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Fahnenflucht – „Weiter Weiter“
Fahnenflucht – „Weiter Weiter“
Veröffentlichungsdatum: 28.05.2021
Länge: 0:45:46
Label: Aggressive Punk Production
Genre: Deutsch Punk
Achja, wie lange ist es her… Damals, als ich das erste Mal Fahnenflucht hörte, und es ein kompletter Gamechanger in meiner kleinen Punkwelt war. „Ohne Ausweg“ gecovert von einer Band aus Mitschülern der Klassenstufe unter mir – und es veränderte sich alles. Neben den großen alten Punkbands die ich so leidenschaftlich hörte, gab es also auch aktuelle, harte Bands die mit bösen Worten um sich warfen. Und so bekam ich kurz später dann auch das legendäre Live-Bootleg aus Leipzig in die Finger. Und heute steht die ganze Banddiskographie schon lange als Vinyl im Schrank!
Deutschpunk in bester Form
FAHNENFLUCHT zeichnen sich durch eine musikalische Schnelligkeit und treibende Instrumente aus, die durch die Lieder peitschen. Aber vor allem eben auch durch die großartige Stimme des Sängers! Diese Wut, dieses anklagende kurz vor der Grenze zum Verzweifeln, diese Fassungslosigkeit, dieses Unverständnis und dieser schmerzliche Wehmut über die Themen die in den Liedern vorherrschen. Zusammen mit der Kratzigkeit der Stimme ergibt das den typischen Sound von Fahnenflucht! Und in diesen Sound verpackt sind gesellschaftskritische, strikt antifaschistische und sehr intelligent formulierte Texte die den Finger immer mitten in die Wunde drücken!
Warum ich das schreibe? Weil das neue Album „Weiter Weiter“ wieder exakt in genau diese Kerbe schlägt! Um ein Fazit vorneweg zu nehmen: Es ist ein Brecher, es ist genau das Album das 2020/2021 erscheinen musste. Ein Rundumschlag, eine Abrechnung mit der Verrohung der Welt, mit dem fehlenden Klimaschutz mit „dem Volk“ und mit allem. Und das auch wie gewohnt musikalisch in mitreißender Art und Weise.
Der Review kommt ein wenig spät. Aber ich wollte nicht in der ersten Euphorie sondern nach vielen Durchläufen schreiben, um auch zu schauen ob es nach dem dritten und fünften Hören noch genauso knallt. Und das tut es!
Hart, düster, anklagend und immer auf den Punkt!
Schon der Opener „Welt“ dreht sich um die Ausbeutung des Planeten und stellt die Frage in welcher Welt wir leben wollen. Und dabei wird auch knallhart resümiert, das die Menschheit für die Erde völlig unwichtig ist. In die gleich Kerbe schlagen auch „satt“ und der letzte Track „Trümmer“, bei denen es sowohl um den Raubbau, als auch um Profitgier und ewigen Konkurrenzkampf geht. „Bewegung“ dagegen dreht sich um Freiheit und darum, das man dafür eben immer am Ball bleiben und niemals bequem werden darf. Und passend zum Titel geht das Lied auch kräftig vorwärts!
Den Song „Energie“ interpretiere ich als einen Nachruf, allerdings kenne ich die Hintergründe dazu nicht. Aber das muss ich auch nicht, damit mir der Titel dennoch gefällt! Während sich „Vater unser“ dann gegen das Patriachat und die machtbesessene Männerwelt richtet, ist mit „Serotonin“ schon fast eine Art Motivationstrack vorhanden. Und dessen Kernbotschaft „du bist mehr wert als du denkst“ ist definitiv komplett richtig!
„Wir sind ein Virus aus Sternenstaub und Dreck“
„Misantroph“ nimmt eine Sonderrolle ein, denn es ist das einzige ruhige Lied das ich von FAHNENFLUCHT kenne. Gleichzeitig ist es aber vom Text her so bitter, das es auch wieder typisch ist. Ein verzweifeltes Resümee über die Menschheit und deren sinnloses Handeln. Deutlich kraftvoller geht es dann bei „Welcome to hell“ zur Sache, und hier interpretiere ich das Lied textlich als Kritik an den Teilnehmern der großen Gipfel wie G8 und G20. Ich glaube auch das Liedtitel und das Motto der damaligen größten kritischen Demo beim G20 in Hamburg nicht ganz zufällig identisch sind.
Und deutlich direkter geht es bei den restlichen Titeln zu. Die drehen sich mehr oder weniger um die gleiche Thematik, nämlich den gesellschaftlich stillschweigend geduldeten Rechtsruck der Gesellschaft. „Kein Teil“ richtet sich direkt gegen die Wutbürger und den Slogan „wir sind das Volk“, von dem man eben kein Teil sein möchte! Bei „alte Lieder“ geht es eben darum, das genau diese alten Lieder immer wieder Hass und Hetze hervorrufen und es wird ein Bezug zur Weimarer Republik hergestellt.
In „Asche“ geht es um das brandaktuelle Thema, wie sehr sich die Gesellschaft spaltet und wie aus alten Weggefährten plötzlich Fremde oder sogar (politische) Gegner werden, und hier wird auch mit direkten Anspielungen auf X-gida und andere rechte Umtriebe nicht gegeizt. Und zum Abschluss ist da noch „BRND“ was mit absolut klaren Worten gegen Prepper, rechte Netzwerke und Kampfsportler wettert und diese auch klar und deutliche als Nazis, Rassisten und Faschisten sowie Menschenfeinde betittelt.
Fazit:
„Weiter Weiter“ reiht sich lückenlos in die großartige Fahnenflucht Diskographie ein. Das Album geht dahin wo es wehtut! Hier gibt es keine Happy Ends, keine bunten Zukunftsträume und auch keine lustigen Trinklieder. Stattdessen wird in 14 Lieder auf die großen Probleme unserer Zeit eingegangen. Und dabei wird wahrlich kein Blatt vor den Mund genommen! Treffend, hart und direkt, ohne allerdings über das Ziel hinaus zu schießen oder sich in Plattitüden zu ergehen. Das ist für mich moderner und intelligenter deutscher Punk wie er sein muss! Ich ziehe meinen Hut, und kann gar nicht anders als dem Album voll Punkte zu geben und danke zu sagen!
Autorenbewertung
Vorteile
- textlich geschliffen
- schnell, hart und immer vorwärts
Nachteile
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