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Fimbul Festival 2020 – Part 2

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Der zweite Tag

Es ist Samstag, der 5. September um 15 Uhr und die Wetter-App sagt: 16°C, 89% Regenwahrscheinlichkeit und < 1 Sonnenstunden. Alle haben sich mittlerweile zäh aus ihren Schlafgemächern begeben und sind trotz des grauen Himmels entspannt und locker.

©Carsten Brand

OK. Das Line-Up sagt: Asharda… Asarhdaa.. ASARHADDON! Sagt(e) mir bisher rein gar nichts. Ein Blick auf Bandcamp und die Encyclopaedia Metallum verrät mir: Das ist Black Metal aus Magdeburg. Seit 2017 mit einer Frau an den Vocals und mit ihrem ersten full-length Album „Reysa“ im Gepäck, welches im Februar 2020 erschienen – also brandneu ist. Ich bin gespannt, erwarte aber dem „erste Band“-Bias erliegend nicht zu viel. Was ich zu hören bekomme, begeistert mich jedoch auf Anhieb. Nach ruhigen Gitarrenklängen als Intro ertönt ein Schrei der Sängerin und aktiviert eine melancholisch anmutende Gitarrenwand und Doublebass. Die deutschen Lyrics stören für mich ausnahmsweise einmal nicht das Klangbild – sehr positiv!

Nach ihrem ersten Song sind bereits schätzungsweise 100 Menschen im näheren Bühnenumfeld anwesend. Die Reihen füllen sich zügig weiter. Und trotz dessen, dass ASARHADDON die erste Band des Tages sind, erblicke ich schnell einzelne Menschen, die ihre Haare schütteln oder enthusiastisch mitwippen. Der melancholisch-melodiöse, düstere Sound und der kräftig-rauhe Schreigesang aus mittelhohen Growls und Screams passen gut zum tristen, grauen Samstagnachmittag. ASARHADDON liefern den Besucherinnen und Besuchern des Fimbul Festivals offensichtlich einen handfesten Grund, ihre Zelte und Pavillons zu verlassen und zum Burghof zu strömen – Bravo! Mir liefern sie einen Grund, mir eins ihrer optisch ansprechenden Shirts und einen Metalpin zu kaufen, während meine Schreiber-Kollegin Malin sich der nächsten Band widmet.

Ein Fest(ival) für die Götter

©Carsten Brand

Malin: Odin! Bei keiner anderen Band fällt dieser Name so oft wie bei dem folklorischen Duo WALDTRÄNE. Ein Mann, eine Frau, ein Thema: Natur. Wind und Wälder, Geister und Götter, das volle Programm. Naturbelassene Gewandungen, Schnurgürtel und Amulette sowie ein runder Schild mit einem Adler darauf verleihen der Szenerie die entsprechende Optik. Musikalisch umgesetzt wird das Ganze von (verstärkter) Akustikgitarre, Trommel und Flöte, gepaart mit Gesang. Die Melodien erinnern mich teilweise an SKYFOREST, die Songs selbst werden mit Einspielern von Vogelgezwitscher und rauschendem Wind ergänzt.

Das Problem ist bloß: Die Atmosphäre eines Lagerfeuers wäre perfekt für diese Musik, aber am helllichten Tag entfaltet die Darbietung nicht so recht ihre Wirkung. Das wirkt sich leider auch auf die Zuschauerzahl aus, die eher gering ausfällt. Irgendwie können WALDTRÄNE mich nicht begeistern. Das liegt vielleicht auch an dem teils ungleichmäßig lautem Gesang, vor allem aber am fehlenden Elan. Und dann scheint auch noch die Mittagssonne so wohlig warm… eigentlich könnte ich doch ein kleines Nickerchen machen…

Nix da!

©Carsten Brand

…Denkste! Jeder, der bei WALDTRÄNE in Sekundenschlaf verfallen ist, wird jetzt von THEOTOXIN gnadenlos wieder aufgeweckt. Die Österreicher stellen dieses Jahr neben HARAKIRI FOR THE SKY die einzige Band beim Fimbul Festival, die nicht aus Deutschland kommt. Mit kompromisslosem Geballer fordern sie das heranrückende Publikum quasi durchgehend zum Headbangen heraus. Es geht derart zur Sache, dass dem Schlagzeuger sogar eines seiner Becken umkippt – zum Glück ist es schnell wieder aufgestellt, und THEOTOXIN können ohne größere Unterbrechung weiter ihren krachenden Black Metal zum Besten geben.

Mit ihren schwarzen Tüchern, die sie über Mund und Nase gezogen haben, sind die Bandmitglieder neben der (natürlich nicht zu vernachlässigenden) Optik auch gleich gegen Corona gewappnet. Ihr Aussehen gleicht ihrer Musik – hart und böse, aber irgendwie cool. Mir gefällt der Auftritt von THEOTOXIN, und damit ich diese persönliche Neuentdeckung nicht gleich wieder aus den Augen verliere, wird am Merchstand auch erstmal eine CD gekauft!

Kontrastprogramm zwischen Black und Pagan

©Carsten Brand

Simon: Mittlerweile ist es 18:50 und mit der Abendbrotzeit kommen die Thüringer Germanenhorden von XIV DARK CENTURIES auf die reich mit mittelalterlichen Flaggen dekorierte Bühne. Die Textpassage „Blut für Blut; Fleisch für Fleisch“ verrät: Sie starten mit „Zeit der Rache“ vom 2011er „Gizit dar Faida“-Album und greifen ganz nebenbei die einzigen Sonnenstrahlen des Tages ab. Offenbar haben XIV DARK CENTURIES also die Gunst Wotans erlangt.

Auch XIV DARK CENTURIES haben mit „Waldvolk“ (Release: Februar 2020) ein neues Album im Gepäck, von dem sie mit „Ich bin das Feuer“ auch direkt einen Song dem Publikum des Fimbul Festivals präsentieren. Schätzungsweise 200-300 Zuschauer befinden sich zu dieser Zeit im weiteren Bühnenbereich und zumindest die Pagan-Fraktion davon wird von der Musik definitiv abgeholt. Spätestens als mit „Auf zur Schlacht“ von „Jul“ „etwas altes – für die Rentner“ gespielt wird, wippen sehr viele Gäste einschließlich mir selbst munter zur Musik. Die Klassiker scheinen es hier definitiv etwas leichter zu haben als neue Songs. Headbangen bis in die hinteren Reihen, „Oi, Oi, Oi!“ und empor gereckte Fäuste zeigen: Hier macht das Publikum mit! Dies wird erneut deutlich, als „Julenzeit“ (ebenfalls von „Jul“) ertönt und „laa la la (…), Hooo hoo hoo“ gemeinschaftlich zur Geigenmelodie gesungen wird.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

©Carsten Brand

Malin: Eine Band, auf die ich mich eigentlich gefreut habe, weil ich ihre Musik sehr gerne höre, sind WALDGEFLÜSTER. Vielleicht war meine Erwartungshaltung darum auch etwas zu hoch. Aber der Reihe nach. WALDGEFLÜSTER sind mittlerweile zu sechst, die gesamte Band trägt matchende T-Shirts in Naturfarben mit ihrem Logo darauf und auch die Bühne ist thematisch passend dekoriert. Als Mikrofonständer fungieren Äste und links und rechts von den Musikern hängt jeweils ein Banner mit dem Wappen der Band, bestehend aus Schriftzug, Hirschkopf und Wald. So weit, so gut – dann kanns ja jetzt losgehen mit der Musik.

Aber die Band hat offenbar ein anderes Konzept. Begleitet von den Gitarren, die zuvor bereits ein Intro gaben, stellt sich zunächst der kahlköpfige Sänger ans Mikrophon und rezitiert einige poetische Sequenzen. Das soll vermutlich Atmosphäre erzeugen, aber irgendwie lässt es mich komplett kalt. Ich warte auf den ersten Song, und je länger dieses Warten dauert, desto unruhiger werde ich.

Aber dann ist es endlich so weit und WALDGEFLÜSTER legen mit genau dem Black Metal los, der mich so begeistert: Melodisch, gewaltig – und atmosphärisch! Dieser Teil des Auftritts wirkt auf mich, wie es vermutlich schon der Anfang hätte tun sollen. Leider vergeht die Zeit wieder einmal viel zu schnell und ehe ich mich versehe, ist die Hälfte der Musiker schon wieder von der Bühne verschwunden. Die noch verbliebenen wiederholen das Zeremoniell vom Anfang. Und obwohl ich mich redlich bemühe (vielleicht ist genau das der Fehler?), ich kann die gewünschte Wirkung immer noch nicht nachvollziehen. 

©Carsten Brand

Der Auftritt von WALDGEFLÜSTER ist gut besucht, und auch als die gesamte Band zum Schluss noch einmal auf die Bühne tritt und sich vor den Zuhörern verbeugt, wird großflächig geklatscht. Es ist also vielleicht nur mein subjektiver Eindruck, wenn ich sage, mich hat die Vorstellung etwas enttäuscht. Ich hatte mich vor dem Fimbul Festival gefragt, wer wohl für mich das Rennen in Sachen atmosphärischster Auftritt machen würde – WALDGEFLÜSTER oder HARAKIRI FOR THE SKY. Und nun muss ich ehrlich sagen, HFTS haben gewonnen – mit deutlich mehr Vorsprung, als ich erwartet hatte. Aber da sieht man mal wieder: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Vom finsteren Wald in den eisigen Kosmos…

©Carsten Brand

Simon: Von Black Metal mit irdischen/naturbezogenen Themen kommen wir mit THE SPIRIT zu kosmisch-kaltem Black Metal. Die drei – eigentlich vier – Jungs aus Saarbrücken entpuppen sich für mich überraschend als eins DER Festivalhighlights für mich. Denn unter dem Namen konnte ich mir erst einmal gar nichts vorstellen. Die Ansage zu Beginn des Gigs, dass wegen des leider verhinderten Bassers um „Entschuldigung gebeten wird, falls es hier und da etwas dünn klingt – aber Absagen nicht in Frage kam“ machen sie umso sympathischer.

©Carsten Brand

Ich erwarte – den kosmischen Motiven auf den Aufstellern links und rechts der Bühne nach – also etwas „dünnenBlack Metal. Und ich werde extrem geflasht. Denn was da von der abwechselnd rot und blau eingefärbten Bühne auf mich einprasselt, ist alles andere als „dünn“. Zwei durchgängig schreddernde Gitarren, ein Schlagzeug von dem Doublebass und Blastbeats abwechselnd in absolut überwältigend brachialer Art und Weise auf mich einbrettern und eine garstig tiefe, raue und kalte Stimme – das sind THE SPIRIT.

Was für eine überwältigende Black Metal Wand! Anfangs ist die Snare noch etwas sehr prägnant und klingt nach Tupperdose/Blechtopf, doch das wird schnell korrigiert – oder sollte das sogar so sein? Das absolut überragende, alles niederreißende Geknüppel wird immer wieder unterbrochen von ca. einminütigen, instrumentalen Gitarrenparts und dann wieder von einer Welle der Verwüstung kosmischer Kälte überschwemmt.

Und als ob THE SPIRIT mich nicht schon mit ihrer Musik und Live-Performance absolut überzeugt hätten, kommen sie dann noch mit absolut grandiosem Merchandise in Form von ansehnlichen Shirts und Beuteln daher.

… und wieder zurück in den Wald

©Carsten Brand

… geht es direkt im Anschluss mit dem Headliner des zweiten Tages: FINSTERFORST.

Ich sehe drei bärtige, verschmutzt aussehend geschminkte Glatzköpfe, die sich sehr ähnlich sehen auf der Bühne. Ich sehe einen Sänger, der mit einem ausgeprägten Entertainer-Gen seine Vocals darbietet und weiß: Der zu hörende Folk-Metal ist der von FINSTERFORST! Bei einem der beiden genannten Glatzköpfe handelt es sich übrigens um Stef, den regelmäßig outgesourceten Sänger von JÖRMUNGAND – ein vom Vortag bekanntes Gesicht also. Der Revoluzzergeist á la „Mach dich frei“, den viele der Songs von FINSTERFORST ausstrahlen findet sich in der blutig-schmutzigen Schminke der Musiker allerdings mehr wieder als im uniformartigen Auftreten der Band, denn absolut ALLE tragen rot-schwarz karierte Holzfällerhemden und schwarze Jeans. Aber gut – der Professionalität der Musik und des Auftritts von FINSTERFORST tut dies keinen Abbruch.

„Hallo Fimbul Festival!“ – „Hallo FINSTERFORST!“ – „Sehr freundlich, der junge Mann da in der 1,5ten Reihe!“ … „Habt ihr ein geiles Wochenende!?!? So eine geile Scheiße, endlich wieder live spielen zu können!“ Dieser Dialog, genau wie das sich wiederholende „Und eure Hände!!! PROST!!!“ oder „Ihr seid zu leise!!!“ zeigen: FINSTERFORST fühlen sich wohl auf der Bühne und verstehen es, das Publikum da abzuholen, wo es steht – selbst, wenn es in 1,5 m Abstand und/oder mit Mund-Nasen-Schutz ist.

©Carsten Brand

Dennoch muss ich feststellen, dass weniger Zuschauer als beim Vortages-Headliner HARAKIRI FOR THE SKY zuschauen. Die angereisten, ihre Fäuste eifrig bei jedem Song hoch reißenden FINSTERFORSTUltras gleichen dies jedoch insgesamt aus. FINSTERFORST sind nicht das, was ich persönlich musikalisch bevorzuge, aber ich kann nicht leugnen, dass sie auf jeden Fall ein Garant für eine professionelle Performance sind, die Folk- und Pagan Metal Fans auf ihre Kosten kommen lässt.

Mit der Hymne der Revolution: „Mach dich frei!“ schließen FINSTERFORST ihr Set und mobilisieren noch einmal alle Kräfte im Publikum – alles in allem ein runder Auftritt.

Es ist Krieg, ihr Wichser!

©Carsten Brand

Malin: Last but not least haben TOTENWACHE ihren großen Auftritt und runden damit das Fimbul Festival 2020 ab. Ich war im Vorfeld schon sehr gespannt darauf, sie endlich mal live zu sehen. Und ich werde nicht enttäuscht! Die drei Hamburger spielen anti-christlichen Black-Metal á la SARGEIST, aber mit einer eigenständigen Note. Die Optik ist dafür mit Corpsepaint und schwarzer Klamotte recht klassisch gehalten, zusätzlich unterstützt die Dunkelheit der Nacht die düstere Atmosphäre. Vor der Bühne hat sich eine ansehnliche Zahl von Zuhörern eingefunden. Leider fühlen sich außer mir nur wenige davon zum Headbangen veranlasst. Aber es ist ja auch schon spät und schließlich wird man gegen Abend nicht unbedingt nüchterner.

Für Reaktionen im Publikum sorgt der Sänger von TOTENWACHE dafür mit seinen Ansagen. Auf seinen unvermittelten, heiseren Ausruf „Es ist Krieg, ihr Wichser!“ (na, wer hat die Anspielung verstanden?) erntet er verhaltenes Gelächter. Bei der Ankündigung „Es ist Zeit für eine Säuberung!“ hingegen hört man beinahe ungläubiges Raunen der Sorte: „Hat er jetzt nicht gesagt“. Aber keine Sorge, bei „Säuberung“ handelt es sich lediglich um einen Songtitel von der Split „Verbrannte Erde“. Das Fimbul Festival bleibt also verschont. Mich hat der Auftritt von TOTENWACHE definitiv überzeugt und auch hier nutze ich die Gelegenheit, noch schnell eine CD und ein Patch zu erwerben.

Fazit

Simon: Das Fimbul Festival war etwas ganz besonderes – nicht nur wegen der Umstände. Auf dem Fimbul Festival findet man alles, was viele bereits auch am Dark Troll zu schätzen wissen: eine insgesamt Top-Organisation, Leute (auch Gäste), die allesamt Bock auf ein cooles und entspanntes Festivalwochenende haben, eine hammermäßig schöne Location, die abgelegen, aber nicht ZU abgelegen ist und musikalisch gesehen alles, was das Pagan- und/oder Black Metal Herz begehrt. 

Die einzigartige Crew

Und: aufgrund der gegebenen Umstände hoffe ich, dass sich noch mehr Veranstalterinnen und Veranstalter ein Beispiel nehmen am besonderen Mut und der Willenskraft der beiden Veranstalter, den/die es in diesen Zeiten besonders braucht. Zudem hätte man im Anbetracht des Verlaufs der Covid-19 Pandemie wohl nur schwerlich einen besseren Zeitpunkt für das Festival erwischen können. Ich hoffe das Beste und insbesondere, dass uns allen das Fimbul und das Dark Troll Festival mit seinen wunderbaren Veranstaltern erhalten bleiben!

 


Dies ist ein Gastautorenbeitrag von: Simon

 

Vielen Dank für die großartigen Bilder an Carsten Brand!
HIER findet Ihr noch mehr Fotos!


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