Geisterhaus aus Pappmaché – CONJONCTIVE

CONJONCTIVE – In The Mouth Of The Devil
Veröffentlichungsdatum: 10.03.2017
Dauer: 38:32 Min.
Label: Tenacity Music
Stil: Blackened Deathcore (Eigenbezeichnung…)

Nyon, das beschauliche Städtchen am Genfersee, spielt nicht nur im europäischen Fußball-Kosmos eine große Rolle, sondern beherbergt mit CONJONCTIVE auch eine der hoffnungsvollsten Deathcore-Bands der Schweiz. Die Jungs und das Mädel ließen sich zwar einige Jährchen Zeit mit dem Debütalbum „Until The Whole World Dies“, doch dafür schlug dieses umso härter ein: 2014 gewann die Band mit der Single „Somnambulant Cannibal“ bei der Schweizer Musikmesse m4music die Auszeichnungen für das „Demo des Jahres“ und den „Vielversprechendsten Schweizer Rock Song“. Mit einer Deathcore-Nummer, ganz genau!

Nun folgt mit „In The Mouth Of The Devil“ der zweite Album-Streich. Das Cover von Colin Marks (Rain Song Design) zieht mich direkt in seinen Bann, böse Erinnerungen an „American Horror Story“ werden wach. „Purgatory“ eröffnet die Platte mit mächtigen Streichern und atmosphärischem Anklang an THE BLACK DAHLIA MURDER. Als die Spieluhr leise zu klimpern beginnt, wirkt das im thematischen Kontext von Geisterhäusern und Besessenheit allerdings etwas klischeebeladen. Schließlich chuggen die Gitarren ein „Welcome to Deathcore City!“ durch die verlassenen Flure des Anwesens. Für den Anfang schon mal ganz gut!

MIT CONJONCTIVE IM KELLER

Ein Markenzeichen von CONJONCTIVE stellt die Verwendung männlicher und weiblicher Screams und Growls dar. Das finde ich an sich schon mal sehr spannend. Sängerin Sonia Kaya reicht stimmlich jedoch leider nicht an das hohe Niveau heran, das beispielsweise Simone Pluijmers seinerzeit bei CEREBRAL BORE etablieren konnte. Die Schweizerin klingt einfach zu bemüht nach fieser Blair Witch aus dem Keller, die tote Babys an der Wäscheleine aufhängt.

Ihr männlicher Kollege Randy Schaller läuft ihr in dieser Hinsicht eindeutig den Rang ab. Im Video zu „Down Into The Abyss“ geben jedoch beide keine gute Figur ab. Ernsthaft, gebt den Sängern Mikros in die Hand! Die Musiker spielen ja auch nicht auf Luft-Instrumenten. Und so sieht das einfach ultra albern aus. Aber ich schweife ab … 

MIT BLASTBEAT-POWER AUF AUSGETRETENEN PFADEN

Musikalisch haut das alles in allem schon gut rein. Besonders der Schlagzeuger ballert immer wieder Blastbeats und Doublebass-Läufe raus, dass es nur so raucht. Darüber hinaus lässt „In The Mouth Of The Devil“ allerdings Abwechslung und Eingängigkeit vermissen. Die Gitarren-Fraktion liefert massig genretypisches Chugging und Breakdowns, wobei einige Parallelen zu bekannten Szenegrößen etwas zu offensichtlich hervortreten. „You’re Next“ könnte beispielsweise astrein von den prä-„Doris“SUICIDE SILENCE stammen.

CONJONCTIVE

So stampfen und holzen CONJONCTIVE zehn Tracks lang über größtenteils ausgetretene Deathcore-Pfade, ohne je tiefer in unbekannte Gefilde vorzustoßen. Bis auf das Intro sind alle Songs ungefähr vier Minuten lang (+/- 20 Sekunden). Auch dies erzeugt auf Dauer eine gewisse Monotonie. Vereinzelte Synthie-Einschübe im Hintergrund, die an WINDS OF PLAGUE erinnern, können die starren und meist vorhersehbaren Songs nur wenig auflockern. Die weiblichen Screams stechen immer wieder hervor, jedoch fallen sie mir, wie gesagt, eher unangenehm auf. 

Darüber hinaus gehen Inhalt und Form auf dem Album nicht so recht Hand in Hand. Auf mich wirken das „böse“ Image und die morbiden Texte einfach zu gezwungen und damit irgendwie aufgesetzt. Als hätten sich ein paar Teenager bei Kerzenschein mit einem Ouijabrett und zu viel Gras auf dem Dachboden eingesperrt. Bestes B-Movie-Material! Von teils unrunden Intonationen wie „á-ttack“ oder „á-byss“ mal ganz abgesehen. Vielleicht sehe ich das zu kritisch. Aber solange man noch Texte versteht, müssen sich diese für mich auch dem natürlichen Sprachfluss angleichen. Selbst im Deathcore.

CONJONCTIVE bei Bandcamp und Facebook

CONJONCTIVE „In The Mouth Of The Devil“ komplett bei YouTube anhören

Autorenbewertung

4
CONJONCTIVE können meinen Erwartungen leider nicht gerecht werden. "In The Mouth Of The Devil" liefert musikalisch soliden, aber zu monotonen Deathcore, der zudem unter den unorganisch wirkenden Screams leidet. Außerdem wirkt das "böse" Image aufgesetzt. Echtes Grusel-Feeling kommt beim Hören nicht auf. Alles in allem nur ein Hexenhaus aus Pappmaché.
ø 0.8 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
4 / 10 Punkten

Vorteile

+ cooles Cover
+ männliche Vocals sind gut
+ stimmungsvolles Intro
+ druckvolles Schlagzeugspiel

Nachteile

- weibliche Vocals im Vergleich eher schwach
- wenig Abwechslung
- keine echten Hits
- zu wenig Eigenständigkeit gegenüber den Idolen
- zu bemüht "böse"
- mitunter zu klischeebeladen

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