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„Fuck people!“ – Musik ist wichtiger als Politik

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SKINDRED sind im Dezember auf ihrer Tour durch Deutschland gekommen und haben einige Shows gespielt. Für mich ein Muss als Fan der Band und als Musiker in einer Skaband. In Wiesbaden konnte ich vor dem Konzert noch mit Sänger Benji sprechen, wobei einige Themen zur Sprache kamen und sich ein sehr entspanntes und interessantes Gespräch entwickelt hat.

S: Benji, Hallo! Danke für deine Zeit! Ihr seid ja momentan mitten in eine Tour. Wie läuft es so für euch?

B: Ich sage dir, das ist die beste Tour, die wir bisher in Deutschland hatten. Wir waren schon mehrmals in Deutschland auf Tour, aber diese hier entwickelt sich gerade wirklich zu einer besonderen. Es scheint sich immer mehr auszuzahlen, dass wir auf so vielen Festivals wie dem Hurricane, dem Southside oder Wacken, Rock am Ring etc. spielen. Es kommen jetzt immer mehr Leute zu den Hallenkonzerten, um SKINDRED zu sehen. Wir verkaufen oft um die 1000 Karten pro Abend. Das ist fantastisch. Für uns wird damit ein Traum war.

S: Also könnt ihr bestätigen, dass es heute für Bands viel wichtiger ist zu touren, als regelmäßig CDs rauszubringen?

B: Absolut. Das gilt eigentlich für jede Musik. Touren ist am wichtigsten dabei. In ein Studio gehen und was aufnehmen kann heutzutage jeder. Und durch die Möglichkeiten von ProTools kann man dort auch sehr einfach cheaten. Aber live auf die Bühne zu gehen, bedeutet, ohne solche Hilfsmittel deine Musik rüberbringen zu müssen. Dann zählt, was du kannst. Ich denke, SKINDRED ist eine Liveband. Vor allem anderen. Und das merkst du auch.

S: Ich denke auch, gerade auch in der Metalszene achten die Fans auf sowas und schätzen es eher, wenn die Musik nicht einfach nur glattgebügelt ist, sondern noch ehrlich und direkt von den Musikern kommt.

B: Ich glaube auch, die Leute können da gut unterscheiden und merken, was Scheiße ist und was nicht. Man kann die Hörer nicht sehr lange täuschen. Sie kommen ja eben deswegen zu den Shows, weil sie echten Rock ‘n‘ Roll wollen. Ich sage es auch immer, SKINDRED ist nicht einfach nur eine Rock ‘n‘ Roll-Show, es ist eine Feier des Lebens. Und das erlebe ich auch Nacht für Nacht, egal ob es in Japan ist, Amerika oder Deutschland. Die Leute feiern richtig, wenn sie zu einer Show von SKINDRED kommen. Nicht viele Bands können so etwas bieten.

S: Absolut. Ihr spielt heute ja auch nicht zum ersten Mal in Wiesbaden. Merkt ihr das hier auch?

B: Ich habe es wachsen sehen. Wir sind heute zum vierten Mal hier. Zuerst waren wir in einem kleineren Club und seit dem letzten Mal spielen wir hier im Schlachthof. Es ist viel los hier. Ich liebe Wiesbaden weil Elvis Presley hier war. Da gibt es diesen Link zum Fame (lacht).

S: Hier ist eine gute Gegend für solche Musik.

B: Das merkt man. Auch bei unserer Band.

S: Ich selbst spiele auch in einer Skaband. Die anderen Bandmitglieder fahren nicht so auf Metal ab, kennen trotzdem aber SKINDRED und kommen zum Teil auch zu den Konzerten. So etwas sagt viel über SKINDRED aus, finde ich.

B: Meine Meinung ist auch, dass SKINDRED eine Crossover-Band ist. Und wenn ich Crossover sage, meine ich nicht, dass Leute, die nur Metal hören und zu SKINDRED kommen, danach anfangen, Reggae zu hören und umgekehrt. Wir sind eine Band, die Brücken baut. Durch uns kommen Leute von einer Seite der Musik zu einer anderen. Als Jugendlicher habe ich mit THE CLASH angefangen, mit THE SPECIALS. Und ich liebe diesen Kram. Es war für mich immer Musik, die verschiedene Welten zusammengebracht hat. Schwarze, die Reggae spielen und Weiße, die Metal spielen, was auch immer. Aber am Ende des Tages kommt Rock ‘n‘ Roll vom Gospel und Blues. Auf diese Wurzeln kommt es an.

S: Ist es für euch auch wichtig, darauf zu achten, wen ihr mit auf Tour nehmt? Wie momentan beispielsweise ZEBRAHEAD?

B: Nein, eigentlich nicht. Wenn die Bands cool sind und gute Musik machen, ist das völlig ok, da sind wir sehr offen. Ich meine, SKINDRED haben mal GOGOL BORDELLO supportet, genauso wie DISTURBED. Du kannst kaum zwei Bands finden, die weiter auseinanderliegen. Wir liegen da aber dazwischen und konnten bei beiden im Vorprogramm spielen. Wir wollten bereits seit zehn Jahren eine Tour mit ZEBRAHEAD machen und waren deswegen in Kontakt mit ihnen. Timing ist manchmal alles. Jetzt hat es geklappt. Und sie liefern eine tolle Rock ‘n‘ Roll-Show, die den Eintritt auch lohnt. Sie lassen das Publikum mit einem guten Gefühl zurück und konnten ihren Alltag bereichern und verbessern. So etwas ab und zu zu haben ist wichtig in Zeiten wie momentan. Musik hat das Potenzial, das zu leisten.

S: Ihr seht euch aber nicht als eine politische Band, oder?

B: Überhaupt nicht. Ich sehe mich einfach als einer der Typen in der Bar, um was zu trinken. Über Politik weiß ich nicht viel. „Poly“ bedeutet „viel“. Und „tics“ bedeutet „Vampire“. Das ist alles, was ich weiß (lacht). Ich traue Politikern nicht. Sie sind sehr auf sich selbst konzentriert. Wenn du mir einen Politiker zeigst, der mit dem selben Gehalt lebt wie jemand, der bei McDonalds arbeitet, dann überdenke ich das. Ihnen geht es ums Geld. Ich mag sie nicht. Und ich wette, dass sie mich auch nicht mögen. Aber, ich lebe nicht für die Politik. Ich lebe für die bodenständigen Leute. Das ist wichtiger und besser so.

 

S: Das ist wohl auch für viele Fans und generell Leute aus dem Bereich eher das, was zählt.

B: Eben. Ich weiß wirklich auch nicht viel über Politik, ich könnte ein paar Präsidenten aus den USA nennen. Ich kann nicht mal den Namen von dem deutschen Premierminister nennen (lacht). Daher… Aber das ist es eigentlich, worüber es bei unseren Texten geht. Wir sprechen Leuten aus verschiedenen Bereichen etc. an und sagen: „Lasst uns gemeinsam leben!“ Es funktioniert doch!

S: Mit Musik erreicht man die Leute ja auch.

B: Ganz genau. Das ist der richtige Weg.

S: Die Interaktion mit dem Publikum, auch dass, bzw. wenn da viel Bewegung drin ist, ist für euch doch ein wichtiges Element. Wie geht ihr damit so um?

B: Ich denke, wenn ich einfach nur die Songs spielen würde, würde mir das gar nichts bedeuten. Aber wenn ich damit die Menschen erreiche, und sie damit dem tristen Alltag entziehen kann, und ihnen etwas Lebensfreude damit schenken kann, ist das großartig. Es geht ja um die Verbindung. Die Leute merken bei den Shows, dass wir von der Band genauso echt sind wie sie. Wenn man uns schneidet, bluten wir genauso, wenn wir auf Toilette gehen, stinkt es. Wir sind nicht anders als sie. Ich will, dass die Leute nach dem Konzert relaxed sind und eine gute Zeit mit uns haben. Und das kann ich nur, indem ich Musik mache. Ich will ihre Herzen, aber auch ihren Verstand erreichen. So können sie sehen, dass es ganz einfach ist, gemeinsam eine gute Zeit zu haben.

S: Denkst du, dass Bands wie SKINDRED, die an sich schon etwas anders ist als herkömmliche Bands, gerade deswegen auch Leute anzieht? Weil sie das sehen wollen?

B: Nein, denke ich nicht. Mach dir keinen Kopf darüber, anders zu sein. Wir haben auch nie darüber nachgedacht, so zu sein wie irgend jemand anderes. Wir machen unser Ding. Und ich behaupte, dass alle Musiker das tun. Scheiß auf Kopien! Tu das, was du liebst! FUCK PEOPLE! Du machst das doch zu allererst mal für dich. So sehe ich das. Wir haben mal auf dem Reading Festival gespielt, ein alternatives Festival. Und die Leute sind durchgedreht. Wir haben in Wacken gespielt, DEM Metalfestival. Und die Leute sind durchgedreht. Ich meine, ernsthaft? Menschen sind einfach Menschen, egal. Und sie wollen rocken. Ganz einfach. Komme, was wolle.

S: Nur logisch. Ich habe dieses Jahr in Wacken mit THE VINTAGE CARAVAN gesprochen. Die sagen auch, sie spielen in Wacken, haben aber auch schon auf Jazzfestivals gespielt.

B: There you go. Musik ist einfach Musik. Meiner Meinung nach gibt es nur zwei Arten von Musik. Gute Musik und schlechte Musik. Scheiß Musik und Musik, die rockt (lacht).

S: Letzten Endes muss man solche Musik auch nicht erklären.

B: Auf keinen Fall. Du kannst Musik nicht erklären. Musik ist ein Gefühl. Du kannst kein Gefühl erklären. Du nimmst es so, wie es ist. Die Leute sagen, was ihr geheimes Vergnügen ist, weil es vielleicht nicht sehr populär ist. Fuck it! Wenn mir was gefällt, wieso nicht. Ich zum Beispiel mag Billie Holiday (wichtige Jazz-Sängerin). Wenn mir SCOOTER gefällt, mag ich eben SCOOTER. Who cares. Da geht es ja um mich, nicht um jemand anderes.

S: Klar, darum geht es ja. Sieht so aus, als würdet ihr sehr optimistisch in die Zukunft sehen.

B: Ich bin gleichzeitig pessimistisch und optimistisch. Ich bin sehr optimistisch der Zukunft gegenüber, aber ich lebe jeden Tag ziemlich vorsichtig. Man weiß ja trotzdem nie, was passiert. Daher sollte man das Jetzt genießen. Warte nicht auf nächste Woche, um eine gute Zeit zu haben! Mach es heute!

S: Daher sind Konzerte ja auch so wichtig.

B: Exakt. Und so funktioniert es auch. Rock ‘n‘ Roll hat in Clubs seine Anfänge, wo er nicht recorded wurde. Die Leute haben getanzt, bevor sie angefangen haben, Musik aufzunehmen. Die Recording-Industrie ist die jüngste Industrie der Welt. Mit den Computern. Das ist schön, ersetzt aber nicht die Livekonzerte. Das ist das Beste. Du kannst dir alles auf YouTube anschauen, aber du bekommst dort nie das Feeling, das du auf Livekonzerten hast. Musik bedeutet, dass Menschen zusammenkommen.

 

Während dem Gespräch wurde klar, wie umfassend Benji mit dem Thema Musik bewandert ist und viele Zusammenhänge und Fakten er kennt. Und dass all dieses Wissen und seine Passion für Musik als etwas nicht Genrebezogenes komplett in SKINDRED einfließt. Musik bedeutet für ihn Konversation. Eine Konversation, die Menschen zusammenbringt, egal wo und wen. Weil sie in seinen Augen keine Grenzen kennt. Das macht ihn sehr sympathisch und lässt noch ein tieferes Verständnis für die Musik und die Grundhaltung von SKINDRED zu.

Direkt aus dem Tourbus: Benji im Gespräch

 


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