Freak Valley 2018 – Ein Festival zum Verlieben
So, da hat es für mich mit dem Freak Valley Festival also auch mal geklappt. Bereits mehrere Jahre habe ich dieses kleine, aber feine Festival auf dem Schirm, doch irgendwie hat es sich nie ergeben, dass ich die Reise ins nordrhein-westfälische Netphen antreten konnte. Seit Jahren höre ich nur Positives von diesem Event, welches sich Jahr für Jahr mit einem extrem starken Line-Up in der Stoner/Doom-Szene etabliert hat. Zeit also, mir selbst mal ein Bild davon zu machen.
Mittwoch, 30.05.2018
Zum ersten Mal in seiner Geschichte beginnt das Freak Valley in diesem Jahr schon am Mittwoch auf einem separaten Gelände, unweit vom auf einem Hügel gelegenen Zeltplatz. Da meine Mitfahrer schon „Freak-Valley-Erfahrung“ besitzen, machen wir uns bereits Dienstag Abend auf die gut 400 km lange Reise gen Westen. Tatsächlich kann ich diese Taktik überhaupt nicht verstehen, doch wie sich später herausstellt, haben wir alles richtig gemacht. Allein der Ausblick, als wir um 5.30 Uhr morgens den Campingplatz erreichen, war die nächtliche Tortur wert! Sanfter Morgennebel legt sich in die Täler des Rothaargebirges, ehe sich die Sonne den Weg durch den Dunst bahnt. Genug für die Sinne getan – erstmal eine Mütze Schlaf gönnen!
Der Tag der Synthesizer
Wettervorhersage: warm und trocken! Realität: heiß und trocken! Naja, besser als strömender Regen (den der Deutsche Wetterdienst für die darauffolgenden Tage ankündigt), denke ich mir und begebe mich auf den Weg Richtung Bühne. Auf dem Freak Valley nützt dir Geld allein überhaupt nichts. Nein, bevor du es ausgeben kannst, musst du damit einen am Festivalbändchen befestigten Chip aufladen. Das erspart den Damen und Herren an Bier- und Essensständen einen Haufen Rechnerei – wenn es denn funktioniert. Kurz nach Einlass auf das Gelände erfolgt die Nachricht, dass es mit dem Chipsystem Probleme gibt und sie sich nicht aufladen lassen. Kurzerhand erfolgt seitens der Veranstalter, die Rockfreaks, die Entscheidung, dass bis zur Lösung des Problems Freigetränke ausgeschänkt werden. Freibier zum Festivalstart hatte ich bis jetzt auch noch nicht, aber ich könnte mich durchaus daran gewöhnen. Nun aber zum Wichtigsten, der Musik!
Den Startschuss machen die Thüringer Newcomer von MOTOROWL. Nach kürzlichen Touren mit unter anderem HIGH ON FIRE und GRAVE PLAEASURES merkt man den Jungs die Liveerfahrung schon deutlich an. Auch wenn die Truppe bei mir gleich aus der Ecke kommt, sehe ich sie zum ersten Mal und bin ziemlich überrascht, was ich da zu hören bekomme. Ihr psychedelischer Doomrock bietet den perfekten Festivaleinstieg. Besonders Max´ Gesang hätte ich so nicht erwartet. Er könnte genauso gut in einer Symphonic-Metal-Band mitwirken, auch wenn das dann vermutlich gar nicht meine Baustelle wäre. Trotzdem passt seine Stimme zu dem musikalischen Konstrukt wie die Faust aufs Auge.
Neben RADAR MEN FROM THE MOON sind MOUNTAIN DUST mein größtes Highlight des ersten Tages. Schon im Vorfeld des Festivals fand ich den sehr orgellastigen Bluesrock der Kanadier recht ansprechend und auch auf der Bühne wissen die Jungs absolut zu überzeugen. Ich nehme es vorweg: kein Sänger auf dem gesamten Freak Valley Festival leidet so schön wie Brendan Mainville! Gepaart mit der Instrumentenfraktion, die immer wieder einen Hauch von Wilden Westen versprüht, reißt mich das einfach nur mit.
Nicht ganz so mitreißend finde ich NO MAN`S VALLEY. Ich kann nicht mal genau sagen, weshalb ich nicht in Stimmung komme, aber der zwischendrin auftretende Stromausfall trägt auch nicht gerade zu übermäßiger Euphorie bei. Trotzdem ist die Überbrückung der Zeit ohne Strom doch schon recht amüsant, als einfach mit dem Publikum interagiert und gesungen wird.
Hä?! Was ist hier denn los?
So, was nun folgt hätte ich niemals erwartet. Vor 6 Jahren habe ich RADAR MEN FROM THE MOON das letzte mal gesehen und die Niederländer haben mich einfach nur weggeblasen. Schon während der Umbaupause sehe ich vor der Bühne haufenweise fragende Blicke, denn statt die Gitarren auszutauschen, verlassen nur die Spielgeräte von NO MAN`S VALLEY die Bühne. Auf der Bühne werden mehrere Synthesizer positioniert. Was dann passiert, lässt mir die Kauleiste offenstehen. Statt instrumentalen Rock gibt es einen Mix aus Electro und Noise auf die Ohren. Das schockt mich schon im ersten Moment und jemand, der mit elektronischen Klängen überhaupt nichts anfangen kann, verlässt vermutlich fluchtartig das Gelände. Ich muss dennoch zugeben, dass das Dargebotene nicht schlecht gemacht ist, auch wenn es in meinen Augen eben nicht RADAR MEN FROM THE MOON ist. Von Leuten, die die Band vorher nicht kannten, höre ich tatsächlich fast nur positives. Ich bin echt hin und hergerissen, was ich vom Headliner des ersten Abends halten soll und muss erstmal eine Nacht drüber schlafen.
Donnerstag, 31.05.2018
Ja, auch ich bin lernfähig und deswegen hab ich mir zum ersten Mal nach unzähligen Festivalbesuchen Ohropax eingesteckt, die dafür sorgen, dass ich auf dem Freak Valley so gut, wie auf noch keinem anderen Festival schlafe.
Und so geht es ausgeruht Richtung Festivalgelände. Heute sollen die Bands auf dem Gelände der AWO spielen, wo bis gestern noch ca. 500 behinderte Menschen ihrer Arbeit nachkamen. Den Anfang am Donnerstag machen die Kölner GALACTIC SUPERLORDS, die kurzfristig auf der großen Bühne und nicht wie anfangs bekanntgegeben auf der kleineren „Wake & Bake Stage“ spielen werden. Grund dafür ist ihr heute veröffentlichtes Debütalbum. Ihr Heavy Rock strotzt nur so vor Energie und Sängerin Katharina Held scheint ein ganzes Nest voller Hummeln im Hintern zu haben. Mit ihrem Glitzerfummel ist sie pausenlos unterwegs und avanciert so zu einer wahren Rampensau!
RAGE OF SAMEDI prügeln noch eine Nummer härter auf das Publikum ein, doch mir ist das schon irgendwie zu heftig. Ihr sludgiger Southern Rock kommt mir zu sehr gepielt rüber, als dass es wirklich ernst gemeint ist. Hier ist mir einfach zu viel Gepose und Prahlerei im Spiel, als dass ich mich wirklich mit den Pfälzern anfreunden könnte.
Anders sieht es da schon bei den Italienern HUMULUS aus. Die Jungs wurden von den Kollegen vom rockblogbluesspot gebucht, welche den Rockfreaks sehr nahestehen. Das Trio aus Bergamo ist eine wahre Riffmaschinerie (ich sage nur „Distant Deeps Or Skies“). Ihr knackiger Mix aus Stoner, Doom und Psych ist eine wahre Bereicherung für das ohnehin schon grandiose Billing des Festivals und ein absolutes Highlight des Wochenendes.
Oha, da habe ich doch glatt eine der wichtigsten Personen des Freak Valley vergessen zu erwähnen. Wie jedes Jahr wird auch in diesem Jahr jede einzelne Band (bis auf eine Ausnahme) von Volker angesagt. Bis jetzt lief alles nach Plan, doch bei RUFF MAJIK vergisst er plötzlich den Bandnamen. Kann jedem mal passieren und lockert die ohnehin schon gelassene Stimmung im Publikum noch einmal um Längen auf. Für die Südafrikaner ist es die erste Deutschland-Tour überhaupt und statt sich einen Transporter zu mieten, reisen die Jungs zu jedem einzelnen Auftritt mit dem Zug an. Verrückte Typen! Irgendwie ist ihr Sludge ´n Roll etwas ziemlich besonderes. Selbst wenn ich nicht gewusst hätte, dass sie aus Pretoria kommen, hätte ich auf eine exotische Herkunft getippt. Ihr Stil ist einfach komplett anders als das 0815-Geklimpere, was du sonst geboten bekommst. Natürlich ist da auch geiles Zeug dabei, aber RUFF MAJIK halten durch ihren abgefahrenen Mix die Spannung über den gesamten Gig hoch!
Zeit für vertraute Hymnen
…denn als nächstes stehen die Sachsen MOTHER ENGINE auf den Brettern. Eine Band, die alles bietet, was ich mir nur erträumen kann. Verträumte Rifflandschaften, genügend Härte und eine gewisse Kauzigkeit, die ihre Musik wirklich einmalig macht. Mit der Veröffentlichung ihres letzten Albums „Hangar“ (Review hier) sind die Plauener nochmal eine ganze Schippe progressiver, aber nicht weniger zugänglich geworden. Nachdem sie hier im letzten Jahr „nur“ einen Slot auf der kleinen Bühne bekommen haben, beweisen die Jungs, dass das es richtig war, sie in diesem Jahr nochmal einzuladen und auf der großen Bühne ranzulassen. Vor der Bühne ist es gut gefüllt und es herrscht Stille, denn jeder fiebert mit den Instrumentalhymnen des Trios mit. Später am Abend erfahre ich von Drummer Cornelius noch, dass er die komplette zweite Hälfte des Sets nahezu nichts mehr auf den Boxen gehört hat. Davon habe ich nichts gemerkt, denn vor der Bühne war der Sound die gesamte Zeit über perfekt.
War es bei MOTHER ENGINE noch ziemlich voll, so leeren sich die Reihen jetzt sichtlich. Unverständlich, denn mit SUMAC steht eine echt interessante Band auf dem Programm. Im Nachhinein denke ich mir, dass die US-Amerikaner um ex-ISIS-Sänger Aaron Turner vermutlich eine Nummer zu hart für das Festival war. Auf der anderen Seite kam ihr Post Metal bei den Verbliebenen vor der Stage, auch bei mir, richtig gut an.
BUSHFIRE gehören zum Freak Valley wie Ansager Volker. Abgesehen von 2017 traten die Darmstädter bisher jedes Jahr hier auf. So wundert es auch nicht, dass es nun wieder deutlich voller vor der Bühne wird. Ihr Heavy Rock der Marke ORANGE GOBLIN klingt zwar recht lässig, doch ist in meinen Ohren nichts besonderes. Vermutlich fehlt mir auch irgendwie die Verbundenheit zu der Band, da ich ja zum ersten Mal vor Ort bin. Besonders ist der Auftritt für die Band heute trotzdem, denn sie nehmen ihr erstes Livealbum auf. Für mich die perfekte Gelegenheit mich ein wenig abseits zu setzen und nochmal kurz Kraft zu tanken für das, was der restliche Abend noch bereithält.
Erst dancen, dann trancen…
MY BABY sind ein echtes Phänomen. Nachdem sie für das Freak Valley zugesagt haben, habe ich mich in diese Band so richtig verliebt. Warum? Weil es einfach mal komplett was anderes ist. Vor dem Festival ging mir eine Frage ziemlich oft durch den Kopf: Wie wird die Stimmung bei MY BABY sein? Sie war grandios! Sie selbst bezeichnen ihre Musik als „Voodoo Trance„, doch ihr Stil ist so facettenreich, dass 2 Wörter da nicht ausreichen, um das zu beschreiben. Sängerin Cato van Dyck gibt Schreie von sich, bei denen ich mich frage, wo sie die Luft nur hernimmt, Gitarrist Daniel Johnston spielt bluesige Riffs, die aber zwischendrin ganz weit in andere Sphären abdriften und Drummer Sheik van Dyck zieht seine Beats das komplette 1-stündige Set über abgeklärt und durch. Einziges Manko: auf der linken Bühnenseite ist immer wieder ein heftiges Knacken und Knistern aus den Boxen zu hören, doch spätestens als „Sunflower Sutra“ ertönt, bin ich selig.
In einer ganz anderen Abteilung arbeiten OM. Die Band um SLEEP-Bassist Al Cisneros zelebriert überhaupt keine Tanzmusik, sondern setzt auf Monotonie, die einen in einen tranceartigen Zustand versetzt. Ja, Trance ist das richtige Wort, denn durch Cisneros´ monotonen, sich der Tonlage seines Basses anpassenden Gesanges driftet man ganz schnell vom Wirklichen ab und befindet sich in einer Zwischenwelt. Robert A. A. Lowe bringt mit seinen Synthie-Effekten, Gitarrenspiel und Tamburin noch einmal eine ganze Schippe mehr Mystik in Songs wie „State Of Non-Return“, „Meditation Is The Practice Of Death“ oder das abschließende „Bhimas Theme“ ein.
Ein wahrlich magischer Auftritt von OM beschließt also den Festival-Donnerstag, der dann am Ende doch ganz schön lang wurde. Gegen 2 Uhr mache ich mich auf den Weg Richtung Zeltplatz und habe das große Glück, auf andere lauffaule Besucher zu treffen, mit denen ich mir letztendlich ein Taxi teile.
Freitag, 01.06.2018
Tja, was haben die besten Ohropax für einen Nutzen, wenn morgens um 8 Uhr direkt vor deinem Zelt mehrere Kinder ein Tauzieh-Turnier veranstalten? Richtig, keinen! Also wieder was gelernt: versuche immer möglichst weit weg von Familien mit Kindern zu zelten.
So anstrengend der Start in den Tag war, so gemütlich startet der musikalische Teil des Tages. NAP aus Oldenburg musizieren ziemlich leicht verdaulichen Heavy Psych, der mit nur relativ wenig Gesang ausgestattet ist. Wenn dann allerdings mal Gesang kommt, dann genau an der richtigen Stelle.
Mit klassischem Stoner geht es weiter. STEAK aus Großbritannien fand ich auf dem letztjährigen Stoned From The Underground schon mehr als passabel und so sorgen sie auch hier dafür, dass ich trotz schwerer Augen langsam Fahrt aufnehme. Eigentlich hebt sich ihr Sound nicht mal wirklich von anderen Stoner-Bands ab, aber die Fleischfreunde (?) wissen einfach, wie sie ihre Energie von der Bühne auf das Publikum übertragen können.
Es wird wieder exotisch
Was am Vortag RUFF MAJIK waren, sind heute OUZO BAZOOKA. Die Combo aus Tel-Aviv spielt eine Mischung aus Surf- und Psychrock und doch können sie es nicht vertuschen, dass sie aus dem Mittleren Osten kommen. Nahezu in jedem Lied kommt ein Part vor, bei dem ich denke, dass eine Geschichte aus 1001 Nacht vertont wurde. Besonderer Hingucker ist ohne Frage die Tänzerin auf der Bühne, die auch zwischendurch zum Mikro greift. Doch nicht nur sie ist ein Blickfang. Auch der Rest der Band in ihren Gewändern macht einiges her und wenn Sänger und Gitarrist Uri Brauner Kinrot zu springen beginnt, brechen nicht nur auf der Bühne alle Dämme.
Sein Festival Freak Valley zu nennen, aber als nächstes stehen wahre Freaks auf der Bühne. THE FREEKS aus Los Angeles zocken einen ganz abgefahrenen Mix aus 70s Rock, Blues, Punk, Funk und was weiß ich nicht alles. Am Mikro schreit sich kein geringerer als Ruben Romano (ex-FU MANCHU und NEBULA) die Lunge aus dem Hals. Zwischendrin denke ich mir, dass das durchaus ein gutes Playback sein könnte und eigentlich Arthur Brown hinter der Bühne steht und singt. Mit Jonathan Hall steht ein Mann an der Gitarre, der zwar schon gut in die Jahre gekommen ist und zusätzlich zum Gitarrenspiel wahnsinnig gute Backing Vocals vorträgt.
Zeit, die Wiese abzufackeln
Nachdem BLACK BOMBAIM mir nicht so sehr zusagen, entschließe ich mich, mir erstmal was in die Backen zu klemmen, denn ich will ja gut gestärkt bei DŸSE wieder vor der Bühne stehen, denn ansonsten haut es dich bei den beiden Dresdnern zu Boden. Ihr „New Wave Of German (B)Noisrock“ verwandelt die Wiese vor der Bühne, wie auch nicht anders zu erwarten, in ein riesiges Schlachtfeld. Ob dieses Festival das jemals so heftig erlebt hat? Ihr Set besteht (verdient) zum Großteil aus Stücken von ihrem letzten Longplayer „Das Nation“. Songs wie „Schildkrötenthomas“, „Sie Ist Maschin“ oder „Hans“ sorgen bei jeder Ansage für ein Schmunzeln, ehe beim ersten Takt die wilde „Schubberei“ losgeht. Allerdings gibt es auch hier wieder Probleme mit den Boxen auf der linken Bühnenseite, doch das Knistern und Knacken bügelt ein freundlicher Gruß an unsere blau-braunen Freunde der AfD und der „Nackenöffner“ locker wieder weg.
Nach dem wilden Ritt folgt der wilde Trip. YURI GAGARIN war nicht nur der erste Mensch im Weltall, sondern die gleichnamige schwedische Spacerock-Band ist der einzige Vertreter dieses Genres auf dem Freak Valley. Selbst Ansager Volker, bei dem eigentlich jede Gruppe mit den gleichen Worten angekündigt wird, fügt noch einen „schönen Flug“ an. Vor 3 Jahren hatte ich schon einmal die Möglichkeit, diese Ausnahmeband vor einem 15-köpfigen Publikum zu sehen und war in ganz anderen Sphären unterwegs. Dass es mir hier bei der hundertfachen Menge an Zuhörern und am helligten Tage genauso geht, spricht absolut für die Band. Wie mir Bassist Leif Göransson nach dem Auftritt erzählt, bin ich ein wahrer Glückspilz und habe die 2 stärksten Gigs der Band überhaupt miterlebt. Alle guten Dinge sind 3, würde ich sagen!
Irgendetwas scheint das Raumschiff von YURI GAGARIN dort oben im Himmel gerade zerstört zu haben. Bis jetzt war das Wetter zwar trüb, aber trocken. Gerade als WOLF PEOPLE die Bühne betreten, beginnt es in Strömen, zu schütten. Eine dünne Jeansjacke ist da nicht unbedingt das beste Kleidungsstück, um trocken aus der Affäre zu kommen. Nachdem ich ja nun schon Ohropax dabei habe, wird sich auf dem nächsten Festival sicher noch eine Regenjacke in meinem Rucksack wiederfinden. Aus wettertechnischen Gründen verpasse ich deshalb WOLF PEOPLE und kehre erst zu MARS RED SKY wieder in Bühnennähe zurück.
Kleiner Mann, große Gitarre (nein, das ist nicht versaut gemeint!), hohe Stimme – so lässt sich Julien Pras am besten beschreiben. Und an ihm und seiner Stimme scheiden sich die Geister. Ich für meinen Teil finde seine Gesangsleistung ganz große Klasse und vor allem wenn er im Duett mit Bassist Jimmy Kinast das Publikum beglückt, empfinde ich einfach nur Wärme in meinem Körper. Dadurch, dass gleich zu Beginn des Sets meine 2 absoluten Lieblingssongs „Marble Sky“ und „Strong Reflection“ gespielt werden, bin ich sowieso verzaubert und lasse jede „Stimmendiskussion“ an mir abprallen.
Die nächste Band wurde 1986 gegründet. Etliche Musiker, die hier auftreten, waren in diesem Jahr vermutlich noch flüssig und doch wurden sie maßgeblich von CANDLEMASS beeinflusst. Nach 2 Auflösungen und Neugründungen steht mittlerweile Mats Levén an vorderster Front und kann hier genauso wie auf dem letztjährigen Party.San Open Air durchweg überzeugen. Das Wetter passt sich der schaurigen Musik mit Sprühregen an, weshalb ich mir den Auftritt von weiter hinten im Trockenen anschaue, doch auch hier ist es pure Magie, die einem entgegenfliegt.
Jetzt reicht´s mit den Gesangskontroversen
…denn der Headliner des dritten Abends besitzt keinen Sänger! MY SLEEPING KARMA aus Aschaffenburg sind die absolute Speerspitze des deutschen Psychedelic Rocks. Ich habe die 4-köpfige Truppe jetzt schon oft gesehen, doch dieser Auftritt ist irgendwie etwas ganz besonderes. Irgendwie wirkt heute alles tiefgründiger als bei den vorherigen Malen. Wenn ihr eine geschlossene Einheit auf der Bühne sehen wollt, müsst ihr euch die Unterfranken unbedingt ansehen. Hier spielt sich keiner in den Vordergrund, denn nur gemeinsam schaffen sie es, die vielschichtigen Songs emotional an die Fans zu bringen. Nicht wenige Leute um mich herum haben Tränen in den Augen und sogar Volker, der alte Hase, bestätigt mir am nächsten Morgen, dass er einen Kloß im Hals hatte. Das sind doch aber die schönsten Momente auf einem Festival, wenn einen die Musik wirklich berührt und nicht nur an einem vorbeirauscht.
Samstag, 02.06.2018
Es scheint, als sollte ich stummer Erzieher werden. Wurde ich am gestern Morgen noch unsanft aus meinen Träumen gerissen, ließen es Nachbarskinder heute gemütlich angehen und ich konnte bis 10 Uhr ausschlafen. Unglaublich, so lange hab ich noch nie in nem Zelt genächtigt.
Käffchen, Kippchen und dann gehts auch schon wieder ins Tal, denn TOKE aus North Carolina soll dem Publikum den nötigen Kickstart verpassen. Und wie sie das mit ihrer Musik tun. Ich betone absichtlich Musik, denn scheinbar gibt es Probleme mit dem Mikro von Sänger Bronco. Auch wenn man die Stimme stellenweise nur erahnen kann, groovt ihr sludgiger Rock extrem und auch fürs Auge wird einiges geboten. Die Saitenfront ist von oben bis unten zutätowiert, wobei Broncos riesiger Gorilla auf dem Rücken das Highlight ist. Fettes Teil!
Der Preis für den schönsten Pony des Festivals geht ohne wenn und aber an Marco Menestrina, seines Zeichens Bassist von KALEIDOBOLT. Durch den Wechsel von verträumten und explosiven Parts, treffen die Finnen mit ihrem progressiven Psychedelic Rock genau meinen Nerv. Und nicht nur mir gefällts, denn nach dem Auftritt wird der Merchstand der Skandinavier ordentlich belagert.
Weil wir gerade bei Preisverleihungen sind: Den Titel für den wohl energischsten Drummer des Festivals bekommt Johanes Barrysmith von YEAR OF THE COBRA. Der Typ hat mal richtig Feuer in den Tentakeln. Unterstützt wird er von (seiner Herzdame) Bassistin und Sängerin Amy Tung Barrysmith. Wer braucht schon eine Gitarre, wenn einem so ein brachialer Basssound um die Ohren gefeuert wird. Neben einer guten Portion Doom wird hier auch ordentlich Geschwindigkeit serviert, die hier und da auch schon mal etwas punkig klingt. Ihrem 2016er Debüt „…In The Shadows Below“ soll noch in diesem Jahr der Nachfolger folgen und ich weiß jetzt schon, dass ich mir das gute Stück Vinyl in die Sammlung stellen werde, denn Songs wie „Burn Your Dead“ lassen den Geldschein bei mir ganz locker sitzen.
Dem Old-School-Doom haben sich PURPLE HILL WITCH aus Oslo verschrieben. Nachdem ich ihr im letzten November veröffentlichtes Album „Celestial Cemetary“ (Review hier) als „grundsolide, aber nichts für die Geschichtsbücher“ beschrieben habe, bestätigt sich auch heute meine Meinung. Trotzdem macht das, was die Jungs auf der Bühne zelebrieren, wahnsinnig Spaß, denn die neuen Songs sind immer noch tief in meinen Gehörgängen eingemeißelt. Ob „Queen Of The Hill“, „Around The Universe“ oder das abschließende kongeniale „Ghouls In Leather“ machen den 45-minütigen Auftritt der Skandinvavier zu einem sehr kurzweiligen Trip durch die wilden 70er.
Etwa im selben Jahrzehnt sind LUCIFER angesiedelt. Die deutsch-schwedische Band kann man durchaus als Allstar-Combo bezeichnen. Neben Sängerin Johanna Sadonis (THE OATH) stehen Martin Nordin (DEAD LORD) und Robin Tidebrink (SATURN) an der Gitarre und an den Drums sitzt niemand geringeres als THE HELLACOPTERS– Fronter Nicke Andersson. Ohne Frage, musikalisch und gesanglich ist alles auf den Punkt, doch irgendwie fehlt mir bei LUCIFER schon immer das gewisse „i-Tüpfelchen“, dass ihre Musik in meinem Kopf längerfristig verankert. Und als ob Johanna, die nicht nur optische Ähnlichkeiten zu Jinx Dawson von COVEN aufweist, irgendetwas Böses heraufbeschört hat, fängt es während dem Auftritt an zu schütten, als ob die Welt untergehen wird. Glücklicherweise bleibe ich dieses Mal trocken, denn ich stehe gerade in der Schlange vor der Toilette (die übrigens immer tip top sauber war!).
Eine der größten Überraschungen des Festivals sind für mich SACRI MONTI aus San Diego. Der sympathische Fünfer rund um RADIO MOSCOW-Bassist Anthony Meier spielt klassischen Psychedelic Rock, unterlegt von schummrigen Orgelsounds. Dabei kommt die kaifornische Leichtigkeit aber nicht zu kurz. Da wird hier mal ein Kippchen geraucht und dort mal ein Foto von den Fans geschossen, ohne aber dabei an Ernsthaftigkeit zu verlieren. Gerade vom starken Sound bin ich so geflasht, dass ich nicht anders kann als erstmal den Merchtisch der Truppe zu plündern und mit einem fetten Grinsen und Platte unter dem Arm zu meiner Truppe zurückzukehren.
Zeit für das große Finale
Doch erstmal ist Platte sichern angesagt! Durch den beschwerlichen Weg Richtung Camp verpasse ich leider die norwegischen Boogie-Rocker BRUTUS und kehre erst zu ASTEROID vor die Bühne zurück. Vor exakt einem Jahr wurde ASTEROID aus gesundheitlichen Gründen auf Eis gelegt, doch heute präsentieren sie sich stärker als ich sie je gesehen habe. Mit einem perfekten Set, bestehend aus Songs von allen 3 Alben, und superbem Sound haben sie sich den relativ späten Slot in der Running Order redlich verdient. Vor allem die neuen Songs von „III“ (Review hier) lassen mich aufhorchen, denn bis jetzt kam ich noch nicht in den Genuss, diese live zu hören. Die größten Knaller kommen aber vom zweiten Album der Schweden und so ist auch nur logisch, dass das Set von „Garden“ abgerundet wird. Von mir aus hätten sie nochmal von vorn beginnen können.
Wer meinen Bericht vom letztjährigen Stoned From The Underground gelesen hat, weiß, dass ich nicht unbedingt der größte Fanboy von den Amerikanern KARMA TO BURN bin. Auch nach dem heutigen Gig werde ich das wahrscheinlich nicht werden. Ihre Musik hat zwar Hand und Fuß, aber trotzdem finde ich sie nicht experimentell genug für eine Instrumentalband.
Das Freak Valley ist eigentlich ein Ort voller Fröhlichkeit und doch stand schon vor dem Festival fest, dass ein nicht so schönes Ereignis geben wird. THE FLYING EYES spielen heute ihr allerletztes Konzert überhaupt. Ok, das haben sie auch schon letztes Jahr in Leipzig behauptet, aber ich denke, dass es dieses Mal wirklich endgültig ist. Von Anfang merkt man, dass der heutige Auftritt etwas ganz besonderes werden wird, denn noch nie habe ich die Jungs so engagiert und bewegungsfreudig erlebt. Auch bei ihnen sind es die Songs der aktuellen Platte „Burning Of The Season“ die, die am meisten zünden, allen voran „Fade Away“, bei dem ich ab der ersten Sekunde auf das grandiose Riff im Refrain hinfiebere. Aber auch „Don´t Point Your God At Me“, was nicht ohne Grund an THE DOORS erinnert, wird frenetisch abgefeiert. Beim letzten Song heißt es Abschied nehmen und „Danke sagen“. Nicht nur die Band verabschiedet sich, auch der harte Kern der Rockfreaks kommt deshalb zu „Lay With Me“ auf die Bühne und feiert ein letztes Mal gemeinsam mit den Jungs aus Baltimore. Schon ein wenig schade um die Jungs, doch wie Volker bei seiner Ankündigung schon meinte: „Schade, aber isso“
Der Höhepunkt auf allen Ebenen sind RUSSIAN CIRCLES. Sowohl Ton- und vor allem Lichttechniker erleben zum Abschluss des Festivals eine wahre Sternstunde. Es ist auf jeden Fall eine clevere Entscheidung, die Band zum krönenden Abschluss spielen zu lassen, denn mit ihrem Post Rock wären sie vermutlich woanders im Billing untergegangen. So haben quasi alle anderen Bands auf RUSSIAN CIRCLES „hingespielt“ und die dürfen nun die aufgebaute Stimmung nutzen, um ihre monumentalen Songs über die Köpfe hinweg zu fegen. Ich gebe zu, dass ich mit der Truppe nicht mal so sehr vertraut bin und zu Hause eigentlich nur das „Empros“-Album hoch und runter läuft, doch du musst die Songs nicht mal kennen, um von ihnen mitgerissen zu werden. Jeder einzelne Song hat seinen eigenen Charme und baut eine ungeheure Atmosphäre auf. Als dann als Höhepunkt noch „Mladek“ erklingt, bin ich vollkommen erfüllt und gewappnet für die Aftershowparty.
Diese fällt kürzer als gedacht aus, denn 4 Tage Festival nagen schon ganz schön an meinen Kräften. Trotzdem reichts noch für ein Bier. Den Jungs von THE FLYING EYES reicht es scheinbar noch nicht und wie mir im Nachhinein berichtet wurde, glänzten sie vor allem durch überraschend gute Tanzmoves.
Fazit
Tja, das war es auch schon wieder mit meinem ersten, aber garantiert nicht letzten Freak Valley. Ich habe echt nur ganz selten ein solch familiäres und zugleich hochprofessionelles Festival wie dieses erlebt. Dieser Aspekt zusammen mit der wahnsinnig guten Bandauswahl macht es in meinen Augen zu etwas ganz Besonderem. Kaum ein Festival mit „nur“ 2500 Besuchern kann mit einem derart hochkarätigen Line Up mit Bands aus Stoner, Doom und Psych mithalten.
Die Preise auf dem Gelände sind absolut angemessen und die Essensauswahl ist angenehm groß (ich habe nur Falafel gespeißt!) und kostengünstig.
Also dann, bis (hoffentlich) nächstes Jahr, ihr FREAKS!
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