Gewitter, Matsch und Heavy Metal – Das Festival-Kleinod im Schwabenländle
Zugegebenermaßen findet man kleine Festivals an jeder Ecke, denn fast jedes Kaff scheint ein eigenes zu haben. Das fängt schon bei den bekannteren Vertretern, wie dem METAL FRENZY, DARK TROLL, oder dem RAGNARÖK-FESTIVAL an. Ein solches ist auch ROCK AM HÄRTSFELDSEE, welches dieses Jahr vom 24.-25. Juni zum 20. Mal in Dischingen (Landkreis Heidenheim) stattfand. Da ich langjähriger Besucher bin und euch auch mal ein Festival im südlichen Teil Deutschlands vorstellen wollte, begab ich mich natürlich dorthin (jedoch nur am Samstag aus arbeitstechnischen Gründen) – einerseits, weil es für mich fast schon zur Tradition geworden ist, andererseits, weil mir das Lineup zusagte, doch dazu später mehr.
Von Regen, Matsch und fliegenden Zelten
Samstag, 14 Uhr. Ich packe meine Sachen, hole mein Bier und begebe mich zu meinem Kumpel, mit dem ich die 40-minütige Odyssee nach Dischingen antreten werde. Es ist angenehm warm – nicht zu kühl und nicht zu heiß – dazu ein leichtes Lüftchen. „Geil! So muss das sein! Ideales Festivalwetter!“. Das waren meine Gedanken zu dem Zeitpunkt, doch ich sollte mich irren, denn kaum bin ich am Festivalgelände angekommen, tummelten sich schon ein paar mehr Wolken am Himmel . Scheiß drauf! Wird schon nicht so schlimm werden. Denkste! Kaum war der erste Akt der Band HACKNEYED, die zwar gut klangen, aber die Menge noch nicht so richtig aufzuheizen vermochten, vorbei, ging es los.
Ich marschierte aus dem Zelt, welches den Konzertraum wiederspiegelt und genug Platz für Bühne und quasi alle Zuschauer bot (es ist also vergleichbar mit der T-Stage des SUMMER BREEZE), denn ich verspürte Hunger. „Pizza wäre nicht schlecht“. Ein kurzer Blick nach links vorbei an diversen kulinarischen Leckerbissen – von asiatischer Nudelbox über Hamburger und Donuts und das alles zu sehr bezahlbaren Preisen – lässt mich einen Blick auf die erwünschte Nahrungsquelle erhaschen, doch ich habe versprochen, auf jemanden zu warten. Dieser Jemand kam von rechts. Ein weiterer Blick nach oben in diese Richtung versprach nichts Gutes. Dunkle Wolken. Wind zieht auf. Es sollte wohl gleich regnen. „Egal! Wird schon noch genug Zeit bleiben, um Essen zu holen!“.
Wie auf Knopfdruck – als hätte ich ungewollt einen Wetterzauberspruch gesagt – fing es in diesem Moment an, erst noch stärker zu winden und kurz darauf zu regnen. Ihr denkt jetzt vielleicht: „Nur ein bisschen Regen und ein bisschen Wind? Das macht doch einem richtigen Metaller nichts aus!“. Es war jedoch nicht nur so ein kleiner Niesel – die Windböen waren so stark, dass sich ein Zelt, welches ursprünglich einen Stand schützen sollte, sich verflüchtigte und auch die anderen Stände hatten schwer zu kämpfen. Eine gute halbe Stunde verging im Schutze des Pizzastandes, welcher zum Dank den Helfern Essen und alkoholhaltige Getränke ausgab.
Hierbei muss ich ein großes Lob an die Organisation aussprechen, denn dank Security, Feuerwehr und Co. konnten Verletztenraten der Ausmaße eines diesjährigen ROCK AM RING verhindert werden. Aber auch die Besucher blieben ruhig wie eh und je, was vermutlich davon kommt, dass das Gewitter fast schon zum Festival gehört wie der namensgebende See.
Stimmungshoch und Stimmungstief
Mit etwas Verzögerung gestärkt, machte ich mich nun auf den Weg zu den DESASTER KIDS, welche Core im Stile von STICK TO YOUR GUNS oder auch einmal hin und wieder BRING ME THE HORIZON spielten. Dies mag wohl dem einen oder anderen nicht gefallen, doch die Jungs haben es spielerisch wirklich drauf! Reinhören lohnt sich. Außerdem haben sie es ohne Mühe geschafft, der Menge, trotz Matsch und Schlamm (ja, auch im Zelt), einzuheizen. Leider habe ich von ihrem Konzert aufgrund meines Festsitzens nicht so viel mitbekommen, weshalb nach drei Songs für mich schon Schluss war.
Das macht jedoch nichts, denn es kündigte sich mein persönliches Highlight der 2016er-Ausgabe von ROCK AM HÄRTSFELDSEE an: Die Folk-Rocker von FIDDLER’S GREEN, die wohl am wenigsten in das Lineup reinpassen wollten. Aber wen interessiert das schon? Sie vermochten es von Anfang bis Ende für eine mörderische Stimmung zu sorgen, das Publikum zu animieren und das Zelt zum Tanzen zu bringen. Auch wenn die Jungs nicht jedermanns Sache sind, so wird wohl niemand behaupten können, dass sie nicht wissen, wie man Party macht.
Nach Moshpit, Getanze und Mitsingen musste meine Kehle befeuchtet werden und womit geht das auf einem Festival besser, wenn nicht einem kühlen Bier? Dieses (ein lokales Bier) schmeckt nicht nur gut, sondern wird auch zu humanen Preisen angeboten. Zwei Euro für einen 0,4-Liter-Becher (+ zwei Euro Pfand)? Da habe ich schon teurer getrunken.
Nun war der Durst gelöscht und nach kurzer Umbaupause ging es zu dem von mir am meisten erwarteten, aber auch enttäuschendstem Acts des Abends: SOILWORK. Die Schweden um Björn „Speed“ Strid hatten es zwar spielerisch drauf, jedoch konnten sie die Menge nicht so ganz für sich gewinnen und es schien, als seien sie recht hilflos gewesen beim Versuch, etwas Action hineinzubringen. Das ging sogar so weit, dass gefühlt nur noch die Setlist heruntergespielt wurde, bis die Zeit rum war. Schade eigentlich, denn ich habe mich als langjähriger Hörer sehr darauf gefreut, die Truppe einmal live zu sehen.
Des Weiteren war hier der Sound zum Teil sehr schlecht, weshalb in meinem Ohr teilweise nur Tonmatsch ankam. Das Problem hatten aber hierbei nicht nur SOILWORK. Auch bei den anderen Bands gab es immer wieder Probleme mit dem Sound. Mal zu stark übersteuert, mal zu basslastig, so ging es den ganzen Abend. Leider hat sich das erst zum Headliner gebessert. Warum nicht gleich so? Und wieso kriegt man das seit Jahren nicht hin? Klar ist es in einem Zelt immer schwierig, eine gescheite Akustik zu bekommen, aber 2012 (wie schon gesagt, bin ich schon öfter hier gewesen) hat es doch auch geklappt – vor allem beim damaligen Headliner-Act BLIND GUARDIAN, die wirklich großartig klangen!
Die schlechte Akustik störte DIRKSCHNEIDER jedoch nicht und diese lieferten, Gott sei Dank, eine bessere Show ab, als ihr Vorgänger. Die Setlist bestand dabei hauptsächlich aus alten ACCEPT-Songs, was mich nach dem Interview, dass er keine solchen Songs mehr spielen will, ebenso wunderte, wie Andre auf dem Graspop Metal Meeting.
Nach einer knappen Stunde hochkarätigem Heavy Metal und einer etwas zu langen als angepeilten Umbauzeit, kam es zum wohl am meisten erwarteten Gig des Abends: Der Headliner POWERWOLF kam auf die Bühne. Ja, Asche auf mein Haupt, aber die Jungs habe ich dieses Jahr zum ersten Mal gesehen und ich fand ihre Show tatsächlich sehr gut! Das Bühnenbild kann sich sehen lassen, ebenso wie ihre Fähigkeit, das Publikum zu animieren. Deswegen meine Empfehlung an alle, die halbwegs etwas mit POWERWOLFs Musik anfangen können und noch nicht live gesehen haben: Schaut sie euch ruhig einmal an! Ich für meinen Teil hatte auf jeden Fall sehr viel Spaß. Gespielt wurde über die geplante Spielzeit hinaus mit zwei Zugaben, welche das Festival schön abrundeten.
Wieso sollte ich also jetzt auf ROCK AM HÄRTSFELDSEE kommen, wenn es genug andere coole Kleinfestivals gibt?
Zugegebenermaßen ist dieses Festival am Ende des Tages auch nur eines von vielen, welche man überall in Deutschland findet. Es hat eine geringe Zuschauerzahl, ist sehr ländlich gelegen und die Preise sind alle sehr human. Für mich strahlt es jedoch einen Charme aus, der mich seit nunmehr sechs Jahren immer wieder hintreibt – sei es die familiäre Atmosphäre, oder die doch sehr hochkarätigen Bands (am dem See traten schon Größen wie SAXON, W.A.S.P., BLIND GUARDIAN, DARK TRANQUILLITY und MOTÖRHEAD auf). Und genau das macht meiner Meinung nach den großen Unterschied: Hier im tiefen Süden findet man nicht so leicht ein gutes Festival mit solchen Bands. Da muss man schon weitaus weiter fahren und weitaus mehr als den Preis von 70 Euro für ein Festivalticket (40 Euro für eine Tageskarte) blechen.
Also ist mein Fazit: Wenn ihr euch für ein paar Bands im Lineup interessiert und in der Nähe wohnt, lohnt es sich definitiv einmal vorbeizuschauen. Es ist bei weitem kein perfektes Festival, denn auch nach 20 Jahren gibt es noch viel zu schrauben, aber es ist ideal für Leute, denen die Vertreter SUMMER BREEZE, BANG YOUR HEAD und WACKEN zu groß sind.
Noch einmal alle Infos auf einen Blick:
Location: Härtsfeldsee bei Dischingen (Landkreis Heidenheim)
Datum: 24.06.-25.06.2016
Preis: 72€ VVK; Tagesticket 42€
Genres: Heavy, Death, Power, Core, Folk, Thrash
Bands: Alsion, Hot Rod Mayhem, Kissin’ Dynamite, Destruction, Doro, Freiwild, Desaster Kids, Hackneyed, Soilwork, Fiddler’s Green, Dirkschneider, Powerwolf
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Dies ist ein Gastautorenbeitrag von: Sascha
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6 Kommentare
[…] Ob dieses Konzept bei meinem nun siebten Mal am Härtsfeldsee weiterhin funktioniert und ob meine im letzten Jahr angeprangerten Negativaspekte nun ausgemerzt wurden, oder man sich nach so langer Zeit zur Ruhe setzt und sich auf seinen […]
Schöner Bericht und ja der Sturm hat schon lange Tradition (2012), aber wer zu RaH geht ist farauf meistens schon eingestellt.
Jap. Als ich vorher den Wetterbericht angesehen hatte, hatte ichs chon befürchtet, dass der traditionelle Sturm ausfallen würde 😀
Bezüglich Dirkschneider:
Udo will tatsächlich mit seiner Formation U. D. O. keine Accept-Songs mehr spielen… jedoch macht er (mit denselben Leuten, aber unter dem Namen Dirkschneider) eine „Abschieds-Tournee“, auf der er zum letzten Mal Accept-Songs spielt (und zwar nur Accept-Songs). Guter Artikel, jedoch an diesem Punkt nicht besonders gut recherchiert 😉
Guter Bericht bzgl Bands, ich vermisse jedoch noch was: Man kommt leicht an Autogramme, Duschen und Spülklos sind kostenlos und vor allem: man kann den ganzen Tag am See liegen, baden und trinken weil der See wirklich direkt daneben ist. Und Kissin Dynamite sitzen auf dem Handtuch 2m weiter 😉
Stimmt! Das hab ich ganz vergessen!
Bzgl. Kissin‘ Dynamite: Hatte da ein ganz nettes Gespräch mit Jim. Cooler Typ. Sau witzig, wie es dazu kam, dass die beiden da geblieben sind: Hatten keinen Bock auf Weiterfahren, also blieben sie da und hatten dann null Ahnung wie sie heimkommen sollten xD