Das Sägeblatt rollt bergab. WHITECHAPEL – Mark Of The Blade

WHITECHAPEL – Mark Of The Blade
Veröffentlichungsdatum: 24.06.2016
Dauer: 48:00
Label: Metal Blade Records

Ich hab mich nie für Deathcore interessiert. Daher ist dieses Review auch hier vorbei. Tschööööß!

Bands wie CARNIFEX, SUICIDE SILENCE oder andere Kapellen, die jugendliche Mädchen mit schwarz gefärbten Haaren und zu viel Kajal bevorzugt hören, haben größtenteils nie was mit mir gemacht.
WHITECHAPEL bildeten da seit jeher eine der wenigen Ausnahmen. Die Jungs schafften es irgendwie immer, mich zu packen. So beobachtete ich dann auch mit Wonne, dass sich der Sechser aus Knoxville, Tennessee immer weiter dem (technisch angehauchtem) Death Metal öffnete und damit eine ähnliche Entwicklung durchmachte wie JOB FOR A COWBOY oder THE MODERN AGE SLAVERY.
Mein persönlicher Höhepunkt dieser Entwicklung stellte dann das 2012 erschienene selbstbetitelte Album dar, auf welchem sich die Amis sowohl in kompositorischer als auch in spielerischer Bestform befanden.

„Mark Of The Blade“ ist nun das bereits sechste WHITECHAPEL Album.

Was erwartet uns? Und wer ist eigentlich dieser Mark?

Das neue Werk ist ein düsterer Brocken. Was allerdings auch heißt, dass es über weite Strecken arm an Melodien ist, die mir hier und da fehlen. Darüber hinaus wirkt dieses Album irgendwie deutlich stumpfer als die Vorgängerwerke.

So rauschen die ersten drei Songs erstmal an einem vorbei, ohne dass irgendwas herausstechen würde, was man nicht schonmal so, oder so ähnlich, gehört hätte.
Erst der vierte Song „Bring Me Home“ lässt einen aufhorchen und überrascht mit genau dem Klargesang, über den im Vorfeld schon viel spekuliert und hergezogen wurde. Technisch ist der Gesang gut gemacht, nichts anderes hätte man von Phil Bozeman erwartet! Die Passagen, die hier clean vorgetragen werden, erinnern von der Machart her an A PERFECT CIRCLE, könnten aber auch auf ein STONE SOUR Album passen. Einer der wenigen starken Songs der Platte!

Knoxville, da wo die schönen Bengels wachsen

Obwohl die clean vocals überraschenderweise überzeugen, wirkt es, als hätten sich die Jungs nicht dazu durchringen können, diese verstärkt und konsequent einzusetzen.

Wenn man ein Stimmenungetüm wie Phil am Mikro beschäftigt – der für die ungeahnten Tiefen, in die er vordringen kann, bekannt ist – ist es sicherlich ein großer Schritt, sich aus der altbekannten Komfortzone heraus zu bewegen.

Dennoch sind WHITECHAPEL meiner Meinung nach an einem Punkt angekommen, an dem sie genau dies tun müssten. Hier nun besteht die Möglichkeit, die volle dynamische Bandbreite dessen, was Stimmbänder zu leisten im Stande sind, auszureizen. Die Jungs haben zweifelsohne das Potential dies zu nutzen und in der Konsequenz gute Songs zu schreiben, die mit Spannungsbögen versetzt sind. Nur leider gelingt ihnen das auf „Mark Of The Blade“ kaum. Dabei sind die beiden Stücke, in denen Phil clean singt, („Bring Me Home“,  „Decennium“) so ziemlich die stärksten des Albums!

Für manche hat der qualitative Abstieg schon nach „A New Era Of Corruption“ begonnen. Dem kann ich bedingt zustimmen, konnten mich doch schon auf dem 2014er Output nur einige wenige Songs mitreißen. So wirkt „Mark Of The Blade“ bei 11 Songs und 48 Minuten Spielzeit sehr langatmig. Versteht mich nicht falsch: ich erwarte von WHITECHAPEL kein lupenreines Death Metal-Album. Allerdings hab ich hier das Gefühl, dass die partielle Rückkehr zu Deathcore-Elementen weniger am Puls der Zeit ist, als es den Jungs möglich wäre. Mittlerweile können sie deutlich mehr, als Breakdowns auf Gitarren zu spielen, die auf Y runtergestimmt sind. Nur leider zeigen sie das hier nicht.

So stellt das sechste Album das für mich bislang schwächste dar. Objektiv betrachtet ist das hier immer noch gut gemachter, moderner Metal. Jedoch wird dieser wohl sofort aus Ohr und Laufwerk verschwinden, sobald dieses Review fertig getippt ist.

Facebook

Website

Autorenbewertung

3
Whitechapel zeigen, dass sie durchaus noch Ideen haben, die sie jedoch konsequenter ausführen sollten. „Mark Of The Blade“ enttäuscht leider auf weiter Strecke, nicht, weil es eine maßlos schlechte Platte wäre, sondern weil man von den Jungs weiß, dass sie soviel mehr können.
ø 3.2 / 5 bei 8 Benutzerbewertungen
3 / 10 Punkten

Vorteile

+ Whitechapel trauen sich was Neues und integrieren cleanen Gesang in ihre Songs
+ Genau diese Songs stimmen auch kompositorisch am ehesten
+ Gute, knackige Produktion

Nachteile

- So gut wie nichts bleibt im Ohr
- Schwache Songs, denen es an Eigenständigkeit, Innovation und Spannung mangelt

Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über Patreon
Die mobile Version verlassen