Eine Odyssee durch Odessa – Septa
SEPTA – Sounds Like Murder
Veröffentlichungsdatum: 30.11.2016
Länge: 54:24 Min.
Label: Self Released
Stil: Alternative Rock
Nachdem ich mich mit dem poetischen Nebenprojekt einiger Mitglieder von SEPTA bereits auseinandersetzen durfte, ordnet die Band mit ihrem Album „Sounds Like Murder“ einen weiteren Angriff auf meine Gehirnzellen an. Was man bei THE NIETZSCHE an progressiven und seichteren Tönen vermisst, findet man hier in Form von eingängigen Refrains und fröhlichem Herumgefriebel wieder. Das vierköpfige Gespann spielt irgendwo zwischen Alternative Rock, Post Hardcore, Mathcore und Prog Metal.
Diese Beschreibung allein sollte schon ausreichen, sich mit dieser Band zu beschäftigen, wenn man nach besonderen Klängen sucht. Egal wie technisch oder verspielt es sich im ersten Durchgang anhört, bleibt es auch für jeden „Normalo“ wie mich durchdringbar. Seit 2006 schwirren die Ukrainer aus Odessa durch die Gegend und ihre Odyssee scheint dank diesem Album ein absehbares Ende gefunden zu haben. So war man sich bei den ersten Alben noch nicht sicher, wohin die eigene Reise führen soll. Es wurde vielen Vorbildern nachgeahmt und die offensichtlichen Einflüsse dieser waren unüberhörbar. Doch wie findet man bei all dem Nachgeeifer seinen eigenen Stil? Nach 10 Jahren Bandgeschichte scheinen sie diese Frage für sich beantwortet zu haben und siedeln sich irgendwo dort an, wo die BLACK PEAKS auf NORMA JEAN treffen.
Alte Math- und Metalcore-Legenden vereinen sich in dieser Mixtur mit den tausenden Farben, die Sänger von progressiven Bands so auf die Platten pinseln können. Da ist es kein Wunder, von einem so experimentellen Intro wie „Prologue“ begrüßt zu werden, da man davon perfekt in die geisterhafte Atmosphäre von „11th: Omen“ eingeführt wird. Die fatal brutalen Stellen wechseln sich mit Refrain und Strophe so stimmig ab, als hätte man noch nie etwas anderes für gut befunden. Der Gesang tritt dabei zu Recht mehr und mehr in den Hintergrund. So wird trotz der Ähnlichkeiten mit Sängern von großen Rock-Bands ein eigener Stil entwickelt, der nicht nur experimentell und atmosphärisch sein kann. Vielmehr tragen die vielen Varianten des Gesangs dazu bei, dass man sich kein eindeutiges Bild der Klangfarbe machen kann. Dadurch bleibt man von Lied zu Lied gespannt, wie viele der unterschiedlichen Persönlichkeiten auf einen einreden werden.
So ist es auch egal, ob man lieber DEFTONES oder CONVERGE hört, denn alles was diese Bands ausmacht, kann man hier finden. Lieder wie „The Seducer“ zeigen die chaotische und scheinbar planlose Band SEPTA, während auf „Ropes“ eine berechnete, melodische Einflussmaßnahme auf die Trommelfelle der Zuhörer zum Vorschein kommt. Genau an diesen Stellen klinkt sich die ausnahmslos geniale Gitarrenarbeit ein, die, von hart über chaotisch und vernichtend bis hin zu „trippy“ und atmosphärisch, einfach alles kann.
Kollektive Wechseljahre – SEPTA
Es wird uns an vielen Stellen in diesem Album die Möglichkeit gegeben, entweder die Inneneinrichtung zu verwüsten oder zu „Sky Moves Faster“ einen Tanz mit dem Möbellieferanten aufs Parkett zu legen. Es gibt so viele Verschnaufpausen, dass es fast dazu verführt, dieses Album als einen melodischen Kuschelrock-Ausflug zu bezeichnen. Das wäre der düsteren Atmosphäre gegenüber, die Schlagzeug, Gesang und Gitarre so eindrucksvoll erzeugen, nicht gerecht. Außerdem ist es genau das, was SEPTA ausmacht und sie zu dem wohl erfrischendsten Rock- und Metal-Act aus Osteuropa kürt. Nicht umsonst hat das Album den Preis für das beste ukrainische Metal-Album von 2016 gewonnen. Alle Mitglieder der Band harmonieren so perfekt, dass die vielen Stimmungswechsel so überhaupt erst möglich sind.
Zwar befindet sich die Gruppe in einer besonderen Art der Wechseljahre, aber die durchleben sie als Kollektiv. Letztendlich bilden sie alle zusammen eine alte Frau, die ihre Wechseljahre und die Stimmungsschwankungen sehr gut in den Griff bekommt. Wer will auch schon beim Kaffeekränzchen mit der Abschlussklasse von 1956 schlecht gelaunt sein? Genau das kann man gut kontrollieren, wenn man ab und an den Prog-Rocker raushängen lässt („When There Is No Time“), der gern zu PORCUPINE TREE Zwiebeln schneidet. Das setzt man dann in Kontrast zu dem harten „Narcosis“ oder der Industrial-Einlage „Means, Motive and Opportunity“ und man hat ein Gesamtpaket, welches wirklich nach Mord klingt, so wie es der Titel suggeriert. Die tiefen gestörten Abgründe von Serienmördern und die hitzigen Gemüter von Affekt-Tätern werden beide in gleichem Maße erforscht.
Genau die richtige Portion Groove gibt es eben auch zu finden – die wummernden Gitarren können aber zum Glück mehr als nur das. Das beste Beispiel für Brutalität und Melodie, die Hand in Hand gehen, sind wahrscheinlich „Red Code“ dicht gefolgt von „High Pitched Noise“, meine beiden Favoriten von diesem Meisterwerk. Auch hier mutiert Eugene Tymchyk erst zu Jacob Bannon (CONVERGE) dann zu Marylin Manson und wieder zu Eugene Tymchyk.
Abwechslung wird hier großgeschrieben, aber Geschwindigkeit eher weniger. Deshalb heißt es für Tempo-Fanatiker abschnallen, im Wagen bleiben und nicht gerade SEPTA aufdrehen. Unvergessliche Melodien – siehe „Supercode“ – werden nämlich nicht schnell heruntergespielt, sondern arten in langsame und langatmige Passagen aus, was je nach persönlichem Belieben gefallen kann oder auch nicht. Da der Mix einwandfrei ist und die Jungs instrumental und gesanglich einen astreinen Auftritt hinlegen, bleibt eigentlich nur noch eine Sache anzumerken:
SEPTA braucht mehr Cowbell! Dann sind sie die großartigste Alternative Metal/Rock-Band in ganz Europa.
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Autorenbewertung
Vorteile
+ unglaublich abwechslungsreich
+ berechnetes Chaos trifft auf berechnete Eingängigkeit
+ es wird kein Fick auf Genregrenzen gegeben
+ der Stil ist ein Unikat
+ es wird schwer dieses Album mit einem Nachfolger zu toppen
Nachteile
- mehr Cowbell bitte
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1 Kommentar
Bei der Bewertung kann ich garnicht anders als es sofort zu kaufen?