Folk Metal in allen Facetten

Unser Autor Hannes hat kürzlich seine „Einblicke in die Geschichte des Grindcores“ mit uns geteilt. Dieser Überblick hat uns so gut gefallen, dass wir uns dachten: „Mensch, das könnten wir doch auch mit anderen Genres machen!„. Um das Gesagte umzusetzen, mach ich mich nun über das Genre Folk Metal her.
Jetzt muss ich gleich schon wieder den ollen Hannes zitieren, der im ersten Podcast Folk Metal als „Schunkel-Metal“ bezeichnet hat und so unrecht hat er gar nicht, da Folk Metal sehr von Melodien lebt. Aber wie klingt Folk Metal eigentlich, was macht ihn besonders, wo liegen die Anfänge und was grenzt Folk eigentlich von Viking- und Pagan-Metal ab?
Folk Metal – der kleine Bruder von … anders!
Folk Metal ist eines der jüngeren Genres des Metals. Die wahrscheinlichen Anfänge des Folk Metals begründete die englische Band SKYCLAD 1991 mit ihrem Debüt-Album „The Wayward Sons of Mother Earth“. SKYCLADs Debüt klingt erstmal kaum wie die Folk-Alben heutiger Zeit, ist die Musik doch sehr thrashig. Was es aber für diese Zeit besonders macht, ist die Violine, die im Konzept des Albums verarbeitet wurde und natürlich die Texte, die sich clever mit englischer Geschichte und der Geschichten der Vorfahren beschäftigt. Weitere wichtige Vertreter der Folk-Metal-Bands Mitte der 90er-Jahre sind CRUACHAN, die sich mit irischer Folklore und keltischer Mythologie beschäftigten, ORPHANED LAND aus Israel, die man als DIE Middle-Eastern-Folk-Metal-Band bezeichnen könnte und MAGO DE OZ, die ihren Klang im dritten Album „La Leyenda de La Mancha“ zu Folk Metal verfeinert haben. Eine Erwähnung sollte hier noch das damalige Site-Project von Satyr (SATYRICON) und Fenriz (DARKTHRONE) finden. Zusammen mit einer Gastmusikerin haben sie 1995 mit „Nordavind“ ein ziemlich genre-prägendes Album veröffentlicht.
Eine Ode an die Ahnen
Besonders wichtig für das Genre ist die Verarbeitung eines bestimmten Themas, wie die heimische Mythologie oder die Beschäftigung mit der frühen historischen Vergangenheit und alten Bräuchen. In jüngster Zeit gibt es im Folk Metal Abwandlungen, wenn man z.B. Bands wie ALESTORM betrachtet (oder gibt es eine Piraten-Mythologie?!). [Anm.d.Red.: ja, die gibt es tatsächlich, und nicht erst seit Johnny Depp. Die Piraterie ist so alt wie die Seefahrt selbst und ein unheimlich dankbares Thema für Geschichte und Geschichten. ;-)] Als zweites wichtiges Erkennungsmerkmal werden eher Metal-untypische Instrumente verarbeitet. Hierzu zählt der Einsatz von Keyboards, Violinen, Akkordeons, verschiedene Flöten und Trommeln, aber besonders altertümliche oder landestypische Instrumente, wie Tin Whistle, Drehleier (Hurdy Gurdy), Dudelsack, Nyckelharpa, Maultrommel, Erhu, Morin Khur, Panflöte, Banjo … die Liste ist schier unendlich (deshalb höre ich jetzt auch auf weiter aufzuzählen).
Stimmlich ist mittlerweile alles möglich und auch erlaubt, von eher rauem, dem Black Metal entlehnten Klängen (z.B. MOONSORROW, MELECHESH, NEGURA BUNGET), Growls (z.B. SYLVATICA, FUROR GALLICO), Screams (z.B. ENSIFERUM, FINNTROLL, GWYDION) bis hin zu Klargesang (z.B. HEIDEVOLK, KORPIKLAANI, ALESTORM, FOLKSTONE, DALRIADA) wird alles umgesetzt, gerne auch in Kombination miteinander.
#FolkMetalSuperStars – der Folk-Metal-Boom zur Jahrtausendwende
In den ersten Wehen der Jahrtausendwende erlebt der Folk Metal einen regelrechten Boom und Bands scheinen wie Pilze in allen Ländern der Welt aus dem Boden zu sprießen. Den Ursprung hat der Boom in Finnland. Die Band FINNTROLL nutzt Black-Metal-Einflüsse und mischt sie mit finnischem Humppa. Wer die Band noch nicht kennt: versucht euch mal WINDIR im Mix mit ELÄKELÄISET vorzustellen. Auch hier sind die Texte wieder an die heimische Mythologie angelehnt. Interessant ist, dass die Texte der finnischen Band auf Schwedisch sind. Hier hat jemand, der aus der fenno-schwedischen Minderheit stammt, seine Finger im Spiel.
In der ganzen Welt bekannt und gesellschaftsfähig gemacht haben den Folk Metal Bands wie KORPIKLAANI, ELUVEITIE, ENSIFERUM, TURISAS und die deutsche Band EQUILIBRIUM. Viele diskutieren vor allem die Nachteile der massiven Folkschwemme, die, wie bei jedem anderen Musik-Boom, auch weniger gutes Material anspült. Ich sehe diesen Boom sehr positiv. Denn dadurch ist das Genre unheimlich facettenreich geworden. Nicht nur durch die unterschiedliche Instrumentalisierung und lyrischen Auseinandersetzungen mit der Geschichte. Es herrscht auch eine enorme Sprachenvielfalt vor, die ihresgleichen sucht: von dänisch (SVARTSOT), deutsch (FINSTERFORST), estnisch (METSATÖLL), färöisch (TÝR), isländisch (SKÁLMÖLD), italienisch (FUROR GALLICO), lettisch (SKYFORGER), mongolisch (TENGGER CAVALRY), polnisch (HELROTH), rumänisch (NEGURA BUNGET), russisch (ARKONA, LESHAK, GRAI), schwedisch (GRIMNER), taiwanesisch (CHTHONIC) bis hin zu ungarisch (DALRIADA) ist alles vertreten (und noch viel mehr, aber dafür reicht der Platz hier nicht).
Folk Metals not Dead!
Für einige Musikzeitschriften ist das Genre Folk Metal längst tot. Zu wenig Innovationen kämen aus dieser Szene. Ich kann dem nicht ganz zustimmen! Die Fans dieses Stils werden mir beipflichten, dass es auf Festivals noch allerhand Folk-Metal-Bands zu sehen gibt. Auch Folk Metal spezifische Konzerttouren, wie Heidenfest und Paganfest, ziehen noch genug Menschen an.
Sicherlich wird nicht mit jedem Folk-Metal-Album das Rad neu erfunden und ich für meine Begriffe finde das auch überhaupt nicht schlimm (anderen Genres wird das auch nicht vorgeworfen … ähm … T(h)rash Metal … hust).
Wer lange genug sucht, wird trotzdem Innovatives finden. Man muss nur ein wenig mehr über den Tellerrand schauen. In Südamerika gibt es zum Beispiel CH’ASKA, die Death Metal mit einer melodischen Panflöte paaren.
Auf einem ganz anderen Kontinent, genauer gesagt in Spanien, setzt die Band NORTHLAND eine Geige geschickt als Lead-Instrument ein.
Reisen wir noch weiter um den Globus, werden wir feststellen, dass sich auch in Asien einiges tut. Bands wie TENGGER CAVALRY, NINE TREASURES, CHTHONIC und EGO FALL binden in unterschiedlichster Weise heimische Folk-Elemente in ihre Musik ein.
Für mich ebenfalls sehr spannend ist die Verbindung von nah-östlichen bzw. orientalischen Elementen mit klassischen Metal-Elementen. Erwähnenswert sind hier Bands wie AL-NAMROOD, MELECHESH, ODIOUS, NARJAHANAM und für den, der es etwas seichter mag: ORPHANED LAND und MYRATH kann ich auch sehr empfehlen. Also Augen auf! Es gibt auch im Bereich Folk Metal noch viel zu entdecken!
Folk, Pagan, Viking? – alles eine Soße?
Nee, nicht wirklich. Auch wenn sich natürlich Genres überschneiden können. Schon so manche Band hat in den Metal-Archiven eine Vielzahl an Genres um die Ohren geworfen bekommen. Für meine Begriffe, würde ich das so unterscheiden:
Viking Metal hat die nordische Mythologie zum lyrischen Vorbild und ist von der Band BATHORY geprägt worden. Meist kommen die markantesten musikalischen Einflüsse aus dem Black Metal. Als eher genre-typische Vertreter würde ich WINDIR, ENSLAVED (vor allem die frühen Alben) und MANEGARM nennen.
Pagan Metal ist vor allem vom Extreme Metal geprägt und verarbeitet heidnische und teils antichristliche Themen. In dieses Genre würde ich Bands wie HELRUNAR, THYRFING und WOLFCHANT stecken.
Wie bereits ausführlich beschrieben, wird die landestypische und altertümliche Instrumentalisierung sehr stark im Folk Metal eingesetzt, was dem Genre seinen melodischen Charakter verleiht.
Ich hoffe, ich konnte einen einigermaßen guten Überblick über das Genre vermitteln. Es gibt natürlich unzählige Bands in diesem Genre und es ist schade, dass ich sie nicht alle aufzählen kann. Was meint ihr? Hab ich etwas Wichtiges vergessen? Fällt euch noch eine andere Sprache oder ein typisches Instrument ein? Seid ihr bei der Unterscheidung Folk/Pagan/Viking völlig anderer Meinung? Dann ballert es doch in die Kommentare. Ich bin gespannt auf eure Meinung!
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von LusoSkav, Bilder mit freundlicher Genehmigung von Alestorm, Dalriada, Ensiferum, Equilibrium, Orphaned Land, Suidakra und Trollfest
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1 Kommentar
[…] auch bei den vorherigen Beiträgen von Sarah und Hannes, lege ich hier keinen Wert auf Vollständigkeit, da dies fast unmöglich ist. Death […]