Es ist Winter geworden in Schottland – Saor

SAOR – Guardians
Veröffentlichungsdatum: 11.11.16
Dauer: 55:56 Min.
Label: Northern Silence Productions

 

 

Wer mein Review zu „Aura“ gelesen hat weiß, dass ich ein sehr großer Fan der Musik Andy Marshalls bin. Dieser brachte im Jahr 2014 ein Meisterwerk des Atmospheric Black Metal heraus. Die Melodien der Folkinstrumente, der Gesang und die gesamte Atmosphäre bringen mich auch heute noch zum Träumen. Nun sind gute zwei Jahre vergangen und der Schotte veröffentlichte den offiziellen Nachfolger, welcher mittlerweile das dritte Album des Ein-Mann-Projekts ist. Doch kann er damit die Leistung von 2014 toppen?

 

Wir träumen wieder

Das Album beginnt mit einem Krähen und einem langsamen Gitarrenspiel. Sobald die Dudelsäcke einsetzen, weiß man dann aber sofort: man ist in Schottland und das ist SAOR. Im titelgebenden Anfangstrack „Guardians“ wird zunächst einmal direkt an die Atmosphäre des Vorgängers angesetzt. Man fühlt sich schon in den ersten fünf Minuten wieder in eine Traumwelt geschickt – als würde man Urlaub machen und der Realität, sowie dem Stress dieser, entfliehen können. Das ist es, was damals schon „Aura“ in meinen Augen zu einem Meisterwerk erhob.

Im zweiten Lied lässt sich dann jedoch ein Stimmungsumschwung finden. Es wird düsterer, melancholischer und kälter. Es wird Winter. Diesen Umschwung deutet auch schon das abermals malerische wie kalte Cover an. Es fühlt sich an, als erinnere man sich an vergangene Tage und sehne sich zu diesen zurück. Unterstützt wird diese Melancholie dann noch durch die Gastmusiker Meri Tadic (ehemals bei ELUVEITIE) und John Becker, die mit ihren Streichinstrumenten eine gute Portion Melodie in den hier sehr Black-Metalesken Klang mit treibenden Blastbeats und Trempicking-Passagen einbringen. Apropos „Drums“: Hier spielt ebenso ein Gastmusiker. Dieser ist Bryan Hamilton von der schottischen Celtic-Black-Metal-Band CNOC AN TURSA.

 

Melancholie und Hoffnung

In den Folgetracks „Autumn Rain“ und „Hearth“ wird wieder etwas Geschwindigkeit rausgenommen. In ersterem wird zudem noch ein Klangbild erzeugt, welches noch eine noch traurigere Atmosphäre schafft, als der vorige Titel. Es ist wie eine Szene aus einem Drama, in welcher der Protagonist in einer Schlacht seinen besten Freund verloren hat, nur eben in musikalischer Form. Man trauert fast schon mit. Die Stimmung wird im zweiten Song des langsameren Duos jedoch wieder angehoben. Wie der Titel schon verrät, sind wir heimgekehrt und haben uns an den Kamin gesetzt. Nach ca. einem Drittel kehrt jedoch mit der Geschwindigkeit auch ein Funken Hoffnung zurück. Dieser Funke mündet in den letzten Titel „Tears of a Nation„.

Hier kehrt zurück, was manche im Vorgänger von SAOR zu lieben, oder zu hassen gelernt haben: Die Tinflute. Wurde sie in den vorherigen Songs nur spärlich eingesetzt, bekommen wir hier die volle Dröhnung. Während ich sie in „Aura“ noch sehr toll fand, da sie ein ganz bestimmtes Folk-Flair einbaute, welches zum größten Wiedererkennungsmerkmal von SAOR wurde, geht sie mir hier aufgrund des fast schon inflationären Gebrauchs recht schnell auf die Nerven. Am Schluss werden wir dann mit der Melodie des ersten Songs, sowie mit Dudelsäcken, die das Lied „Auld Lang Syne“ zu spielen scheinen, hinausbegleitet. Kleine Info dazu: Das wohl bekannteste schottische Lied soll eine Art Gedenklied an die Toten sein, was mich zu meinem nächsten Punkt bringt.

 

Inspiriert durch Politik

Ein Blick in die Texte verrät nicht nur, dass Andy Marshall mit diesen deutlich sparsamer war, was bedeutet, dass der Fokus sehr viel mehr auf den musikalischen Klangbildern liegt, sondern auch, was seine Agenda ist. Die Lyrics sind allesamt schottische Volkslieder oder -gedichte, die von Unabhängigkeit und Freiheit handeln. Eine kurze Recherche zur Person ergibt dann, dass der Musiker starker Verfechter schottischer Unabhängigkeit ist. Dies kann dem einen oder anderen sauer aufstoßen, da er somit in die rechte Schiene zu verordnen ist. Dazu sei aber gesagt, dass er weder faschistische noch fremdenfeindliche Bemerkungen bringt.

 

Autorenbewertung

7
"Guardians" knüpft für mich perfekt an den Vorgänger an. Es erfüllt dieselben Kriterien, welche mich schon in "Aura" regelmäßig in eine Traumwelt versetzten. Dazu muss ich aber leider sagen, dass er das Erlebnis nicht mehr ganz so gut rüberbringt wie damals, auch wenn Andy Marshall sein musikalisches Repertoire stark erweitert hat. Es bleibt jedoch trotzdem ein großartiges Album, dem man aber Zeit und damit mehrere Hördurchläufe geben muss, damit es sich in vollem Maße entfalten kann.
ø 4.2 / 5 bei 2 Benutzerbewertungen
7 / 10 Punkten

Vorteile

+ musikalisch abwechslungsreicher als der Vorgänger
+ Gastmusiker verbessern die musikalischen Aspekte noch weiter
+ das Album schafft es immer wieder, einen in einen Zustand des Träumens zu versetzen
+ Emotionen werden durch den gezielteren Einsatz von Folkinstrumenten sehr gut rübergebracht

Nachteile

- manchmal geht die Tinflute durch ihren inflationären Gebrauch auf die Nerven
- kommt von der Lautmalerei nicht ganz an seinen Vorgänger heran

Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über Patreon
Die mobile Version verlassen