auch Gitarre, Bass und Schlagzeug am Start. Und natürlich ihre beiden Sänger, TED und MARTIN. Und die grölen sich selbstverständlich die Seele aus dem Leib.

Im Publikum startet erst ein Moshpit, dann ein Circle Pit. Die allgemeine Stimmung ist großartig, der Platz vor der Bühne mit Zuschauern gut gefüllt. Sänger TED verkündet allen seine Freude darüber, in Deutschland zu spielen. Und was soll ich sagen – GRIMNER verleihen dieser Freude mit ihrem gesamten Auftritt Ausdruck. Die Schweden feiern einfach eine (neumodische) Vikingerparty mit Schlagzeug und Gitarre, die ihresgleichen sucht. Die Zeit vergeht bei diesem Konzert wie im Flug. Zum letzten Song mit mitreißenden Flötentönen hüpft nochmal das ganze Publikum auf und ab. Mir brummt der Schädel von der vielen action, und so taumel ich mehr vom Innenhof, als dass ich laufe. GRIMNER sind einfach immer wieder ein dickes Highlight. Nur die Flöte darf beim nächsten Mal ein bisschen leiser sein…

Hypnose und Geballer

Mich: AGRYPNIE sind hier, um uns eine Runde ordentlichen sterilen Post-Black-Metal in die Gesichter zu donnern. Das klappt auch sehr gut, da die Bass Drum so viel Durchschlag hat, dass ich zuweilen das Gefühl habe, das Gehirn würde mir aus den Ohren geblasen. Damit will ich nicht mal sagen, dass es zu laut ist – für diese Art Musik ist alles genau richtig. Was mir noch auffällt, ist der Gitarrist. Es handelt sich um niemand anderen als Felix Weischer, vor allem auf Youtube bekannt als LYKANTHROP. Er hat schon so einige Black-Metal-Klassiker einfach mal auf allen Instrumenten und den Vocals gecovert, und seit 2021 ist er wohl auch offiziell teil von AGRYPNIE.

Gelegentlich kommt es sogar zum dreifachen Gitarreneinsatz, wenn Sänger TORSTEN auch zur Klampfe greift (er ist anscheinend Linkshänder). Das Ergebnis ist eine ebenso hypnotische wie gnadenlose Show, die mich so richtig in ihren Bann zu ziehen weiß. Dazu bei tragen nicht zuletzt „Schlaf“ und „Der Tote Trakt“, meine beiden All-Time-Favourites der Gruppe. Mächtiger Auftritt!

Mehr Vikingerparty

Merlin: Der Platz vor Bühne ist gerammelt voll, und es ist klar, dass jetzt ein Headliner spielen wird. Und dieser iiiiiist… OBSCURITY! Sie sind nicht das erste Mal auf dem DARK TROLL zu Gast und so, wie ich ihren Auftritt erlebe, wird es auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Aber der Reihe nach.

Wer OBSCURITY nicht kennt: Die Velberter spielen harten Pagan-Black-Death mit ordentlich Wumms. Es wird also wie wild geheadbangt – auf und vor der Bühne. Sänger MARK alias AGALAZ verkündet, dass sie auch auf dem ROCKHARZ spielen werden. Hey, jetzt kümmer dich doch erstmal um den Auftritt hier und jetzt! OBSCURITY stimmen alsdann „Glod En Isa“ von ihrem aktuellen Album „Skogarmaors“ an. Da geht’s schon wieder rund im Publikum.

Bei der nächsten Ansage von Sänger AGALAZ wird es allerdings schlagartig ruhig: Den nächsten Song „793“ widmet der Sänger einem vor kurzem verstorbenen Freund. Dazu kommen mehrere Krieger mit Wikingerschilden auf die Bühne und führen Kampfszenen auf. Die Bretter beginnen zu beben, kraftvoll rollt der Sound durch den Burghof und lässt die Mauern erzittern. Am Ende des Songs bleibt einer der Wikinger auf der Bühne stehen und feuert die Menge an („Hey, hey, hey!“) und schlägt dabei auf seinen Schild.

Sänger AGALAZ wiederum versucht sich nun an humoristischen Ansagen: „Jetzt kommt nochmal was langsames, eine Ballade!“ Fun fact: Es kommt wieder ein schnelles und ballerndes Stück („Naglfar“). Ich finde allerdings, dass OBSCURITY ihre Songs manchmal etwas abrupt enden lassen. Das gehört wahrscheinlich zum Konzept, taugt meinen Ohren aber nicht so richtig.

Zum Schluss bedankt sich AGALAZ dann nochmal ausdrücklich: Das DARK TROLL FESTIVAL sei für ihn Familie, er komme gerne noch 24(!) Mal wieder. Die Menge jubelt. Der letzte Song wird angestimmt: „Was uns bleibt.“ Und was uns in jedem Fall bleibt und sich OBSCURITY auch nicht nehmen lassen, ist die Zeit für eine Zugabe. Dafür kommt AGALAZ sogar extra von der Bühne runter zum Publikum geklettert. Zum abschließenden Applaus schrammeln dann nochmal alle Instrumente zusammen. OBSCURITY gehen mit einem Knall und ich fresse einen Besen, wenn sie nicht schon bald auf ein Neues das DARK TROLL FESTIVAL rocken werden.

Mal was neues

Mich: Was nun folgt, ist sogar für mich als frequenten Festivalgänger eine komplett neue Erfahrung: EMPYRIUM. Ich kannte im Voraus das ein oder andere Lied, doch wusste ich nie genau, was das Gesamtkonzept dieser Band eigentlich ist. Und tatsächlich werde ich in vielerlei Hinsicht überrascht: Auf der Bühne gibt’s eine Geige, akustische sowie elektrische Gitarren, Keyboard, Schlagzeug und ein – Hackbrett? Ich habe vor einigen Wochen zuerst ein solches Instrument gesehen (bei der Band PERCHTA), und nun gleich zum zweiten Mal. Außerdem befindet sich EVIGA, seines Zeichens Sänger von DORNENREICH, mit auf der Bühne – hier aber eher als Randfigur – und spielt Gitarre. Verwundern tut mich das vor allem, weil doch gerade die DORNENREICH-Tournee in vollem Gange sein müsste.

Aber was ist denn jetzt dieses mysteriöse Gesamtkonzept? Nun, einer ersten Analyse nach handelt es sich um ein Zusammenspiel aus sehr ruhigen Neofolk-Liedern (mit tiefen melancholischen Vocals) und zum Teil schon relativ schwerem Doom Metal. Insgesamt lehnt sich die heutige Musikerfahrung dabei sehr auf die ruhigere Seite, wird aber auch in härteren Momenten niemals von seinem melancholischen Unterton verlassen. Ich habe tatsächlich solche Klänge noch nie live gehört, und bin von erster Sekunde an gefesselt. Die funkelnden Augen der stummen Zuhörerschar um mich herum zeugen von einem ähnlichen Bann. Ein sehr schönes, wenngleich auch müde machendes Erlebnis. Nach dem Konzert gehe ich ins Bett und überlasse den Rest des Berichtes Merlin.

Ein (atmosphärisches?) Ende

Merlin: 2018 ist eine Band in der Atmospheric-Black-Metal-Szene eingeschlagen wie ein Meteorit: SPECTRAL WOUND mit ihrem zweiten Album „Infernal Decadence“. Die Kanadier haben ihre ganz eigene Ausdrucksweise. Dazu gehört auch, dass Sänger JONAH ähnlich J.J. von HARAKIRI FOR THE SKY bei Konzerten stets rastlos auf der Bühne hin und her rennt. Während er ins Mikrophon schreit, krümmt er sich zusammen, nur um gleich darauf mit wildem Blick den Kopf nach oben zu reißen. Diese beinahe wahnsinnig anmutende Ekstase wirkt gleichermaßen einschüchternd und mitreißend auf mich.

Mich: Mir hingegen kommt die mir bisher unbekannte Band alles andere als atmosphärisch vor. Bis auf vereinzelte Parts wirkt das Ganze doch sehr true und roh auf mich – ich bin allerdings von uns beiden nicht der Experte in dem Genre. Es geht ein solcher Druck von der Bühne aus, dass es mir durch all meine müden Glieder dringt, und ich muss sagen, dass ich das auch kurzzeitig wirklich genieße. SPECTRAL WOUND wurden von einigen meiner Mitcamper im Voraus schon in den Himmel gehyped, und jetzt kann ich auch verstehen, wieso. Diese Band ist übrigens so dermaßen trve und vndergrovnd, dass sie von ihrer EP genau EIN einziges Exemplar zum Verkauf mit aufs Festival gebracht haben. 

Irgendwann löse ich mich aber (wie an jedem Abend bisher – ich werde alt) aus der Masse, und lasse Black Metal Black Metal sein. Sobald ich in meinem Zelt bin, bereue ich das allerdings schon wieder, denn als letzten Song des Festivals covern die Kanadier EMPERORs „I Am The Black Wizards“. Dafür hätte ich schon gerne vor der Bühne gestanden, aber nun muss ich mich wohl damit zufriedengeben, mir das von meiner bequemen Luftmatratze aus anzuhören. So ein Pech. Gute Nacht.


Und damit war’s das auch schon. 

Ich hoffe, ihr hattet genau so viel Freude an diesem Festival wie wir, konntet die Atmosphäre der beleuchteten Burgruine und euren Black-Metal-Genuss genau so gut ineinander übergehen lassen wie wir, und habt genau so viel Bier vernichtet wie wir (oder zumindest ich). 

Auf’s nächste DARK TROLL FESTIVAL! Wir werden da sein – und auf euch warten.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Matthias Mayer (Dark Art) und St.Un.Photography.


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