Als die Waffen kamen…. ein Abend mit KANONENFIEBER (und PANZERFAUST) in Leipzig!
Kennt ihr dieses Gefühl? Euer Lieblingsbier ist im Angebot und im Laden sind nur noch leere Kästen? Ihr freut euch seit Tagen auf diese eine Leckerei im Kühlschrank, die dann 5 Minuten vor euch der Mitbewohner wegfuttert? Nach Konzert und Party kommt ihr zu eurem Lieblingsspätimbiss und vor euch geht der letzte Döner über den Ladentisch? Hersteller XY setzt euren Lieblingssnack völlig grundlos ab, oder der Streamingdienst eure Serie?
Okay, ich denke es ist klar worauf ich hinaus wollte und jeder konnte sich eindenken – wir konservieren dieses Gefühl jetzt, ich komme später darauf zurück!
All die Jahre wieder…
(achja, kleiner Spoiler – ich nehme auf Konzertgeschehen und Setlist Bezug! Wer das also nicht vor dem eigenen Konzertbesuch lesen möchte, sollte hier stoppen)
Keine Sorge, hier kommt jetzt nicht der Einstieg mit den Hinweis auf „Last Christmas“… oh, jetzt hab ich es gesagt, den Ohrwurm des Todes gibt es nun gratis dazu, gern geschehen! Deutlich weniger besinnlich sollte es aber für mich werden, denn ich sang nach hartem Kampf noch den Nachwuchs ins Bett, nur um 5 Minuten später ins präparierte Auto zu springen und die wenigen Kilometer ins Hellraiser auf der Autobahn abzureißen.
Die Vorfreude trieb mich und das Gefährt vorwärts, ich parkte ab und sprang noch währenddessen aus dem Auto, um mich in die Schlange einzureihen. Und diese hatte es in sich! Der Eingang, der mir bekannt war wurde scheinbar umgebaut und ich fand mich in einer langen Reihe stehend. Diese wand sich in einer Kurve, bevor es noch durch den Biergarten ging und dann zum ehemaligen Eingang. Schon hier war das rege Interesse an der heutigen Veranstaltung klar erkennbar. Hier standen mehr Leute in der Schlange als bei manchem Konzert vor der Bühne.
Voll bis auf den letzten Platz
Irgendwann schaffte ich es dann auch in die (un)heiligen Hallen – und siehe da, ich sah nichts. Die Hütte war einfach proppenvoll!
Ich bin durchaus die ein oder andere Menschenmenge gewöhnt – von unzähligen Stadion- und Konzertbesuchen – aber das hier war einfach unangenehm voll ab dem ersten Schritt. Selbst der Weg zu den Sanitäreinrichtungen war schon teilblockiert und es gestaltete sich somit schwierig erst einmal anzukommen. Glücklicherweise erspähte mein Matschauge kurze Zeit später eine Fotografin, der ich dann direkt folgte und einen lauschigen Eck-Platz links vor der Bühne bekam. Ich wusste: hier darf ich nie wieder weg, da komme ich nie wieder hin!
Ich lauschte also nun voller Aufmerksamkeit der Vorband. Hier hatten sich PANZERFAUST aus Kanada angekündigt. Und – Holzfällerwitz, muss ja bei Kanada sein – wo gehobelt wird, da fallen Späne! Hier blieb kein Auge trocken und kein Stein auf dem anderen. Die 4 Herren donnerten ihr Repertoire ungebremst in die Menge. Highlight für mich war die Anordnung der Bühnenpräsenz, denn das Schlagzeug stand mittig und im Zentrum, während links und rechts die Saiteninsturmente bearbeitet wurden. Der Sänger stand dann im Rückraum leicht erhöht und nur halb beleuchtet und setzte dem imposanten Getöse mit seinen durchdringenden tief-dunklen Vocals die Krone auf. Dabei sahen die Bandmitglieder aus, als hätten sie durchaus in dem ein oder anderen Horror-Streifen mitspielen können, insbesondere der Sänger mit einer gewaltigen Statur und fieser Maske.
Zur Vorband gabs nur zwei Meinungen – meine vs. der Rest des Publikums
Musikalisch war das Ganze auf jeden Fall gut, und um mich herum gab es nur begeisterte Gespräche und Reaktionen auf die Band. Ich selbst muss zugeben, dass es mir selbst nicht ganz so lag. Für mich war es – insbesondere als Vorband – zu langatmig und irgendwie ein wenig zu… doomig. Keine gute Kombination um eine Masse anzuheizen – aber das war nur mein eigener Eindruck! Um mich herum waren die Meinungen sehr begeistert, und technisch gut gemacht war es allemal!
Die Jungs spielten 45 Minuten und gingen dann unter sehr viel Applaus und Begeisterung von der Bühne. Nun folgte die allseits beliebte Umbaupause. Die Zeit zog sich ein wenig, zumal jetzt auch wenn ich gewollt hätte, kaum eine Chance mehr Bestand den Platz zu verlassen. Fieses Gimmick zur Umbaupause: Die Pausenmusik war ähnlich wie das Intro zu „Yankee Division“, was für 30 Sekunden mal ganz nett ist. 30 Minuten recht nahe bei den Boxen war das schon eine harte Probe. Hier hätte es vermutlich auch die handelsübliche Metal-Dosis aus der Konserve getan, inklusive dem allseits beliebten „Warriors Of The World“ zum allgemeinen Fäuste recken von Bühne bis zum Pissoir.
Irgendwann war die Bühne dann ausstaffiert, alle Lichter gecheckt und jedes Detail mühevoll hergerichtet, es wurde dunkel, es wurde kribbelig und dann kam mit großem Getöse KANONENFIEBER zum Zug! Und wie! Mit „Großmachtfantasie“ und dem zugehörigen „Menschenmühle“ ging es direkt in die Vollen! Stimmgewaltig mit einer unglaublichen Energie krachte die Musik ins aufgeheizte Publikum. Und es ging Schlag auf Schlag weiter. Die Band hat an und für sich eigentlich nur Bretter und eigentlich keine Skip-Songs, aber „Sturmtrupp“, „Füsilier“ und „Grabenlieder“ aneinandergereiht, gefolgt vom absolut für Live-Performance gemachten „Maulwurf“ brachten die Menge zum brodeln! Und genau da kommen wir zum ersten
Break:
Als ich die Band zuletzt im Hellraiser zusammen mit GRIMA sah, oder dieses Jahr auf dem Ragnarök-Festival, war das Publikum zum Großteil der Black-Metal-Fanschar zuzuordnen. Düstere Mienen, finstere Blicke, nickende Köpfe. Als maximale Körperregungen gab es gereckte Pommesgabeln und anerkennendes Klatschen. Diese Atmosphäre, zusammen mit der unbändigen brachialen Energie der Musik von KANONENFIEBER und den erschreckenden Kriegsszenarien, die als Antikriegsstimmung durch die Band erzeugt wurden, das war genau DAS was mich so unglaublich in den Bann zog und faszinierte. Ich war lange nicht mehr so nahe dran ein Fanboy einer Band zu sein, wie an diesem Projekt. Und niemand hätte wahrscheinlich damit gerechnet, wie sehr es durch die Decke gehen würde. Und genau das macht sich nun bemerkbar.
Das Publikum ist bunt gemischt, vom Metalrentner im ausgeblichenen MOTÖRHEAD-Shirt bis zu sehr vielen eindeutig der Core-Fraktion zuzurechnenden, jüngeren Fans der Band mit Caps usw. Das ist einerseits natürlich geil und freut mich auch sehr für die Band – und auch für die Thematik – dass so eine breite Menge erreicht werden kann. Andererseits tauchen damit eben auch konzerttypische Erscheinungen auf. Crowd-surfing, Circle-Pits und Wall Of Death sind an und für sich alles geile Sachen, aber zu den Texten, und der Stimmung? Mich persönlich hat das bei aller Begeisterung leider irgendwie sehr irritiert.
Wenn zum „Maulwurf“, dessen Text von der harten Arbeit der Mineure und in diesem Fall dem verschüttet-werden unter dem Schlachtfeld handelt, dann crowdsurfendes Publikum an einem vorbeiwabert, konterkariert das für mich die Stimmung des Songes. Kurzum gesagt: Mein Gefühl war dabei kein gutes, und ich hoffe einfach, dass die Message der Band inklusive ihrer Texte nicht vergessen wird und das Ganze vom feierwütigen Publikum zu einer „Kriegs-Party“ gemacht wird, denn das gibt aus meiner Sicht weder das Thema noch die heutige Zeit her!
Weiter im Text:
Der „Panzerhenker“ rundet das erste „Setting“ ab, kurzer Zwischenspieler und die Jungs kommen als Matrosen wieder.
Die eingeschworene Fanschar weiß natürlich was kommt, und „Kampf und Sturm“ und „Die Havarie“ werden lautstark durch die Menge getragen. Es ist eine unglaubliche Energie im Publikum, das wie schon erwähnt wahnsinnig dicht gedrängt ist und das Hellraiser gleicht einem Hexenkessel.
Der nächste Kleidungswechsel folgt, und mit „Die Feuertaufe“ knallt der Opener des ersten Albums in die begeisterte Menge. Es ist tatsächlich so, dass die Band eigentlich keine Skip-Songs hat, sondern auf den zwei Alben ein Kracher den nächsten jagt. Für mich persönlich fällt hier nur die „Yankee Division“ raus, die ich nicht ganz so mag… die aber heute abend auch nicht auftauchte. Stattdessen wurde „Lviv zu Lemberg“ präsentiert und danach folgte „Waffenbrüder“, was der einzige Song ist dem ich – auch wenn er auch ein bitteres Ende hat – ein wenig zu viel Pathos unterstellen würde. Stimmungstechnisch kann man hier den Bogen zu meinem Absatz oben schlagen, denn die feierwütige Menge liegt sich freudig-wogend in den Armen und besingt sich als Waffenbrüder. Ungeachtet der Tatsache, dass eben auch hier einer der Protagonisten des Songs in selbigem draufgeht und in fremder Erde sein Grab findet…
Es wird Zeit fürs Sahnehäubchen…
Nun kam der Moment, an dem mein langjähriges Gespür mir sagte, dass wir uns nun zu den letzten Songs vor der Zugabe bewegen. Ich entschied also aus taktischen Gründen, meinen Platz aufzugeben und besorgte mir ein Kaltgetränk um eine kleine Erkundungstour durch die Location zu starten. Das mache ich grundsätzlich gerne, insbesondere wenn ich darüber schreiben möchte, denn ich versuche dann zu schauen ob der Sound überall gut ist, wie die Meute insgesamt drauf ist, und vielleicht bekommt man hier und da auch noch den ein oder anderen Eindruck anderer Besucher mit.
Ich war also frisch versorgt, auf der Bühne startete mit fieser Maske unter der Pickelhaube das episch-düstere „Ausblutungsschlacht“ und ich mäanderte durch die Halle. Hinten angekommen stand ich neben dem Mischpult, genoss den Anblick und die Musik und der Song endete. Ich war zufrieden mit meinem Platz für die Zugabe, der Abend war noch jung, die Meute hatte Bock. Ich nippte am Becher, schaute auf die Bühne… und das Saallicht ging an. Die Menschen um mich herum brachen zur Garderobe oder zum Außenbereich auf, nur ich stand wie vom Donner gerührt da und war mindestens vollständig perplex. Keiner brüllte nach Zugabe, keiner forderte die Band – und die kam auch nicht wieder, denn es war wirklich Schluss.
So, hatten jetzt alle das Gefühl vom Beginn des Artikels konserviert?
JETZT holen wir das wieder heraus, denn ich stand da wie ein kleines Kind, dem gerade jemand den Lolly geklaut hat. Sicherheitshalber checkte ich die Uhr und meine Notizen… Start 21:20 Uhr, und jetzt war es 22:35. Das waren also 1 Stunde 15 Min. Ich mag die Band, ich bin großer Fan, ich gehe total mit der Musik mit – aber DAS war mir zu wenig. Es war der Tourauftakt, es war eine volle Hütte, es war bombenstimmung. Das zweite Album ging förmlich durch die Decke und zwischenzeitlich auf die 1 in den Charts. Da sind mir 1 Stunde 15 Minuten zu wenig, das muss ich leider echt so sagen. Leicht konsterniert schaute ich nun dem ernüchternden Treiben der Menschen zu, und wie der Saal sich leerte, ehe ich zu meinem in Pole Position geparkten Auto und traurig-enttäuscht nach Hause startete.
War das schon alles?
Natürlich ist der Band überlassen, welche Lieder sie spielt und wie lange sie das tut – aber aus meiner Sicht war hier einfach noch Potential, um dem begeisterten Publikum den Abend von „cooles Konzert“ zu „Oh mein Gott, das werde ich niemals vergessen“ zu heben. Es ist natürlich Kritik auf einem hohen Maß, und ich weiß auch, dass die Truppe im letzten Jahr auf so ziemlich jeder Bühne gestanden hat, bis rauf zum legendären Hellfest. Aber dennoch bin ich der Meinung, dass ich bei einem Headliner einfach wenigstens 90 Minuten erwarten darf – eigentlich 90 Minuten plus Zugabe, wenn ich ehrlich bin.
Ich kenne die Umstände nicht, aber da die Setlisten weiterer Shows nicht abgewichen sind in Länge und Liedwahl, gehe ich hier nicht von einer schlechten Verfassung oder ähnlichem aus. Mich hat es tatsächlich ein wenig mitgenommen, ich hab mich wochen- wenn nicht gar monatelang auf das Konzert gefreut. Ohne weiter auf der Länge herumhacken zu wollen, verstehe ich allerdings auch den Abschluss nicht ganz. Beide Alben enden mit einem ruhigen und sehr eindrücklichen Song, der die Stimmung der Alben absolut perfektioniert. Und zum Abschluss eines solchen Konzertes finde ich, dass entweder „Verscharrt und ungerühmt“ oder „als die Waffen kamen“ für eben genau diese Stimmung, die nur diese Band kann, einfach Pflicht ist. ( Davon abgesehen hätte ich wahnsinnig gerne auch „Ritter der Lüfte“ im Programm gehabt… aber die können ja auch nicht jeden Song spielen )
Fazit:
Wer die Band noch nicht gesehen hat: GEHT HIN! Es ist ein Phänomen, es ist eine unfassbare Energie und ein richtig geiles Konzert, das steht fest! Meine Kritik bewegt sich hier auf einem hohen Level, und für meine Bedenken bezüglich der Gepflogenheiten im Publikum kann die Band natürlich nichts. Hier sind im Endeffekt alle selbst für ihr Erlebnis verantwortlich. Das ist auch kein Angriff auf die Band – denn ich kann natürlich auch verstehen, wenn die mal mit einer feierwütigen Meute durchdrehen will. Hier muss man aus meiner Sicht eben nur schauen, wie es passt und sich entwickelt. Und zur Länge der Show habe ich mich ebenfalls geäußert und würde als Fazit sagen: Grandioser Abend, nur leider zu kurz!
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