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FIT FOR AN AUTOPSY im Interview
Im Mai stellten wir euch ihr neues Album als eine der Sternstunden des modernen Deathcores vor, jetzt haben wir FIT FOR AN AUTOPSY mit Fragen durchlöchern dürfen. Dafür stand uns vor ihrer Show am 03.08.2017 in Berlin die gesamte Band Rede und Antwort. Neben dem Inhalt ihrer Musik kamen wir auch auf europäische Festivals und deren Ansehen in den USA zu sprechen. Was die neue Scheibe „The Great Collapse“ für sie bedeutet und ob die Jungs es leid sind, mit GOJIRA verglichen zu werden, erfahrt ihr hier.
S.: Wie geht es euch denn, ihr seid jetzt schließlich schon eine Weile auf Tour unterwegs?
Pat (Gitarre): Uns geht es sehr gut und ja wir sind seit einer Woche auf dieser Tour. Aber davor waren es auch knapp sechs Wochen. Also technisch gesehen sind wir schon den Großteil des Jahres auf Achse.
S.: Zum neuen Album, wer schreibt dafür die Texte? Sind mehrere Leute involviert oder macht Will (Produzent und Gitarrist der Band) die gesamte Arbeit?
Pat: Den größten Anteil übernimmt Will (Anmerkung: Will Putney ist nie mit der Band auf Tour, weil er sein Studio in Jersey City betreut). Wir kommen dazu und tragen dann alle auf unsere eigene Art und Weise dazu bei. Joe (Gesang) schreibt zum Beispiel sehr viele der Gesangsmuster dazu und diskutiert die Inhalte mit ihm. Es gibt zwar immer dies und das, was wir explizit einbauen, aber die Hauptideen stammen immer von Will – er ist der Hauptbeteiligte.
S.: Und gab es da bei euch – als eine politisch motivierte Band – innerhalb je Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten darüber was gesagt wird?
„Blue“ (Bass): Nein, wir sind da alle auf der gleichen Wellenlänge.
Tim (Gitarre): Wir sind alle einer Meinung, wenn es darum geht, wo wir sozial und politisch stehen. So müssen wir glücklicherweise nie über viel diskutieren, höchstens über kleine, unwichtige Details.
Pat: Ja, nur bei den Details und beim Ausdruck, wie wir die Dinge in der Öffentlichkeit sagen wollen, wird diskutiert. Ich für meinen Teil bin immer etwas schroff und andere Leute drücken sich gewählter aus. Das eigentliche Anliegen lässt sich manchmal auf meine Art und Weise nicht übertragen. Also sind wir wahrscheinlich darauf aus wie wir es sagen, aber nicht was wir sagen.
S.: Vor einer Weile haben sich unsere Autoren auch gefragt, ob Musik politisch sein darf und dazu gab es natürlich starke Meinungen. Was würdet ihr dazu sagen, besonders darauf bezogen, dass im Deathcore-Genre viele Bands sich scheuen, ihre Meinung zu sagen?
Pat: Also, hier ist meine Sicht auf diese Dinge: Musik sollte sein, was auch immer du damit erreichen willst. Wenn man also eine politische Band sein will, muss man konsequent darauf eingehen dürfen. Dafür einen anderen Weg zu wählen, ist auch in Ordnung. Aber es ist generell sehr wichtig, dass die Reichweite und Plattform einer Band genutzt wird, um Gutes zu tun. Für FIT FOR AN AUTOPSY ist es von großer Bedeutung über Dinge sprechen zu können, die uns nachhaltig beschäftigen.
Tim: Da Musik eine Art des Ausdrucks ist, sollte man immer frei sein, sich auszudrücken, wie man es für angebracht hält. Und ich verstehe es auch zu einem gewissen Ausmaß, wenn Leute ihre Plattform nicht im positiven Sinn nutzen. Vielleicht ist es ihnen egal oder einfach nicht ihre Art. Aber aus meiner Sicht, wenn du eine Million Leute erreichen kannst, warum nutzt du es dann nicht für eine gute Sache?
S.: Ist die Band auch in weiteren politischen Aktivitäten engagiert und wie weit geht das in eure Privatleben hinein?
Pat: Wir arbeiten viel mit Wohltätigkeit und Spenden, zum Beispiel für syrische Flüchtlinge. Auf dem neuen Album gibt es einen Song („Black Mammoth“) für die US-amerikanischen Ureinwohner, die zur Zeit für Öl unterdrückt werden. Darum geht es auch in dem dazugehörigen Video und für die Vorbestellungen von „The Great Collapse“ gab es dazu eine Spendenaktion. Unsere Idee dahinter ist, den Worten Taten folgen zu lassen und zu helfen. Persönlich haben wir unterschiedliche Ansätze für den Umgang mit solchen Sachen. Als Band hingegen versuchen wir gemeinsam, mehr zu machen als nur darüber zu reden, Gutes zu tun. Das ist eine wichtige Angelegenheit für uns.
„Blue“: Wir glauben an das worüber wir reden. Dem verleihen wir mit Taten Rückhalt, sei es nun privat oder öffentlich als Band.
S.: Jetzt, wo wir das abgehandelt haben, lasst uns über die musikalische Seite reden. Wie passt das neue Album in eure Diskografie, fällt es aus der Reihe oder war es eine natürliche Weiterentwicklung?
Tim: Es ist Teil einer natürlichen Weiterentwicklung, die schon mit unserer EP („Hell On Earth“, 2009) damals begann. Von da bis zum Debüt-Album „The Process of Human Extermination“ waren die Einflüsse sehr ähnlich, die Ära war sehr extrem. Pat und Will haben damals das Meiste geschrieben und ihre Mentalität war sozusagen:
„Lasst uns harte Scheiße schreiben!“
Pat: Ja, wir wollten einfach nur einen Banger schreiben. Und mit dem nächsten Album ging der Prozess schon los. Damals war auch noch keines der heutigen Bandmitglieder in der Gruppe und Will und ich fingen trotzdem an, über das nächste Album zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt hörten wir dann andere Sachen als noch vor dem Debüt, waren mehr Musik ausgesetzt und die Bands, die wir bereits mochten, veränderten sich. Dadurch realisierten wir, dass wir mehr machen können. Dann kamen die neuen Mitglieder in die Band. Jeder begann unterschiedliche Elemente von dem, was er gerne hören möchte, einzubringen. Will ist sehr gut darin, die Vorschläge und Geschmäcker von jedem von uns zu vereinen. So kam alles auf eine sehr natürliche Art und Weise zusammen.
Von jedem Album zum nächsten gab es also aus meiner Sicht eine natürliche Entwicklung, die davon getrieben war was um uns herum passiert. Sowohl musikalisch als auch politisch und sozial. Es gab jedes mal so viele Emotionen von denen man sich nähren konnte. Kam Joe mit einem guten Text an, der aus seiner Traurigkeit entstanden ist, hat sich das im Songwriting widergespiegelt. Schließlich soll die Musik eine Einheit sein. Es kommen mit der Zeit andere Elemente vor, aber alles ist eine natürliche Entwicklung, solange man es nicht mit Absicht in die eine oder andere Richtung schiebt. Und ich glaube, dass wir eben das nicht machen, es passiert einfach für uns.
Es ist komisch, weil es hieß: „Hey, ihr klingt wie dies. “ und jetzt ist es: „Hey, ihr klingt wie das.“.
Tim: Natürlich! Weil, während die Jahre vergehen, wächst und verändert sich dein persönlicher Geschmack.
Pat: Ich meine verdammt, Josean hört mehr Classic Rock als alles andere, Joe mag ein bisschen mehr Pop und nicht so hartes Zeug, Tim steht eher auf Stoner Metal, „Blue“ ist ein Death-Metal-Typ, ich höre eher so GOJIRA und MASTODON.
Tim: Unsere interessante Mischung entsteht halt dadurch, dass wir alle aus unterschiedlichen Ecken kommen.
S.: Habt ihr für die Sachen, die euch inhaltlich in der letzten Zeit verändert haben, auch besondere Beispiele?
Pat: Jeder weiß, was gerade los ist. Wenn man kein Interesse dafür hat oder es nicht verfolgt, brauche ich darüber auch gar nicht reden. Wir kommen aus den USA, jeder kennt unsere politischen Probleme. In den Nachrichten ist es so offensichtlich, wie beschissen unser Land ist und mit was wir konfrontiert sind. Das Thema müssen wir gar nicht erst anschneiden, sondern für das hinnehmen was es ist – es ist halt Scheiße!
Tim: Was unser Land durchmacht ist zwar schlimm, aber das gilt auch für andere Länder. Dort ist es sogar schlimmer und trotzdem bekommt es nicht mal die Hälfte der Berichterstattung. Nur weil sie keine politische Supermacht sind, werden sie nicht beachtet. Alles was im mittleren Osten, Südamerika und so weiter passiert, ist genauso schlimm wie das bei uns vor der Haustür. Es passiert einfach überall, da ist es schon entmutigend, wenn die Leute nur über die USA reden können und wollen. Ich sage dann immer, dass andere Länder noch schlimmere Probleme haben als wir.
Pat: Kehr vor deiner Haustür, bevor du es vor meiner machst.
Tim: Wenn die Leute uns irgendwie aushelfen wollen ist das cool. Trotzdem sollten sie eher nach Venezuela oder Griechenland gehen. Wenn die Bevölkerung verhungert, weil die Regierung ihnen sagt, sie können zur Hölle fahren, ist das viel grotesker.
Pat: Einige dieser Missstände werden übersehen. Immer wenn etwas „Großes“ vor sich geht, muss man darauf achten, wovon man dann abgelenkt ist. Es gibt so viel mehr Konflikte auf der Welt, die vielleicht sogar aus den USA, Deutschland oder Großbritannien stammen und niemand kommt da hinterher. Nicht mal wir. Trotzdem ist der Versuch schon Gold wert.
S.: Ok, zu den Riffs: Ist der offensichtliche Vergleich zu GOJIRA ein Ergebnis ihres Einflusses auf euch?
Pat: Ich sage an dieser Stelle einfach nur danke. Danke, dass du unsere Musik mit der von GOJIRA vergleichst. Die Einflüsse kommen, wie gesagt, von überall und du sagst uns einfach ins Gesicht, dass wir dieser legendären Band würdige Riffs schreiben.
Tim: Das ist auch das schöne daran, die gesamte Welt als Band bereisen zu dürfen. Man hört so viel mehr Musik und arbeitet mit unterschiedlichen Bands, deren Herangehensweise man immer im Hinterkopf behält. Alle einzigartigen Stile die wir lieben, sei es der von GOJIRA, irgendeines Gitarristen oder eines Schlagzeugers, lösen in uns den Drang aus, besser zu spielen. Wir schauen für Inspiration zu diesen Musikern auf.
Pat: Manchmal schreibst du auch einfach und merkst nicht mal, wie krass es etwas ähnelt. Dann hörst du es direkt nebeneinander gestellt und erkennst es erst.
S.: Der große Anstieg der Albenverkäufe war ein immens positives Feedback. Was war eure erste Reaktion auf dieses Wachstum eurer Fangemeinde?
Pat: Wir waren einfach nur dankbar und sehr glücklich.
„Blue“: So viele positive Rückmeldungen im Vergleich zu wenig Kritik zu bekommen, war definitiv aufbauend.
Pat: Dass es bestimmten, nicht mal unbedingt einer großen Masse, Leuten so gut gefällt, erfüllt uns auch mit Demut.
Tim: Ja, da gab es bestimmte Personen, zu denen ich seit bestimmt 15 Jahren aufschaue, die uns persönlich gesagt haben, wie großartig unsere Band ist. Sogar der Live-Ton von Pat und mir wurde gelobt. Ich habe zum Teil meine Karriere um diese Leute aufgebaut und jetzt machen sie mir Komplimente.
Pat: In der Hinsicht ist das auch sehr stressig. Dadurch entsteht der Druck, das nächste Album noch besser zu machen.
S.: Im Booklet des Albums befindet sich die Aufforderung an den Hörer, Underground-Musik zu unterstützen. Früher habt ihr schon betont, dass ihr eher eine Einstiegsband für härtere und obskure Musik sein wollt. Ist das auch heute noch eure Stellung dazu?
Pat: Absolut, wir holen unsere Anteile aus so vielen unterschiedlichen Genres, damit Leute aus diesen Richtungen zu uns kommen und sich diesen Stilen öffnen. Ich hätte zum Beispiel nie NEUROSIS oder CONVERGE entdeckt, wenn ich nicht andere Bands gehört hätte, die einen ähnlichen Stil hatten. Das sind keine Radio-Bands, du musst sie irgendwie finden. Der Hörer ist immer dazu angehalten sich umzuschauen und zu graben. Das macht den Underground besonders!
„Blue“: Wir können uns glücklich schätzen, teil einer Szene zu sein, in der wir die stetige Entwicklung verfolgen können. Für Außenstehende ist die Zuhörerschaft vielleicht eindimensional, aber der Underground verändert sich ständig. Jetzt – nach 30 Jahren aggressiver und harter Musik – geht es immer noch weiter vorwärts. Die Evolution stoppt nie und das ist großartig.
Tim: Zudem können wir glücklich sein, in diesem Zeitalter Musik so einfach finden zu können. Als ich groß geworden bin, war die erste Anlaufstelle für neue Musik immer ein Plattenladen. Dort habe ich dann den Verkäufer nach einer Compilation CD mit ungefähr 20 ähnlich klingenden Bands gefragt. Und jetzt muss ich einfach nur auf Spotify meinen „Täglichen Mix“ öffnen und schon entdecke ich Gruppen, die ich nie zuvor gehört habe.
S.: Wir müssen auch mal über Shows reden. Ihr habt vor ein paar Tagen auf den Metal Days in einem Wald gespielt (unseren Bericht dazu findet ihr hier). Welche Orte und Bühnen würdet ihr gerne wieder oder zum ersten Mal betreten?
„Blue“: Europa gefällt mir gerade sehr gut.
Tim: Warum nicht einfach überall?
Pat: Also ich möchte zurück nach Puerto Rico.
Josean (Schlagzeug): Und da bleiben wir.
(Allgemeines Gelächter)
Pat: Er kommt aus Puerto Rico, deswegen ist ihm das ein besonderes Anliegen. Ansonsten ist Europa cool, besonders Schweden. Am liebsten würden wir die kleinen Clubs spielen, in denen AT THE GATES oder MESHUGGAH angefangen haben. Der Rest des Kontinents ist noch ziemlich neu und unentdeckt für mich, wir sind, wenn man alle Mitglieder zusammenfasst, bestimmt 25 Jahre durch die USA getourt. Unterwegs war ich also schon genug, aber FIT FOR AN AUTOPSY ist meine erste Band die hier öfter ist. Alles hier zu erkunden ist echt cool.
„Blue“: Die Leute hier sind echt leidenschaftlich an der Musik interessiert und sie wieder zu treffen ist ein Geschenk.
Pat: Wenn man beginnt Gesichter zu erkennen, fühlt man sich gleich ganz anders. Ich will einfach überall spielen, sei es für fünf Leute in Zürich oder für 1000 Laute in Wacken. Es interessiert mich nicht, ich will einfach nur an coolen Orten spielen – und mit „Blue“ abhängen.
S.: Wenn wir schon von Wacken, dem größten Metal-Festival weltweit, reden: Wie ist denn der Blick aus den USA auf europäische Festivals?
Pat: Die Bands sehen die großen „Eurofests“ wie einen Mathematik-Test. Er ist super schwer zu bestehen, doch wenn man ihn meistert, ist es so geil.
Tim: Sie sind das Ein und Alles für echte Metal Fans – so ungefähr werden sie jedenfalls gehandelt.
Pat: Besonders Wacken ist in der Hinsicht wirklich wichtig. In den Staaten versuchen die Veranstalter langsam solche Festivals wie Knotfest oder Chicago Open Air größer zu machen. Auch auf alternativen Festivals wie Lollapalooza wird Metal wieder relevanter und rutscht öfter in die Line-Ups.
S.: Ich kann mich an der Stelle gar nicht wirklich daran erinnern, aber habt ihr je Vans Warped Tour gespielt? Das ist ja eine der größten, jährlichen Tours in der alternativen Szene und in letzter Zeit gab es dort immer mehr Metal zu hören.
Tim: Ja, Warped Tour öffnet sich immer mehr den Metal Bands. In den vergangenen Jahren spielten immer mindestens zwei oder drei, trotzdem gab es nie eine Metal Stage. Dass es die jetzt gibt, ist unglaublich praktisch für Bands wie uns. Wir könnten einfach dahin gehen und mit Bands aus vollkommen anderen Genres touren.
S.: Das war es auch schon, wir haben weder Zeit noch mögliche Fragen übrig! Danke für eure Zeit und hoffentlich hören unsere Leser mal in das neue Album „The Great Collapse“ rein.
Pat: Danke für das Interview und die Unterstützung, wir sehen uns bei der Show!
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