Deep Sound City 2017 – Es kracht der Amp
Indoor-Festivals sind in unserer heutigen Szene nicht wegzudenken. Schlechtes Wetter kann einem egal sein, der Sound ist in vielen Fällen besser, da viele Locations für Outdoor-Festivals eine Herausforderung an die Tontechniker stellen und die sogenannte „Klub-Atmosphäre“ bleibt (je nach Größe des Events) größtenteils erhalten. Vom 22. bis 23. September habe ich dem DEEP SOUND CITY FESTIVAL einen erneuten Besuch abgestattet, um altbekannte Künstler und viele Interpreten aus dem Underground zu erleben.
FREITAG
Für ein Festival untypisch, wurde der Start auf 22 Uhr festgelegt. Allerdings stellt das nur teilweise ein Problem dar (Bands müssen bis spät Nachts auf ihren Auftritt warten), schließlich treten heute nur 3 Bands auf. Den Anfang machen die Leipziger GOAT EXPLOSION, welche durch diverse Zweitbands und das Leipziger Kollektiv INTO ENDLESS CHAOS einen guten Ruf in Szenekreisen genießen. Das erste Mal habe ich die Formation im Turm (Halle/Saale) mit MANILLA ROAD erleben dürfen. Für mich gab es damals noch Kritik am Gesang zu verkünden und umso mehr bin jetzt auf das nächste Erlebnis gespannt.
Bei halbvollem Konzertsaal legen GOAT EXPLOSION mit einer recht eigenen Mischung aus Doom und Heavy Metal zu wuchtigem Sound gut vor.
Jedes Instrument ist über die gesamte Spielzeit gut zu hören und wird durch die kraftvolle Spielweise des Schlagzeugers ergänzt. Zu Beginn ihres Sets sind die Gäste noch ein wenig verhalten, aber schließlich handelt es sich um die erste Band am Abend. Und je mehr sich GOAT EXPLOSION durch ihr Set ackern, desto mehr Köpfe nicken selig zu dem melodiösen Gesang und den knarzigen Gitarren. Zwischendurch wird es auch ruhig, als Sänger Basti in Begleitung seiner Gitarre die Hälfte eines Songs intoniert. Den krönenden Abschluss bieten dann die Sachsen in Form eines Songs, der deutlich von COLOUR HAZE beeinflusst wurde.
Die Ziehsöhne von Electric Wizard
45 Minuten später folgt die erste Umbaupause. Die meisten Leute sitzen gemütlich am Feuer, während drinnen einige ihrer Lust nach Kicker oder einem gemütlichen Plausch frönen. Was dann folgt, hätte ich durch das vorherige reinhören der nächsten Band nicht geglaubt. CONFUSION MASTER legen mit klatschfetten Riffs los und sofort werden die Kenner des härteren Dooms bedient. Die simple, aber äußerst effektive Bedienung der Instrumente zündet schnell und auch der leidende Gesang findet regen Zuspruch. Dieser wird zwischendurch in Growling abgewandelt, was zum Gesamtpaket von CONFUSION MASTER gut passt.
Das Ganze wirkt so gut, dass die Rostocker erstaunlich nahe nach dem Überalbum „Dopethrone“ von ELECTRIC WIZARD tönen. Für manchen vielleicht zu nahe, aber ich finde, dass es sich hier mitnichten um einen billigen Klon handelt. Erst recht nicht, wenn eine Band nach einem Demo schon so gut klingt. Dafür sorgen unter anderem auch die leichten Einflüsse von CHURCH OF MISERY. Mittlerweile ist der Konzertraum gut gefüllt und lässt sich von den zähflüssigen, durchaus einlullenden Riffs überzeugen. Insgesamt eine starke Vorstellung und eine Darbietung aus dem Bilderbuch, wie Doom zu klingen hat: sumpfig und versifft.
Ohne Gitarre
Zeit sich ein Getränk zu holen, denn die Kehle dörrt bei dem ganzen Rauch und den Temperaturen ja doch schnell aus. Und während sich einige Gäste
das Demotape von CONFUSION MASTER für läppische 5 Euro unter den Nagel reißen, verpasse ich doch fast den Beginn vom Headliner. BEEHOOVER spielen aber zum Glück erst seit circa 30 Sekunden, also noch alles im Lot. Das Duo aus Stuttgart lässt sich für einen Neuling gar nicht so recht kategorisieren. Irgendwo zwischen progressiver Schrägheit, wütendem Sludge und Noise-Ausbrüchen könnte man BEEHOOVER verzeichnen. Wäre aber zu einfach. Die Kerle legen mit ihrer Performance alles auseinander. Ohne Gitarre, denn es braucht lediglich einen Viersaiterbass und ein Schlagzeug.
Dazu wechseln sich Ingmar und Claus mit dem Gesang ab, der an kauziger Darbietung und wüstem Geschrei nicht zu überbieten ist. Die Spielzeit wird mit Material von allen Alben gefüllt und schnell entsteht Bewegung vor der Bühne. Dabei ist es auch optisch sehr ansprechend, wenn man den Blick auf das seitlich positionierte Schlagzeug und die vielen Effektgeräte vom Bass wirft. Circa 75 Minuten lang wird eine Abrissbirne vor den Latz gezimmert und zum Schluss gibt es noch eine Zugabe („The Sun Behind The Dustbin“). Mit den Worten „Und danach gehen alle ins Bett“ verabschieden sich BEEHOOVER gegen 2 Uhr nachts.
Feierabend. Ich ergattere noch ein Buch, dass der Schlagzeuger von BEEHOOVER verkauft (lesenswerte Anekdoten aus dem Tourleben) und
dann geht es noch an den Tresen.
SAMSTAG
Der zweite Tag steht ganz im Zeichen der bewusstseinserweiternden Musik aus der Hippiära. Dachte ich zumindest. 20:30 Uhr spielen PARADISE CHAUFFEUR SERVICE vor (immerhin) 40 Leuten. Dieser Umstand freut mich sehr. Ist heute ja nicht mehr Standard, dass so viele Menschen sich um diese Uhrzeit vor eine Bühne bequemen. Jedenfalls gefallen mir die (ab und an) schwermütigen Songs sehr. Selbst bei den dröhnenden Eruptionen an Gitarre und Bass, die frappierend an COLOUR HAZE erinnern, wirkt das Gespielte in sich ruhend. Da braucht es auch keine Ansagen zwischendurch.
Gegen halb zehn betreten ZEMENT die Bühne und zocken eine krude Mixtur aus angenehm monotonen Tönen, die durch eine Loop-Station zu einem großen Puzzle zusammengefügt werden. Ist zwar kein Metal oder Rock, aber doch ziemlich interessant. Auch bei ZEMENT wird bewusst auf
Musikerüberschuss verzichtet. Drums, Gitarre und Synthesizer reichen da vollkommen aus. Das zieht natürlich viele Gäste an, die tiefenentspannt zu den Liedern tanzen. Schmunzeln muss ich auf jeden Fall bei den Titelnamen ihrer Setlist (unter anderem „Gips“, „Kalkstein“).
Tja und gegen 23 Uhr kommt dann mein persönliches Highlight. GIÖBIA aus Italien sind für viele Anwesende der klare Headliner. Zu dickem Geblubber aus dem Rickenbacker-Bass gesellen sich herrlich verdrogte Riffs und völlig verhallter Gesang. Auch das Synthesizer wird wieder bedient und Frauengesang gibt es zwischendurch auch noch.
Zeitverlust im Nebel
Optisch ist aber nach kurzer Zeit nichts mehr zu erkennen. Die Musiker werden von einer alles verschluckenden Nebelwand verschleiert, sodass sich nur erahnen lässt, wer auf der Bühne steht. Naja, dann sieht man eben nur Nebel, der sich durch die Scheinwerfer verfärbt. Ich für meinen Teil genieße, wie alle anderen auch, die bockstarke Performance aus 60er Psychedelic und drückendem Stoner. Da braucht es noch ein paar Minuten, als die GIÖBIA ihren Gig beenden und ich durch völligen Zeitverlust realisiere, wie schnell der Auftritt vergeht. In der Tat berauschend.
Durch eine ausgedehnte Umbaupause ist es spät geworden. VIBRAVOID legen sehr spät los (0:50) und verzichten auf einen Bassisten. Dafür treten sie mit Hammondorgel auf. Das Trio bespielt zum zweiten Mal die Bühne des DEEP SOUND CITY Festivals und auch dieses Mal haben die Musiker richtig Lust auf den Gig. Fast 2 Stunden lang bieten sie eine schweißtreibende Reise in die Vergangenheit und beweisen, dass Psychedelic Rock auch heute noch lebendiger ist als zuvor. Ich bin mir sicher, dass sie damals schon den Leuten gefallen hätten.
Fazit
Laut eigenen Angaben haben am Freitag circa 160 Leute und am Samstag 250 Gäste das DEEP SOUND CITY Festival besucht. Das ist ein großer Zuspruch für diese Art von Musik und hoffentlich wird es beim nächsten Mal genauso schön und entspannt. Ich bedanke mich herzlich bei Halleluja Stoner, Mez, ohne den es keine Bilder für Samstag gegeben hätte, dem Hühnermanhattan und allen Leuten, die dafür gesorgt haben, dass diese 2 Tage so reibungslos und großartig gelaufen sind.
Deep Sound City Festival Homepage
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