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Elfentanz und Tortenschlacht – Dritte Wahl und Slime!

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Es ist nun also Samstag Abend, es ist nass, kalt und dunkel – ich dagegen bin zwar auch nass, aber dafür äußerst glücklich und mir ist unglaublich warm! Und ich bin schon wieder im Haus Auensee. Gestern war gerade erst die „European Apocalypse“ (den Bericht dazu findet ihr HIER), und heute bin ich schon wieder da. Zwischenzeitlich war ich noch bei einem brisanten Leipziger Fußballduell. Es ist also eigentlich ein Wunder, dass ich überhaupt noch Stimme habe – aber dann komme ich ins Haus Auensee, und es läuft DIESES Lied, und mir bleibt nichts anderes übrig, als die Arme in die Luft zu reißen und mit allem was noch an Stimme vorhanden ist einzusteigen!

2 Konzerte in 24 Stunden – Wo hat es uns denn dieses Mal hin verschlagen?

Nun aber der Reihe nach. Nach einem sehr zufriedenstellenden Vorabend und dem Abschluss des Metal-Kapitels für 2018 kommt heute das letzte Highlight auf den Plan, denn die Rostocker Punk-Legenden (ich denke, den Status darf man mal so wählen) DRITTE WAHL haben sich entschieden, einen Stop in Leipzig einzulegen. Wo es vor einigen Jahren noch ins Conne Island oder Werk 2 ging, ist es nun schon das zweite Mal, dass ich die Jungs im Haus Auensee sehe. Und soviel sei schon verraten: auch zur aktuellen „Elfentanz und Tortenschlacht“-Tour ist es wieder prall gefüllt! Sogar so gefüllt, dass ich mir aufgrund leichter planerischer Unklarheiten nur noch ein Ticket für den Rang besorgen kann – auf den ich andererseits schon immer mal wollte!

Dieser unvergessliche Anblick

Eine Band kommt ja bekanntermaßen selten allein, und natürlich gab es auch hier ein Vorprogramm. Aufgrund zeitlichen Verzuges konnte ich leider die erste Band mal wieder nicht sehen, und möchte 100 KILO HERZ aber trotzdem mit erwähnen. Ich hatte zuvor noch Freunde eingesammelt und dann angenehm und unberechtigt direkt vor der Location geparkt. Hier trennen sich die Wege allerdings, denn ich bin der Einzige mit Rang-Karte. Also werde ich vom Einlass aus um das Gebäude herum geschickt, laufe die Außentreppe hinauf und gehe durch die Tür. Der Blick geht nach rechts, ich höre die ersten Takte eines Songs und bekomme Gänsehaut, denn auf der Bühne stehen SLIME! Ich stehe oben mit vielleicht 20-30 anderen, habe völlig freie Sicht und die Band, mit der alles Subkulturelle, Punkige, und alle folgenden musikalischen Einflüsse für mich begonnen haben, spielt „Brüllen, zertrümmern und weg“.

Meine Kehle brennt schon nach diesem Lied, doch das ist völlig nebensächlich. Ich denke, jeder hat so eine Band, die ihm oder ihr mehr bedeutet als die Musik an sich, sondern mit der verschiedene Erlebnisse, Situationen oder Lebensabschnitte verknüpft sind. Meine Jugend – SLIME! Unvergessen, als es 2010 eine Re-Union gab und ich in der erste Reihe stehen konnte, und auch heute ist dieser Ausblick …magisch! (Sorry, aber da MUSS ich einfach mal schwärmen!) Ich bin also schon nach wenigen Sekunden voll vom Konzert gefesselt und SLIME liefern eine super Show! Zwischen den Liedern gibt es immer wieder gewohnt kernige Ansagen vom Sänger Dirk Jora und dann geht es wieder auf in den nächsten Song.

Die Auswahl reicht von alten Klassikern wie „Störtebeker“, „Goldene Türme“, „Schweineherbst“ und „ACAB“ bis hin zu Stücken der neuen Platten wie „sich fügen heißt lügen“ oder „Ich kann die Elbe nicht mehr sehen“. Dabei sind die Texte der teilweise mehr als 30 Jahre alten Lieder (leider) immernoch aktuell. Und immer direkt und bissig! Zum Schluss gibt es auch noch eine Akustik-Einlage, unter anderem vom Song „Gewalt“. Aber irgendwann ist auch der schönste Moment vorbei. SLIME verneigen sich vor dem Publikum – und ich mich vor der Band!

Das Abendprogramm ist echt nur DRITTE WAHL….

Hehe – diesen Flachwitz wollte ich natürlich schon immer mal bringen. Aber da auch die Band das später im Verlauf des Abends macht („Was kann man schon von einem Konzert erwarten, wenn man ein Ticket nur dritte Wahl kauft?“), musste der jetzt sein!

Wir sind jetzt also in der Umbaupause, mir ist warm, aber ich genieße die Vorzüge der Rangkarte. Leere Toiletten, eine Bar ohne Warteschlange, dazu Bewegungsfreiheit sowie ein perfekter Blick. Natürlich muss ich dafür auch auf Pogo und die ganz dicke Party verzichten, aber da mein Rücken immer noch auf Bewährung ist, fällt mir dieser Tausch leicht.

Unten ist es brechend voll, es herrscht richtig gute Stimmung. Ein bunt gemischtes Publikum und auch viele Iros, gepaart mit einem vernünftigen Pogo verleihen dem ganzen ein würdiges Flair. 

Die Dekoration wechselt jetzt und ganz passend zum Tourmotto kommt bunte Partydeko auf die Bühne, das Schlagzeug ist mit der Liedzeile „Fick den Scheiss“ in bunten Buchstaben versehen. Und überall im Haus Auensee hängen schon die ganze Zeit Girlanden mit bunten Luftballons. Man ist nämlicher nicht auf irgendeinem x-beliebigen Konzert: Die Band feiert 30. Geburtstag – mit einer Geburtstagstour! Und wir sind heute beim größten Indoorkonzert in der Bandgeschichte. Außerdem wurde noch etwas verkündet, die…

Auflösung der Band!

© Sophia Vogel, www.sophiavogel.de
Aber keine voreilige Panik. Denn in entspannt nordischem Humor geht es hier um „die Beendigung des Kapitels Dritte Wahl nach 60 Jahren auf der Abschiedstournee 2048“. Man plant also schon vorneweg. Und ich hoffe, die Herrschaften halten sich bis dahin fit! Denn bei der Tour werde ich sicherlich dabei sein.

So, die Umbaupause ist also rum, ich habe ein neues Kaltgetränk, es wird dunkel auf der Bühne und dann geht’s direkt los. Eigentlich empfinde ich es ja fast schon als Blasphemie, wenn irgendjemand SLIME als Vorband spielen lässt. Aber wenn das jemand darf, dann sind das die Jungs von DRITTE WAHL! Wie schon erwähnt schon seit 30 Jahren im Geschäft, haben die Rostocker eine unglaublich breite Palette an Songs. Die Lieder bieten unverwechselbare Gitarren, die typisch-markante Stimme von Sänger Gunnar und dazu auch noch eine große Breite an Gefühlen. Von lockeren Partyliedern wie „Störung“, „Melodien für Melonen“ oder „Free Hash“ über nachdenkliche Balladen wie „Mutters Tränen“ oder „Schlaflied“ bis hin zu kämpferischen Liedern wie „Greif ein“ oder „Auge um Auge“.

 

© Sophia Vogel, www.sophiavogel.de
Dazu kommen noch viele gesellschaftskritische Texte, die sich nicht nur punk-typischen Themen widmen, sondern auch Umweltverschmutzung oder Tierquälerei bzw. Tierversuche behandeln. Was mich an der Band auch immer sehr beeindruckt hat, ist die Fähigkeit, die Stimmung des im Text erzählten Inhaltes auch musikalisch umzusetzen. So gibt es beispielsweise auch einige Lieder, die eine unglaubliche Bedrohung und Düsterkeit ausstrahlen, die sich eben auch im Text so finden lassen. Diese Fähigkeit haben im deutschsprachigen Punk kaum andere Bands!

„Wenn ihr wüsstet, was ich weiß“

Ist dann auch der erste Titel, den die Band spielt, um dann die Masse direkt mit „So wie ihr seid“ in wilden Pogo zu stürzen. Sänger Gunnar und Bassist Stefan harmonieren auf der Bühne einfach perfekt. Ganz rechts und ganz links postiert, folgen insbesondere von Stefan immer wieder Ausflüge in die Bühnenmitte auf eine kleine Erhöhung. Dort dann auch passend beleuchtet, folgen Bass-Soli oder das Anheizen der Partymeute vor der Bühne.

Und es wird aus allen Schaffensepochen der Band etwas geboten. Es gibt „ Der Himmel über uns“ oder „Kneipenviertel am Hafen“ vom letzten Album oder auch „Zu wahr um schön zu sein“ und „Was weiß ich schon von der Liebe“ von neueren Alben. Aber eben auch „Schleife in der Zeit“, „Auge um Auge“ oder (endlich mal wieder live!) „Dritte Wahl“. Mit „Made in Germany“ war sogar ein (mir völlig unbekanntes) Lied vom ersten Konzert der Band mit dabei.

Aber neben der ausgelassenen Stimmung ist es eben auch wichtig, dass die Texte fast alle auf ihre Weise gesellschafts- oder konsumkritisch sind. Da geht es halt mal nicht nur um Party, sondern auch um das Gefühl, dass die Band eine Botschaft mit Ihrer Musik überträgt und dabei mit einem Publikum kommuniziert, das diese Botschaft aufgreift und versteht! Mit einigen klaren Ansagen wird das noch verdeutlicht – auch wenn viele Texte diese nicht einmal brauchen würden. Dabei hat man aber nie das Gefühl, etwas aufgedrückt zu bekommen. Oder, dass da Moralapostel auf der Bühne stehen, im Gegenteil. Aber dadurch entsteht eine spezielle Beziehung zwischen Band und Publikum!

Mehr als nur Party – das besondere „Etwas“ zwischen Band und Publikum!

 

© Sophia Vogel, www.sophiavogel.de
Und genau das erzeugt eben auch diese Stimmung, die von wildem Pogo und „Dödödedö dödödödöp“-Rufen bei Liedern wie „Störung“ zu einem aus allen Kehlen getragenen“Weg mit dem Nazipack“-Ruf bei „Greif ein“ wechselt. Es gibt für mich wenige Bands, die es schaffen, diesen Spagat zwischen den Stimmungen der Lieder so gut rüberzubringen. Und so lasse ich mich auch heute wieder völlig davon abholen. Die Liedauswahl ist klasse, erfüllt etliche meiner Wünsche und lässt mich auf meinem Rang über der tobenden Meute einfach nur im Kreis grinsen. Währenddessen schleudere ich die letzten Reste meiner Stimme in Richtung Bühne.

Am Ende, nach 3 Zugaben (!) steigen in der völlig aufgeheizten Halle Dampfwolken von den ausgepowerten Körpern vor der Bühne auf. Überall klebt das verschossene Konfetti an den Besuchern. Ich bin auch ohne Pogo oder Körperkontakt völlig durchgeschwitzt und vorallem: glücklich! Ich finde es unfassbar wichtig, dass solche Bands mit Ihrer Message unterwegs sind, und wunderschön, dass damit Hallen gefüllt werden können.

Fazit:

© Sophia Vogel, www.sophiavogel.de
Das Konzert unterscheidet sich völlig von dem vom Vortag und ist trotzdem genauso grandios. Die beiden Hauptacts liefern klasse Konzerte mit einer ausgesprochen guten Liedwahl und werden dafür mit einer richtig guten Stimmung belohnt. Ein sichtbar zufriedenes Publikum beklatscht die Bands noch lange und dann ist Schluss!

Jetzt ist das Konzertjahr für mich auch endgültig vorbei, das Kapitel Punk 2018 auch geschlossen und hinter mir liegt ein Wochenende, das keine Wünsche offen lässt. Ich schleppe mich also zum Auto und setze meine leicht angesäuselten Freunde zuhause ab. Dann fahre ich durch die Nacht nach Hause und versuche verzweifelt, einen Funken Besinnlichkeit in mir aufzustöbern, den ich zu Weihnachten auf die Familie loslassen kann.

Ps.: Auch wenn es unter den Bilder steht – ich möchte mich nochmal ausdrücklich bei Sophia Vogel bedanken. Ich habe Sie auf dem Konzert angesprochen und kann euch deshalb endlich mal qualitativ hochwertige Konzertbilder liefern! Toll, dass das so unkompliziert geklappt hat!!

Bild mit freundlicher Genehmigung von © Sophia Vogel, www.sophiavogel.de

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