Deutschland, deine Festivals – #07.2: Schleswig-Holstein II

Festivals im Frühjahr, Herbst und Winter mögen ja eine nette Sache sein, doch das wirklich rege Festival-Treiben spielt sich im Sommer ab. Dasselbe gilt auch für Schleswig-Holstein: Sieben Festivals im Zeitraum Oktober bis Mai stehen sieben Festivals in den Sommermonaten Juni bis September gegenüber. Mit Freuden präsentiere ich euch die Open Airs des Nordens – und eins kann ich euch versprechen: diese haben es in sich!

 

Das ultimative Flaggschiff: Wacken Open Air

Wer beim Ausbleiben DES Metalfestivals schlechthin letzte Woche mit plötzlich eintretender Schnappatmung zu kämpfen hatte, kann jetzt beruhigt durchatmen. Das Flaggschiff Schleswig-Holsteins ist zeitgleich das Flaggschiff Deutschlands, wenn nicht sogar ganz Europas. Nicht nur Metalheads ist das Wacken Open Air ein Begriff. Selbst die 80-Jährigen, schimpfenden Greise im hinterletzten Dorf dürften mittlerweile vom größten Festival Deutschlands gehört haben. Entstanden ist das Anfang August stattfindende Wacken Open Air im Jahr 1990, bot damals sechs Bands eine Bühne und lockte 800 Besucher an. 1992 war man schon bei 26 Bands und 3.500 Besuchern angekommen; von da an gab es kein Halten mehr: vor zehn Jahren erfolgte der erste Ausverkauf bei 72.000 Besuchern, mittlerweile ist das Festival bei ca. 85.000 Gästen und über 150 auftretenden Bands auf unzähligen Bühnen angekommen.

Wer in Wacken spielt? Die Frage sollte lauten: Wer nicht? Beinahe jede größere Metalband, die etwas auf sich hält, ist schon einmal Teil des Spektakels geworden. Und auch bedeutende Bands wie RAMMSTEIN, die sich nicht im reinrassigen Metal-Bereich bewegen, schaffen es immer wieder auf das Festival. Daneben geben sich natürlich auch die Ikonen unseres Zeitalters die Ehre. IRON MAIDEN, SLAYER, MOTÖRHEAD und viele, viele weitere haben es sich nicht nehmen lassen, die gigantischen Menschenmassen mit ihrer Musik zu beschallen. Ein Ende ist nicht in Sicht, stattdessen stellt sich eigentlich nur eine Frage: Wie groß kann dieses Festival denn noch werden?

Ab ins Kühlhaus: Breeding Festival

Kontrastprogramm! Nach dem größten und ältesten Event des Schleswiger Festivalsommers, stelle ich euch nun das kleinste und jüngste der heutigen Ausgabe vor. Vor fünf Monaten, im September 2016, erblickte das Breeding Festival im Kühlhaus Flensburg das Licht der Welt. Mit dem Ziel, die etwas eingeschlafene Flensburger Metalszene wieder wachzurütteln, veranstaltete man das zweitägige Breeding Festival Vol. 1 und zog dabei insgesamt 300 Besucher vor die Bühne. Die Konzerte spielen sich im Innenbereich des Kühlhauses ab, während der restliche Festivalbetrieb im Gartenbereich stattfindet.

Das Billing des noch jungen Festivals besteht aus überregionalen Bands und solchen, die aus Flensburg stammen. Die 15 Bands der letzten Veranstaltung sind hauptsächlich Vertreter des Metalcore, Hardcore und Death Metal. Daneben waren auch einzelne Bands aus den Bereichen Heavy Metal, Grunge, Hardrock, Stoner und Alternative mit dabei. Beispielhaft für auftretende Bands lassen sich CRY MY NAME, HYDROPHOBIC, DECLARE YOUR FUNERAL, ANIME TORMENT und METHODS OF MASSACRE anführen. Und weil die Resonanz von Bands und Besuchern so positiv war, fassen sich die Veranstalter ein Herz und machen weiter – mit Vol. 2 am 08. und 09. September 2017.

Die alte Schule: Headbangers Open Air

Als reines Oldschool-Festival sieht sich das Headbangers Open Air in Brande-Hörnerkirchen bei Itzehoe. Alt ist übrigens das richtige Stichwort, handelt es sich doch um das zweitälteste Festival Schleswig-Holsteins, gleich nach dem Wacken Open Air. 1998 wurde das Festival als Sommerfest des Ballroom Hamburg veranstaltet, wurde anschließend jährlich fortgesetzt und feiert dieses Jahr das Jubiläum zum 20. Headbangers Open Air. Als Gelände dient ein ehemaliger, teils abgebrannter Bauernhof im Grünen, zum Campen halten umliegende Wiesen her.

Was genau macht das Festival eigentlich so „Oldschool“? Die auftretenden Bands, respektive ihre Genres: Wer Power, Speed, Thrash, NWoBHM, Hardrock und Doom spielt, ist auf dem Festival gern willkommen. Vehement abgelehnt wird hingegen alles, was mit Nu, Core, Alternative, Black oder ähnlich von den Wurzeln entfremdetem Zeug zu tun hat. Die Erlaubnis zum Spielen erteilt, bekamen in den letzten Jahren u.a. ARMORED SAINT, SACRED REICH, D-A-D, DEATH ANGEL, WARLORD und GRAND MAGUS. Und auch dieses Jahr wird mit Truppen wie LOUDNESS, SANCTUARY und PRETTY MAIDS wieder einiges geboten. Fans der „klassischen“ Metalgenres sollten ernsthaft in Erwägung ziehen, das Jubiläum des Headbangers Open Air Ende Juli auf ihre Agenda zu setzen und sich zu den 1000 bis 2000 anderen Besuchern zu gesellen.

Zehn Bands auf zwei Bühnen: Meltdown Festival

Zwei Bühnen bei zehn auftretenden Bands? Braucht man das? Vielleicht nicht unbedingt, aber einem entspannten Umbau ist das ungemein förderlich. Das eintägige Meltdown Festival, das Anfang September stattfindet, begann 2012 in Schleswig mit einer Bühne im Indoor- und einer Bühne im Outdoorbereich. 2016 erfolgte zur fünften Auflage der Umzug nach Schuby und gleichzeitig die Transformation zum reinen Open Air mit zwei Bühnen an der frischen Luft. Einmal mehr ist das Ziel der Veranstaltung, die Metalkultur im Underground etwas anzukurbeln und als eher lokales Festival angesehen zu werden.

Mit dabei sind dementsprechend immer einige Bands aus der Region, aber auch zunehmend häufiger solche aus dem Ausland. Man versucht, ein gemischtes Programm aufzufahren, das verschiedene Genres bietet, von Heavy, Power, Black, Death, Speed und Thrash Metal bis hin zum Hardcore und Punk. Auch NEGATOR, PARAGON, BLIZZEN, BIO-CANCER und CROSSPLANE waren schon mit von der Partie. Das 6. Meltdown Festival steigt am 02. September 2017, wenn wieder etwa 1000 Besucher erwartet werden.

Rock im Wikingerland: Baltic Open Air

Das Baltic Open Air bildet das zweitgrößte Festival des Landes. 2011 begann das Open Air als eintägiges „Classic-Rock-Festival“ mit fünf Künstlern und warb mit dem Auftritt von JOE COCKER. 2012 durften dann immerhin schon DORO und TORFROCK ran; seitdem bietet das Festival jedes Jahr einige Namen mehr, die auch in der Metalszene einigermaßen bekannt sind. Alles in allem handelt es sich trotzdem eher um ein Rockfestival, das lediglich einen leichten Einschlag in Richtung Metal aufweist. Das Konzept geht auf, kann die seit 2013 über zwei Tage stattfindende Veranstaltung mittlerweile über 10.000 Besucher aufweisen. Aufgrund des Andrangs zieht die Veranstaltung dieses Jahr zum Wikingerland Hadeby um, um noch mehr Besuchern Platz bieten zu können.

Viele der Ende August auftretenden Bands spielen Rock ´n´ Roll, Heavy Rock und Ähnliches. Daneben finden auch einige Bands der „leichteren“ Metalgenres Platz und bieten so für den einen oder anderen Metalhead der Region einen Grund, dem Event einen Besuch abzustatten. 2016 standen neben AIRBOURNE, WITHIN TEMPTATION und SUZI QUATRO deshalb auch Künstler wie DIRKSCHNEIDER, KORPIKLAANI, J.B.O. oder HÄMATOM auf der Bühne. Dieses Jahr treten neben DORO, SALTATIO MORTIS und IN EXTREMO auch – Achtung, Stirnrunzler incoming – die umstrittenen FREI.WILD auf. Nicht unbedingt das richtige Programm für den Vollblut-Metaller, wohl aber für Gelegenheitshörer und diejenigen, die von Rockmusik angetan sind.

Gelobt sei der Folk! Hörnerfest

Oben durftet ihr bereits vom Headbangers Open Air lesen. Ein erfolgreiches Festival schien den Veranstaltern aber nicht zu reichen, schließlich brachten sie fast zehn Jahre nach dem Debüt ihres ersten Festivals das Hörnerfest an den Start. Dieses entstand aus der Mittelalternacht des Ballroom Hamburg und findet nun auf demselben Gelände wie das Headbangers Open Air statt. Mit 1000 bis 2000 Besuchern hat das Festival auch dieselbe Größe wie das große Brüderchen erreicht. 2016 war das Hörnerfest sogar zum ersten Mal ausverkauft.

Einen großen Unterschied zwischen den beiden Open Airs gibt es jedoch: die musikalische Ausrichtung. Hier handelt es sich nämlich nicht um ein Oldschool-Festival, sondern … Naja, eigentlich ja doch, oder ist Mittelalter nicht auch irgendwie „oldschool“? Abgesehen vom angemessenen Beiwerk mit Gauklern, Axtwerfen und Feuershows, folgt jedenfalls auch die Musik dem quasi mittelalterlichen Motto. Von reiner Mittelaltermarktmusik über Paganfolk, Folkrock, und Speedfolk bis hin zum Folk, Pagan und Folk Black Metal ist alles dabei, was folkige Instrumente einsetzt. Viele der auftretenden Bands sind im Folk-Bereich alles andere als unbekannt. Ich wage zu behaupten, dass von FEUERSCHWANZ, FINNTROLL, VERSENGOLD, SKYFORGER oder ENSIFERUM die meisten Folk-Fans schon einmal gehört haben. Am 30.06. und 01.07.2017 geht der Spaß in die nächste Runde.

Das ersehnte Comeback: Kalifornia Crossing

Unser letztes Festival der heutigen Ausgabe war einige Zeit von der Bildfläche verschwunden. Das Kalifornia Crossing Festival debütierte 2014 in Holm, um danach gleich zwei Jahre auszusetzen, da sich eine passende neue Location nicht finden ließ. 2017 kehrt das Festival nun endlich zurück und feiert, drei Jahre nach dem Debüt, seine zweite Auflage am Plöner See. Das familiäre Festival ist auf 500 Besucher limitiert und legt großen Wert darauf, nicht allzu viele Leute anzuziehen. Wachsen dürfen die anderen – hier bleibt man unter sich.

Getreu dem Motto „familiär bleiben“, holt man keine großen Headliner ran. Stattdessen setzt sich das Billing hauptsächlich aus Underground-Bands zusammen, die Stoner und Psychedelic Rock spielen. 2014 waren neben vielen weiteren auch LIBIDO FUZZ, WARP RIDERS, BUDDHA SENTENZA und BONE MAN mit an Bord. 2017 geht es erneut zur Sache – 20 Bands machen sich während des 30.06. und 01.07.2017 auf zwei Bühnen am Plöner See breit, um das Kalifornia Crossing Festival zu einem erfolgreichen Comeback zu führen.

Die Frage aller Fragen: Lohnt es sich, in Schleswig-Holstein Festivalgänger zu sein?

Sage und schreibe 14 Festivals hat das Bundesland im Norden zu bieten. Ob es sich lohnt, in Schleswig-Holstein Festivalgänger zu sein? Ohne Wenn und Aber!

Das vielleicht bekannteste Festival der Welt ist hier zu Hause. Familiäre Underground-Festivals, Benefizveranstaltungen und winterliche Festivals mit Hotelübernachtungen werden geboten. Folk-Musik, klassischer Heavy Metal, daneben Stoner und Psychedelic, für die weniger zart Besaiteten auch Thrash und Death Metal, dazu eine Portion Metalcore und Rock links und rechts des Weges. Ganz zu schweigen von vielseitigen Veranstaltungen wie dem Metal Hammer Paradise und natürlich dem riesigen Angebot des Wacken Open Air. Was gibt es hier oben nicht?

Zum jetzigen Zeitpunkt kann kein Bundesland Schleswig-Holstein das Wasser reichen. Mit Festivals verschiedenster Größen und Metal verschiedenster Subgenres übernimmt das siebente Bundesland unserer Tour die Führung. Doch das kann sich ändern, denn mehr als die Hälfte der deutschen Bundesländer liegt erst noch vor uns. Nächste Woche geht es weiter – dann mit einem deutlich kleineren Bundesland.


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