Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über
Festivals – ein bedenklicher Trend?
Es gab mal eine Zeit, da schienen Festivals Rock- und Metalfans vorbehalten zu sein – inzwischen rennt schätzungsweise jede zweite Kommilitonin mit einem Festivalbändchen am Arm durch die Uni. Sputnik Springbreak, splash!, Helene Beach – von wegen Metal. Selbst für den Einlass zu Abibällen werden immer öfter Stoffbänder mit Metallklammern verteilt. Ob Modeaccessoire oder persönlich bedeutsames Erinnerungsstück –
Warum sind Festivals so ein Trend geworden?
1983 gab es bereits 30 größere Festivals in ganz Deutschland. Wie niedlich! Inzwischen sind es weit über 500 – und diese Angabe stammt von 2014! Die Anzahl wächst und wächst, Festivals erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und sind als fester Bestandteil der Jugendkultur nicht mehr wegzudenken.
Eine Begleiterscheinung dieser Tendenz: Der Begriff „Festival“ wird aktuell immer stärker für Marketing-Zwecke ausgenutzt.
Damit meine ich nicht die Tatsache, dass die Tickets für besagte Veranstaltungen teilweise sündhaft teuer sind (was in den meisten Fällen mit Sicherheit auch gerechtfertigt ist, wenn man bedenkt, welch ausgeklügelte Organisationsstrukturen stets dahinterstecken).
Nein, mir geht es hierbei darum, dass Festivals in der Öffentlichkeit teilweise mehr und mehr mit Mode und Beauty-Produkten assoziiert werden, anstatt mit Musik.
Da gibt es Mascara, die damit wirbt, die perfekten Festival-Wimpern zu zaubern. Es ist doch nur Wimperntusche! Was haben Wimperntuschen und Festivals gemeinsam? Ich begreifs nicht.
Noch so ein ganz heißer Styling-Trend, der durch das diesjährige Coachella-Festival populär geworden ist: der sogenannte Glitter Booty. Aber warum soll ich mir Glitzer auf den Arsch kleben, wenn ich doch eigentlich nur headbangen will?
Aber Festival ist eben nicht gleich Festival. Es scheint, an dieser Stelle begegnen sich zwei verschiedene Welten, obgleich sie denselben Namen tragen. Hier muss man noch einmal unterscheiden zwischen klassischen Metal-Festivals und denen, die Blogger, Fashionistas, und Social-Media-Influencer vereinnahmt haben.
Wie lange wird es wohl noch dauern, bis auch Wacken zum Laufsteg verkommt?
Mir schien es lange, als seien Festivalbändchen in erster Linie ein fast unfehlbarer Anzeiger dafür, dass da ein Fan von Rockmusik vor mir steht. Und die Wurzeln solcher mehrtägiger Open Airs liegen auch tatsächlich in traditionell handgemachten Gitarrenklängen: Im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ fand anno 1959 mit dem Newport Folk Festival das erste bekannte und große Musikfestival statt.
Woodstock war zwar nicht das erste Festival, bleibt aber bis zum heutigen Zeitpunkt das populärste. Und möglicherweise auch das, an dem sich die aktuellen Modetrends orientieren. Blumenkränzchen? Hippie-Wimpern? Ein eher kläglicher Versuch, den ursprünglichen Woodstock-Spirit zu konservieren, wenn man darüber nachdenkt, was die eigentlichen Hintergründe für das Stattfinden der „3 Days of Peace & Music“ waren – dem Vietnamkrieg ein friedliches Zeichen entgegenzusetzen – wirkt eine nachgeahmte Inszenierung im Kontext der heutigen First World, deren größtes Problem es ist, wenn das Internet mal für ein paar Stunden nicht funktioniert – ich schließe mich da selbst nicht aus – nicht nur unheimlich gestellt, sondern sogar verdrängend.
Doch ein wenig Schaulaufen?
Na schön, ich muss schon zugeben, auf meinem ersten Metal-Festival fiel mir auf: Ein bisschen ähnelte es ja doch einer Modenschau. Da werden in weiser Voraussicht für drei bis vier Tage nur die schönsten Bandshirts liebevoll aus dem Schrank gekramt, stolz trägt man seine Kutte über den Campground spazieren, über Jahre hinweg nur mit den besondersten Patches bestückt, und am Ende kommt eine herrlich bunte Meute aus Trägern schwarzer T-Shirts zusammen.
Auch, wenn einige der aktuellen Modetrends sicher fragwürdig sind und noch dazu höchst unpraktisch erscheinen, sollte es jedem gestattet sein, auf einem Festival dem stinknormalen Alltag zu entfliehen und sich selbst so auszuleben, wie er oder sie es für richtig empfindet.
Kritiker werden an dieser Stelle argumentieren, dass die Musik doch Mittelpunkt eines Musikfestivals sei und bleiben solle. Aber sollte nicht jeder Gast eines solchen für sich entscheiden, welchen Sinn er der Veranstaltung für sich entnimmt? So soll es auch bei Rock am Ring, With Full Force oder Summer Breeze die berüchtigten Phantom-Besucher geben – jene Menschen, die ein Ticket ergattert haben, um letztendlich die meiste Zeit in gemütlicher Runde auf dem Campingplatz zu verbringen, anstatt sich unters Konzertpublikum zu mischen.
Die Tussi mit dem Assi
Was also wäre eine Musikveranstaltung ohne eine großartige Gemeinschaft, mit der man sie teilen könnte? Dem wertvollen Potenzial, Menschen jeden Alters, jeder Nation und jeder Berufsgruppe zu verbinden, können nicht viele sonstige Kulturveranstaltungen das Wasser reichen.
Bliebe wirklich nichts als die Musik – und sei sie noch so großartig – so würde eine ganze Menge der Atmosphäre, dem ganzen Drumherum, das eine Festivität ausmacht, verloren gehen.
Festivals haben nicht mit Metal angefangen, sie werden auch nicht beim Metal aufhören, haben sich aber dennoch als unersetzbare Zutat der Subkultur etabliert. Auf viele Anhänger dieser scheint es eine beängstigende Wirkung zu haben, dass solche Bestandteile in verstärktem Ausmaß in die Populärkultur übernommen werden. Fast so, als käme es Plagiarismus gleich, ähnliche Festivitäten auch „unprivilegierten“ Nicht-Metalheads zugänglich zu machen.
Ob nun Metal oder nicht: Man teilt die Kulturveranstaltungen zwar in unterschiedliche Kategorien ein, die aber nicht mehr ganz klar voneinander abzugrenzen sind, denn eine entscheidende Komponente haben sie alle gemeinsam – die Kunst.
Wie so oft verlaufen die Grenzen eben auch hierbei – fließend
Dass es mittlerweile solch ein vielfältiges Angebot an verschiedensten Festivals gibt, ist doch fantastisch! Es beschränkt sich nicht einmal nur auf Musik – da gibt es Foodfestivals, Comicfestivals, Theaterfestivals, … die Liste lässt sich ungeahnt fortführen.
Da ist für fast jeden Geschmack etwas Passendes dabei. Beachtlich!
Und ob man den teils fragwürdigen „Festival-Trends“ am Ende folgen möchte, oder nicht, wird – glücklicherweise – Geschmackssache bleiben. Es hat eben doch einen Grund, weshalb man Modepüppchen-Veranstaltungen von herkömmlichen Metal-Festivals trennt. Welcher das sein soll? Ganz einfach: Blumenkränze und Muschelkrönchen im Haar stören beim Headbangen.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von static.independent.co.uk, buzzfeed.com, wittyandpretty.com und sueddeutsche.com. All rights reserved!
Dies ist ein Beitrag von Gastautorin: Alexandra
Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über