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Der Untergang des Kiez ist nah – Gentrifizierung im Fokus

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Gentrifizierung.

Ein Wort, mit dem du sicher noch nicht oft zu tun hattest, wenn du nicht gerade in einer betroffenen Großstadt wohnst oder in der Immobilienbranche tätig bist. Bis vor wenigen Jahren war auch mir dieses Wort fremd, doch dann zog es mich nach Leipzig. Nahezu jeden Tag hatte ich hier die Wahl zwischen mehreren Konzerten in den verschiedensten Lokalitäten. Dieses Blatt hat sich allerdings zum Negativen gewendet.

Immobilienoligarchen haben rasch entdeckt, dass hier ordentlich was zu holen ist und schwangen ihr Zepter in den Kiezen der Stadt. Klar, auch in Leipzig herrscht Mangel an Wohnraum, doch was diese miesen Typen treiben, schafft keine Abhilfe. Ganze Parks werden niedergewalzt, Kneipen geschlossen und besetzte Häuser geräumt, um Wohnhäuser entstehen zu lassen, in denen der Wohnraum „günstige“ 14 € pro Quadratmeter kostet.
Grund für mich, das Gespräch mit Niebe zu suchen, einer der wohl bekanntesten Nachteulen der Stadt!

S: Grüß dich, Niebe. Schön, dass du dir Zeit nimmst, mir ein paar Fragen zu beantworten. Stell dich doch bitte kurz vor und sag mir, warum gerade du der richtige Typ bist, um mir die Fragen zum Thema Gentrifizierung zu beantworten.

Niebe: Ich grüße Dich! Ich bin der Niebe aus Leipzig. Organisiere seit den frühen 2000er Jahren Partys, Konzerte und Festivalveranstaltungen. Früher privat, inzwischen auch für eine Firma in verschiedenen Bereichen. Ich bin DJ, Booker der „Metalheadz“ und kleinerer Projekte. Ich habe in dieser Stadt viele Clubs, Locations und Kneipen kommen und gehen sehen. Die wenigsten davon waren pleite. Die meisten wurden einfach verdrängt oder mit üblen Methoden zum Aufgeben gezwungen. Das ist kein exklusives Problem für Metalbars allgemein. Das kann jede Kulturform treffen, wenn die Stadt boomt und der letzte Hillbilly herzieht, weil RB gut spielt, die Oper schön ist, Porsche einen Job bietet oder der Stadtteil so sauber ist. Nur ist es für „uns“ mittlerweile verrückt, was diese Szene die letzten 10 Jahre einstecken musste.

ANTLERS – schon mit einem Bein dem Leipziger Underground entwichen!

S: Als ich vor 5 Jahren nach Leipzig zog, war die unglaublich aktive Rock- und Metalszene einer der Gründe für den Umzug. Glaubst du, dass die momentane Entwicklung die Szene langsam aussterben lässt?

Niebe: Auf keinen Fall! Vor allem hier in dieser Stadt wohnen Leute, die das nicht zulassen, immer wieder aufstehen, Nischen und Orte suchen. Ich kenne keine so vernetzte Metalszene wie die in Leipzig. Das Locationproblem wird sich regulieren oder halt etwas raus aus der Innenstadt verlagern. Die unglaublich vielen guten Bands und diese Masse an aktiven Hart-Kern-Fans bekommt erst mal keiner platt.

„Die Bands sind stabil.“

S: Nicht nur für Konzertgänger wird es in Leipzig immer schwieriger. Ich habe das Gefühl, dass sich im Leipziger Underground so viele Bands wie nie zuvor tummeln. Denkst du, dass dieser Pool an Bands aufgrund mangelnder Auftrittsmöglichkeiten irgendwann leerlaufen könnte?

Niebe: Nein, das glaube ich nicht. Die größeren Undergroundbands haben inzwischen auch volle Kalender mit Gigs von außerhalb. Ich glaube fast, dass das größere Problem die Masse an kleinen Konzerten ist. Da sind halt auch immer wieder Konzerte dabei, die sinnlos Bands und Fans verbraten. Ohne Herz und Liebe zur Musik und Veranstaltung. Teilweise kein Gespür für Eintrittspreise, Locationwahl oder Grundstimmung. Das macht vieles kaputt. Die Bands sind stabil.

S: Hast du dich schon einmal mit Kneipern oder Konzertveranstaltern aus anderen betroffenen Städten kurzgeschlossen und nachgefragt, wie die mit der Situation umgehen?

Niebe: Ich bin super vernetzt in anderen Großstädte und zu vielen Veranstaltern. Berlin hat schwere Probleme mit diesem Phänomen. Besonders das „Brutz und Brakel“ hat es mehrfach getroffen und auch deren Festival und alte Kneipe ausgelöscht. Ansonsten gibt keine vergleichbaren Probleme in dieser Masse, die uns so ein Loch ins Herz schießen.

Leipzig kann nicht nur Black, sondern auch Heavy – TENSION

S: Ihr habt jetzt gerade erst das „Fuck Gentrification Festival“ im 4rooms veranstaltet. Das war eine sehr bekannte und traditionsbehaftete Location in Leipzig, die nun auch für immer ihre Pforten geschlossen hat – ebenfalls verursacht durch die Gentrifizierung. Glaubst du, dass ihr damit ein Zeichen an Investoren senden konntet?

Niebe: Investoren interessiert das nicht! Denen geht es nur ums Geld. Ich glaube eher, dass das Festival die Leipziger Szene und unsere Bewegung stabilisiert hat und eventuell auch ein positives Zeichen an die Presse, Lokalpolitik, Locations und Anwohner gesendet hat.
Wir haben ganz bewusst extrem transparent und öffentlich gearbeitet und daran appeliert, „uns“ von der besten Seite zu zeigen. Das hat eine unfassbare Aufmerksamkeit erregt.

„Schwarz oder blau ist der Untergang der freien Kultur.“

S: Hast du irgendwelche Pläne im Kopf, die die Gentrifizierung in Szenevierteln noch stoppen, oder wenigstens verzögern könnten?

Niebe: Das würde den Rahmen sprengen. Wichtig ist, die Ursachen zu kennen. Ich für meinen Teil lehne Sachen ab, die die Gentrifizierung fördern und supporte den Kiez, die Underground-Kultur und lokale Händler. Auch das Kreuz zur Wahl ist wichtig. Es gibt Parteien, die das Problem auf dem Schirm und keinen Bock drauf haben. Schwarz oder blau ist der Untergang der freien Kultur. Wer das nicht versteht ist, hirntot.

S: Ich danke dir für deine Offenheit und drücke uns Leipzigern die Daumen, dass uns weitere Tiefschläge erspart bleiben. Du hast das letzte Wort!

Niebe: Ich danke dir! Ich danke allen, die unsere Ideen mit unterstützen. Das ist nicht selbstverständlich.

„Metal Will Never Die!“

 

Niebes letzten Satz finde ich sehr wichtig. Oft wird „Metal Will Never Die!“ nur so dahergesagt, doch beim Thema Verdrängung aus den Szenebezirken der Stadt erlangt er ungeahnte Wichtigkeit. Wir müssen zusammenstehen, um die Kieze wieder zu dem zu machen, was sie sind und nicht zu dem werden lassen, was Immobilieninvestoren daraus machen wollen!


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2 Kommentare

  1. minusLik
    26. Februar 2018 bei 0:32 — Antworten

    Sehr schwaches Interview. Was soll ich als geneigter Leser jetzt daraus mitnehmen? Ein »Niebe« schwadroniert über eine Bedrohung, nämlich die bösen, bösen »Investoren«, die Kneipenwirte aus ihren Gebäuden ekeln, und bleibt dabei erstaunlich vage – nicht nur werden die »üblen Methoden« nicht erwähnt (sind das Mafia-Methoden á la »schöne Kneipe haben Sie da, wäre ja schade, wenn …«? Vermummte SEK-Beamte mit Schießprügeln? Frisch abgetrennte Pferdeköpfe im Bett?), auch die Frage nach Gegenmaßnahmen führt bloß zu einem »das würde jetzt den Rahmen sprengen«. Dazu noch einige Erwähnungen, dass die Bands ja auch woanders spielen, aber die Veranstalter dort es nicht ganz so drauf haben wie Niebe.

    Aber halt, was ist diese »Gentrifizierung« eigentlich? »Ein Wort, mit dem du sicher noch nicht oft zu tun hattest, wenn du nicht gerade in einer betroffenen Großstadt wohnst oder in der Immobilienbranche tätig bist [oder linke Medien rezipierst]. Bis vor wenigen Jahren war auch mir dieses Wort fremd, doch dann zog es mich nach Leipzig [und jetzt weiß ich, was das ist].« (Ergänzungenen von mir.) Glückwunsch. Nur: Wer noch? Von einem Artikel, der die Worte »im Fokus« im Titel führt, hätte ich eigentlich mindestens erwartet, dass der Begriff »Gentrifizierung« so auführlich erklärt wird, bis auch das letzte Landei in seinem Eigenheim geschnallt hat, dass die Gentrifizierung im Prinzip den Vorgang beschreibt, dass Stadtteile dadurch »aufgewertet« werden, dass ein Investor (i. d. R. eine Firma) Gebäude aufkauft, luxussaniert und dadurch die Mieten bzw. Lebenshaltungskosten dermaßen in die Höhe treibt (die erwähnten 14€/m²), dass die alteingesessenen Mieter sie sich nicht mehr leisten können und Platz machen für junge Hochqualifizierte (sog. »Yuppies«) mit dicker Brieftasche und luxuriösem Lebensstil (an dem man auch wieder verdienen kann). Wie das aussieht, sieht man in South Park Staffel 19. Und dann könnte man lesen, wie dagegengehalten werden kann, es würde auch nicht den Rahmen sprengen, denn das Interview wäre jetzt schon recht lang.

    Enttäuschend.

  2. Lodenschwein
    25. Februar 2018 bei 11:28 — Antworten

    Konzert/Location sterben Debatte die 1000-uuuuund Äktschn!

    Mal wieder ein Laden der zumacht, mal wieder eine Band die sich auflöst.
    So what, ich höre seit 20 Jahren Metal und konnte stets meinen Durst nach konzis und Bands stillen. Ich vermisse weder etwas noch wünsche ich mir was dazu. Angebot und Nachfrage-der Markt reguliert sich oder wird reguliert.
    Scheiss egal! Es geht immer weiter. Weder diese Debatte noch Bürgerbündnisse verbessern das. Ich seh das prakmatisch!
    Gestern hier und morgen da, na und ?
    Ja schon klar-der Spirit geht verloren! Pfffff was für ein Bullshit. Als hätten Leute unseren alters 25-40 jemals diesen Spirit vernommen der da so oft eingeklagt wird.

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