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ELDAMAR – Einsam durch Norwegens Weiten

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ELDAMAR – „A Dark Forgotten Past“

Veröffentlichungsdatum: 01.12.2017
Dauer: 52:03min
Label: Northern Silence Productions
Genre: Atmospheric Black Metal/Ambient

Letztes Jahr zufällig Dank Youtube-Algorithmus auf das Debut-Album des jungen Norwegers Mathias Hemmingby gestoßen, sitze ich nun vor seinem Zweitling, der nur ein Jahr später – diesmal sogar in physischer Form – durch den Orbit geistert. Ja, du hast richtig gelesen. Es handelt sich hier um ein Solo-Projekt. Hemmingby hat nicht nur Programming und Keyboards zusammengeschraubt, sondern auch an der Gitarre und stimmlich seine Ideen vereint.

Bevor ich auf die Musik an sich eingehe, sei mir ein Kommentar zum Alter des Künstlers gestattet. Ich finde es durchaus beeindruckend, wie ein Zwanzigjähriger so vielschichtige Musik schreiben und auch technisch umsetzen kann. Zugegebenermaßen sind die Grundmelodien nicht besonders komplex, doch die Energie und Emotion, die er in seinem Debüt-Werk kanalisieren konnte, wissen mich von seinem Können zu überzeugen.

Bei dem Genre, das ELDAMAR bedient, handelt es sich um Musik, die ich zugegebenermaßen eher selten bis nie höre. Durch Heidentum, Natur, J.R.R. Tolkien und „Elven Magic“ (ja, das steht da wirklich so!) inspirierte Werke schrecken mich zumeist schon wegen ihres übermäßigen Pathos‘ ab, der mir die Galle aufsteigen lässt. Hier allerdings liegt Musik vor, die sich gerade noch im Rahmen des erträglichen bewegt: atmosphärischer Black Metal mit einer ordentlichen Prise Synthie-Sound.

Und da sind wir schon beim Grundproblem

Drum-Gehacke und Gitarren-Geschrote, Screams, die durch Mark und Bein gehen. So weit, so gut, so geil. Wo war da nochmal der Synthie? Ach, ja! Quasi überall: dazwischen, darüber, darauf. Wunderschön geschichtete Sphären, die wie colorierte Einhornpupse herumwabern. Liest sich jetzt schlimmer als es ist. Was ich damit sagen möchte: Die Synthie-Sounds lockern und werten das doch sehr rohe Grundgerüst aus Drumspuren, Gitarre und Screams auf und lassen – ganz im Sinne des Erfinders – in meinem Kopf Bilder weiter Landschaften erscheinen. Vermutlich ist da meine Vorstellung durch die Cover von ELDAMARs Veröffentlichungen geprägt. Der junge Mann nutzt zielgerichtet die Werke des Landschaftsmalers Albert Bierstadt als seine Artworks.

Ganz konkret an die Welt von J.R.R. Tolkien oder skandinavische Elfensagen muss ich bei der Musik eigentlich weniger denken… Liegt aber auch vielleicht daran, dass das nicht meine persönliche Fantasiewelt ist …

Doch zurück zum Sound

Der Grundtenor der Songs ist düster und schwer. Die dichte Atmosphäre wird immer wieder von Screams zerrissen. Frauengesang und Chöre umspielen die oberen Lagen. Chöre aus der Dose sozusagen. Und die finde ich furchtbar. Nicht, weil sie schlecht rein gebastelt wären. Nein. Sie hören sich einfach nicht organisch an. So negativ war mir das beim Debut-Album „The Force Of The Ancient Land“ definitiv nicht aufgefallen. Dass diese Töne klar als aus der Konserve stammend zu identifizieren sind, macht mir das Hörerlebnis echt madig. Was vor allem bei den Tonwechseln zu hören ist. Beim aktiven Hören nervt mich das richtiggehend. Passiv, als Arbeitsbegleitung sozusagen, ist dieser Aspekt aber nicht hervorgetreten.

Es gibt ja aber auch sehr schöne, starke, rauhe Passagen, die das Schwarzmetallerherz in mir aufgehen lassen. Allerdings geht mir auf die Dauer bei all dem Synthie-Gesang und anderen Düdel-Tönen genau diese Rohheit etwas zu sehr unter. Schade!

Positiv hervorzuheben ist, dass die Songs sich nicht nur immer weiter aufbauen und Schicht um Schicht dichter an Klang und Atmosphäre werden, sondern auch Ruhephasen zugelassen werden. Sowohl Songs, die alle Stufen der Intensität abdecken, als auch Songs, die sehr ruhig sind und Raum lassen für meditative Momente. In Melodie und Aufbau sind sie zugegebenermaßen nicht besonders spannend oder abwechslungsreich, von daher hätte dem Album ein oder zwei Songs weniger nicht geschadet, wie ich finde. Aber das mag ein waschechter Ambient-Fan sicher anders sehen.

Was uns der Künstler damit sagen will …

Die Länge der Songs (immerhin durchschnittlich um die sieben Minuten), spricht mich an, ist genretypisch und unterstützt das, was die Musik selbst erreichen will, bestens. Die Song-Enden bestehen vor allem aus Fadeouts, was mir etwas einfallslos erscheint, aber im Grundkonzept des Projekts ELDAMAR durchaus passend ist. Immerhin ist das Ziel – wie er selbst beschreibt -, dass sich der Hörer der Musik emotional öffnen kann und diese Erfahrung mit seiner Fantasie verbindet. Dazu sollen auch die Artworks anregen. Und:

„The combination of aural and visual impressions will allow them to drift away in their own dreams while listening to the songs. With  persistence, this practice will carry them right through the gates of Alfheimr/Elvenhome.“

Zwar sehe ich meinen Geist noch nicht ins Alfheimr entgleiten, aber vielleicht kannst du dich ja mit genau diesem Bild identifizieren?

Auf der Bandcampseite von ELDAMAR kannst du ein paar seiner Songs aus seinen bisherigen Releases hören.

 

 

Bild mit freundlicher Genehmigung von Albert Bierstadt

Autorenbewertung

6
Für Drachenreiter und Fantasten, die auch einer guten Portion Rohheit nicht abgeneigt sind, hat ELDAMAR ein weiteres schönes, verträumtes Album herausgebracht, dessen Pathoslevel definitiv im Rahmen des Ertragbaren liegt. Klarer Minuspunkt sind für mich die synthetischen (Chor-)Gesänge und Klänge, die die Black Metal-Elemente oft in den Hintergrund drängen. Aktives Hinhören eher ungern, als Nebenbeigedudel aber völlig in Ordnung!
ø 4.8 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
6 / 10 Punkten

Vorteile

+ Soloprojekt eines unterstützenswerten jungen Künstlers
+ vielschichtige Komposition
+ ertragbares Pathoslevel

Nachteile

- sehr synthetische Klänge
- Screams hintergründiger als erhofft

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4 Kommentare

  1. Ken
    12. Juli 2018 bei 9:57 — Antworten

    „Bild mit freundlicher Genehmigung von Albert Bierstadt“ – hahaha, wie habt Ihn ihn denn da erreicht?

    • 12. Juli 2018 bei 11:11 — Antworten

      Wir haben ihn gechannelt. Duftkerzen, 1 Katze und das Necronomicon…
      Das System hat den Standardsatz drauf bei Quellen. Daher die evtl schwierige Formulierung 😉

  2. Lodenschwein
    12. Dezember 2017 bei 12:45 — Antworten

    Amen

    Ich sehe das genau so
    Ein reines Ambient Album wäre besser geworden als der Versuch dann und wann die screams aufblitzen zu lassen.
    Ich finde nach dem starken Debüt tritt der Mann jetzt auf der Stelle.
    Dieser elbengesang ist so inflationär eingesetzt das es mehr nervt als peppt.
    Ferner finde ich das die Songs wenig Abwechslung bieten. Selbst nach dem 4 Durchlauf weißt du nicht ist das, das erste Lied oder das 5.
    Schlecht ist anders aber da war auf alle Fälle Mehr drin!!!
    Ich empfehle an dieser Stelle die neue Scheibe der Band: Emyn Muil

    • 13. Dezember 2017 bei 15:37 — Antworten

      Danke für deine Antwort, Lodenschwein! Da sind wir uns ja diesmal sehr einig. Ich hoffe, dass der Jung‘ sich mit den Jahren noch ein wenig wagemutiger zeigt.
      Und vielen Dank für den Anspieltipp. Tanja taugt dat Zeuch sehr!
      Schade, dass die Platte schon ein paar Monate alt ist, sonst würde ich sie sicher auch gleich hier vorstellen!
      Gruß ausm Nicht-Elbenland.
      Tanja

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