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FAANEFJELL – Aufstand der halbstarken Trolle

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FAANEFJELL – „Dovrefall“

Veröffentlichungsdatum: 09.11.2018
Länge: 37:32 Min.
Label: Mighty Music
Genre:
Folk/Symphonic (Death) Black Metal

‚Welch‘ eine freudige Überraschung‘ dachte ich mir: nach über acht langen Jahren trumpft die norwegische Folk-Black-Metal-Brigade FAANEFJELL aus der beschaulichen Küstenstadt Kristiansand mit ihrem zweiten Longplayer „Dovrefall“ auf. Schon mit ihrem Erstlingswerk „Trollmarsj“ aus dem Jahre 2010 konnte sich diese Formation nicht nur durch ihre Musik, sondern auch aufgrund des ansprechenden Cover-Artworks und ihres visuellen Auftretens auf Konzerten, authentisch als Bande musizierender Trolle, vermarkten. Da allgemein bekannt ist, dass Trolle etwas langsamere Weggefährten sind, lassen wir die lange Durststrecke des Wartens einfach mal unbewertet im Raum stehen.

Die besagte Norweger Kombo war damals 2010/11 eine der ersten Folk-Black-Metal-Bands, auf welche ich als Metal-Neuling gestoßen bin. Mit ihrem Debüt „Trollmarsj“ aus dem Jahre 2010 haben sie mich mit ihrer nordisch-folkloristischen und zeitgleich melodieträchtigen und authentischen, trendabkehrenden Spielart des Black Metal verzaubert und meine voranschreitende Passion für die Sparte des (skandinavischen) Folk/Pagan/Viking/Black Metal mit geprägt. Tritt „Dovrefall“ nun in die Fußstapfen seines im Underground weitläufig angeklungenen Vorgängers oder haben wir es hierbei vielleicht mit einem musikalischen Paradigmenwechsel zu tun?

Stillstand oder Evolution?

Der Opener-Track „Styggedommen vaakner“ liefert sofort einen unvermittelten, nahezu abrupten Einstieg in das Album. Im kurzweiligen instrumentalen Intro ist dabei schon die grundlegende melodramatische Melodielinie und die leichte symphonische Verortung des gesamten Songs integriert. Der anschließend einsetzende Gesang variiert zwischen Black Metal-typischem Krätzgesang und Growlparts, welche sonst eher im Death Metal angesiedelt sind. Der Song scheint nach einem „3-Akte-Schema“ aufgebaut zu sein (Exposition – Höhepunkt/Steigerung – Auflösung), welches keine wirklichen Überraschungsmomente aufwarten lässt sowie keine/kaum akustische Intros/Outros oder vertraktere Bridgeteile und Soli aufweist.

Dieser lineare konzeptuelle Aufbau (Grundarchitektur) des ersten Tracks wurde im Folgenden auch auf die übrigen Nummern übertragen. Ein regelrechter Fluss an Titeln – hintereinander weg arrangiert, ohne merkliche Pausen und genuinen Übergängen – dominiert das Album. Auch beispielsweise der zweite Titel des Albums „Hat“ geht sofort mit einem wuchtigen artillerieartigen Drumeinsatz und vordergründig gemixten Vocals in die Vollen, wobei wenig später auch Streichinstrumente die Melodieführung bereichern. Der anschließende Titel „Frostbitt“ dagegen, lässt gesangstechnisch und hinsichtlich der Gitarrenriffstruktur markante Parallelen zum Death Metal deutlich werden, welche ab der zweiten Hälfte des Albums noch intensiviert und ausgebaut werden. Die Sounds der Gitarren klingen dabei zunehmend tiefer und wuchtiger. „Svineslaktervisa“ klingt durch das Riffmuster und den überdurchschnittlich tiefen Gesang sogar anfänglich partiell etwas nach Brutal Death Metal aus der Endphase der 1990er Jahre. In „Vindstille“ erinnert der Refrain wiederum stark an WINDIR.

Genrehybrid „Dovrefall“?

Aufgrund der Death-Metal-lastigen Gesamtkomposition in der zweiten Hälfte des Longplayers erscheint auch eine mögliche hybridartige Genrezuweisung zum „Symphonic Death Metal“ oder „Symphonic Death Black Metal“ nicht ganz abwegig. Der schon beschriebene symbiotische, handwerklich anspruchsvolle und strukturierte, aber nicht gänzlich unkonventionelle Wechsel zwischen Krätz- und Growlgesang, sowie die allgemein saubere, durchdachte, ausgereifte Produktion und die symphonische Akzentuierung, welche dramaturgisch aufbauend wirkt, setzten zwar zweifelsohne positive Akzente, aber leider verspielt das Album durch mehrere Faktoren sein Potenzial.

Zum einen driften die Melodien zu schnell in Monotonie ab, da sich viele Motive wiederholen, bzw. nur geringfügig abgewandelt werden. Hinzu kommt, dass das Gesamtklangbild besonders ab der zweiten Hälfte des Albums zu homogen und variationslos wirkt. Außerdem gehen die Streichinstrumente und symphonische Arrangements schnell in den harten Gitarrenriffs unter. Dies erscheint etwas seltsam im Hinblick auf etliche Kritiken gegenüber vielen Melodic/Symphonic Death Metal-Bands, welchen zur Last gelegt wird, dass in ihren Veröffentlichungen die metallischen Grundkomponenten im Bombast der orchestralen Inszenierung untergingen.

Und außerdem…

Mir persönlich missfällt ebenfalls etwas, dass die Musik nun weniger auf Folkeinschlag und skandinavisches Flair getrimmt ist als bei „Trollmarsj“. Der kompositorische Fokus wurde folgend auf kohärente, aber eher flachere Melodieführung, symphonische Sekundäreinflüsse und Dramaturgie ohne Ruhepausen verschoben. Somit klingt „Dovrefall“ zwar produktionstechnisch ausgereifter, moderner und fortschrittlicher, aber auch zeitgleich geradliniger und angepasster als sein Vorgänger. Das grundlegend folkloristisch, traditionell, ursprünglich, roh und blacklastig fokussierte „Trollmarsj“ hatte in der Quintessenz für mich mehr Wiedererkennungspotenzial, Eingängigkeit und brachte mehr Authentizität rüber. Vielleicht hätte ein pointierter Einsatz von gemischten Chören manche Titel in ein erhabeneres und majestätischeres Gesamtgewand hüllen können.

Während „Trollmarsj“ noch vorzugsweise Fans von anderen skandinavischen Folk-/Viking-/Melodic-Black- Metal-Bands wie GALAR, COR SCORPII, ISTAPP, FIMBULTYR oder den seligen WINDIR bedienen konnte, spricht „Dovrefall“ mit seinem neuen Sound wahrscheinlich ein etwas abgewandelteres Hörerklientel an: Fans von DIMMU BORGIR, alten GRAVEWORM („When Daylight’s Gone“), SUOTANA, DUSKMOURN, VESPERIAN SORROW oder SKYFIRE können sich den Tonträger gern auf den Merkzettel schreiben, wobei ich alternativ noch folgende „relativ“ aktuelle Veröffentlichungen empfehlen kann, welche einen ähnlichen stilistischen Weg einschlagen, wie „Dovrefall“:

„Palo“ von KALMAH (April 2018); „Parthenope“ von SCUORN (Februar 2017) und „Seid“ von KVALVAAG (Juli 2018)


Dies ist ein Gastautorenbeitrag von: Nico

Autorenbewertung

6
In der Quintessenz macht "Dovrefall" gleichzeitig einen Schritt nach vorn, aber irgendwie auch nach hinten. Auch wenn der Spagat zwischen Black und Death Metal mit symphonischer Sekundärausrichtung durchaus in seinem Grundgerüst glückt und mutig erscheint, verkörpert das Endergebnis eher noch einen Prototyp des "Faanefjell-2.0.-Sounds", welcher zum nächsten Album hin durchaus noch verfeinert werden kann. Denn, dass sie durchaus über Kompetenzen in puncto Songwriting und Beherrschen ihres Instrumentariums verfügen, stellen sie hier erneut unter Beweis, allerdings fehlt der Ecken- und Kantenschliff zur vollumfänglichen Ästimation ihres neuen Tonträgers.
ø 0 / 5 bei 0 Benutzerbewertungen
6 / 10 Punkten

Vorteile

+ Sound ausgereifter (qualitative Weiterentwicklung, aber nicht „overproduced“)
+ starke Dichotomie im Gesang (Growl und Krätzgesang beide wuchtig im Klangbild)
+ angenehmes Mixing der Drums
+ Laufzeit von knapp 38 Minuten für ein moderates Folk/Symphonic Black Metal Album durchaus gefällig

Nachteile

- zu vorhersehbare Grundarchitektur der Songs (Varianz lässt zu wünschen übrig)
- symphonische Arrangements und Streicher gehen leicht in Gesamtkomposition unter, bauen zwar Spannung auf, sind aber (noch) nicht komplett ausgereift
- guter Querschnitt aus sämtlichen Extreme-Metal-Komponenten aber Originalität durch eigene Impulse oder eingängige Melodien werden nicht statuiert
- keine wirklich markanten Intros, Outros und Interludien wie bei „Trollmarsj“
- eingängige, markante Folk-Komponenten aus „Trollmarsj“ nahezu komplett wegrationalisiert

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