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„Ein Herz für Trinker“ – Ein Abend mit GEWOHNHEITSTRINKER und OXO 86

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„Schade, wirklich schade, Mann – dass man Bier nicht streicheln kann!“

Ein Lied-Zitat als würdige Überschrift für einen famosen Abend… 00:45 Uhr, endlich Zuhause. Das Shirt ist zu einer Einheit mit meiner Hose verschmolzen und beides zusammen hat sich in einer zentimeterdicken Feuchtigkeitsschicht an meinen Körper gesaugt. „Rien ne va plus“ und goodbye, denn nix mehr geht! Der Opener von OXO 86 ist jetzt Programm für mich, bevor ich literweise Bier und Fremdschweiß von mir ab und die Dusche hinunter spüle… aber von vorne:

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Nun, nach etwas kurzfristiger Planung hab ich also meine übliche Begleitung zu den Szenekonzerten abgeholt und auf geht es nach Connewitz. Unterwegs muss ich schon feststellen, dass ich noch nie im hellen zu einem Konzert in der Location war – und noch nie bei solch sommerähnlichen Temperaturen.

Wir verkürzen die Wartezeit mit einem Bierchen, bevor wir dann vor die Bühne steuern. Dort ist bis dahin kein Mensch zu sehen. Also verschaffen wir uns und unserem Kaltgetränk einen zentralen Platz vor der Bühne, denn ich freue mich wie ein Schnitzel auf die Vorband! Die GEWOHNHEITSTRINKER geben sich hier die Ehre. Die Band ist schon lange mehrfach im Plattenregal vertreten, allerdings habe ich bisher keinen Auftritt besuchen können. Das änderte sich jetzt endlich! Und ich muss feststellen: Es hat sich gelohnt!

Für immer Vorband!

Trotz leerem Publikumsraum wird direkt losgelegt – also nachdem der Schlagzeuger mit drei Bier in der Hand drei Minuten nach den beiden anderen Bandmitglieder auch den Weg vom Klo auf die Bühne gefunden hat. Und verdientermaßen füllt sich jetzt auch das Publikum recht schnell, denn die Band liefert einfach großartigen OiI! Simpel, schnell und schnörkellos, aber dafür mit durchaus cleveren und oft auch kritischen Texten. Aber natürlich genauso oft mit zum Namen passenden Lieder über einen sorgenfreien Alkoholkonsum, die Szene oder auch über die Qualitäten der eigenen Band! Der Sound der Jungens aus dem Südwesten der Republik könnte eigentlich auch direkt aus den 90ern entsprungen sein – und gerade die teilweise ungewöhnliche Stimme bzw. Gesangsart des Sängers sorgt für einen guten Wiedererkennungswert!

Vorhang auf für den optischen Leckerbissen

Insgesamt wird eine knappe Stunde gespielt, die sehr kurzweilig ist und das Publikum jetzt auch gut anheizt. Wobei anheizen bei den sommerlichen Innenraumtemperaturen wirklich nur für die Stimmung nötig ist. Die Truppe wird angemessen gefeiert und die Umbau-Bierholen-Luftschnappen-Pause steht an. Meinem gemarterten Hirn kann ich nachträglich noch entnehmen, dass unter anderem „Vorkriegsjugend“, „Für immer Vorband“, „Skinheadformation“, „Das Wunder von Bern“ und „Keiner mehr da“ gespielt wurden. Achja, und das optische Highlight darf nicht unerwähnt bleiben: Während der Gitarrist und Bassist in einwandfreier Szene-Optik ihre Instrumente bearbeiten, brennt der Schlagzeuger ein optisches Feuerwerk ab. Wie schon erwähnt – ungefähr drei Minuten zu spät, dafür aber oberkörperfrei und mit drei Bier in der Hand betritt er die Bühne und bietet beim Besteigen des leicht erhöhten Schlagzeugpultes ein herrliches Maurerdekolleté. Desweiteren legt er eine nahezu hypnotisierende Leidensfähigkeit in der Mimik während seines Spiels an den Tag und trommelt zwischenzeitlich einhändig – während des Biertrinkens. Und vor allem aber trägt er einen Oberlippenschnauzbart, der jeden mexikanischen 80iger-Jahre-Pornostar vor Neid erblassen lassen würde! Eine absolute Choryphäe der Typ, ein lebendes Statement für die Working Class! Chapeau!

Das Bier ist leer…fast! RESTBIERVERWERTUNG!

Mit solchen optischen Augenweiden rechne ich bei OXO 86 nicht. Allerdings ist zu vermuten, dass die Bernauer sich heute besonders ins Zeug legen würden, denn es soll eine Videoaufzeichnung des Konzertes stattfinden. Die Temperaturen im Innenraum sind knapp vor denen des Fegefeuers. Das Publikum ist in freudiger Erwartung und dann entert die Band die Bühne. Die ersten Töne erklingen, sachte, nur vom Sänger. Und jeder weiß, wenn gleich die Instrumente einsetzen, eskaliert es. Die Instrumente setzen ein – und es eskaliert! Unzählige Bierflaschen, inklusive der des Autoren, recken sich in die Höhe und baden den marodierenden Haufen vor der Bühne in einen Nebel aus Bier, der sich mit aufsteigendem Dampf der schwitzenden Körper vermischt. Wundervoll! Spätestens jetzt ist jeder von innen und außen durchnässt. Der Pullunder des Menschen vor mit fühlt sich an, als wenn er damit baden war. Und der Fußboden hat sich eine Art tückischen Sumpf verwandelt, bei dem zwischen Festkleben und Ausrutschen nur wenige Millimeter liegen.

Lieber widerlich als wieder nich‘ – auf in die Menge!

Als Opener wird „Rien ne va plus“ vom letzten Album gespielt, das ich seitdem auch als Ohrwurm habe. Aber auch insgesamt dürfte hier kein Liedwunsch offen bleiben. Die 2 Stunden Konzert sind ohne Verschnaufpause, die Menge tobt, pogt und skankt. Und schwitzt! Und von der Bühne kommt ein Knaller nach dem anderen: „Bier und Reggae“, „Working Class Hero“, „Bernau Punkrock League“, „Elvis hat uns verlassen“, „So beliebt und so bescheiden“, „Ein guter Tropfen“, „Schade“ und viele, viele mehr.

Uns treibt es durch die Menge. Mal ausgelassen tanzend und im nächsten Augenblick in der wilden Menge wogender Körper vor der Bühne die sich hemmungslos am Pogo erfreut!

Bei dem abgespielten Programm bleibt keine Faser trocken, der Konzertraum gleicht einer Dampfsauna. Und die Band schwächelt keinen Augenblick, bis zum Ende wird durchgezogen. Und auch der Trompeter hat sich einen formschönen BH ins Shirt geschwitzt. Beim Abschluss ist dann auch eine gewisse Erleichterung bemerkbar, als das Konzert 0:10 Uhr erfolgreich beendet wird. Der Sänger zieht vor dem Publikum den Hut – was ebenfalls eine Fontäne aus Flüssigkeiten erzeugt!

Noch ein paar Worte zur Band:

OXO 86 sind ein Phänomen der Szene, wie ich finde. Lieder, die einfach gute Laune verbreiten. Stücke, die durch die beteiligte Trompete den Szenewurzeln in Ska und Reggae huldigen. Lieder, die Texte mit geschliffenem Humor und immer einem Augenzwinkern beinhalten. Einfach Lieder die in jeder Lebenslage einfach nur Lust auf Musik, auf Tanz, auf Konzerte und auf ein kühles Bier machen! Und die von völlig bodenständigen und coolen Typen auf die Bühne gebracht werden, die es schaffen, auf dem schmalen Grat zwischen professionellem Spielen und dem „Oh Gott, wie sind wir zu so vielen Fans gekommen“ zu balancieren. Und die Stücke sind einzigartig, typisch, unverkennbar!

Für mich machen die Jungs die beste Gute-Laune-Musik, die es gibt. Und ich bin der festen Überzeugung, dass die Lieder bei jedem Gefallen finden, der sich darauf einlässt. Es ist auch jedesmal wieder schön zu beobachten, wie finstere Jungs mit breitem Kreuz und kurzem Haar sich gegenseitig bierselig und freudestrahlend in den Armen liegen. Währenddessen sich vor der Bühne grünlich schimmernde Irokesenfrisuren wild im Takt der Musik bewegen und zwischendrin der ein oder andere nur noch durch sein Bier und eine gewisse Verwindungs-Steifheit der Wirbelsäule aufrecht gehalten wird.

Einen kleinen Einblick zum Konzertbeginn bietet das Video hier (leider nur auf Facebook aktuell):

Der Abend an sich war phänomenal. Wir versuchen nun noch gegenseitig so viel wie möglich vom eigenen Schweiß auf den jeweils anderen zu übertragen und nehmen den Weg zum Auto. Bevor dann als nächstes für mich düsterer Metal auf dem Dark Troll Festival auf dem Plan steht, ist dieser Abend ein hervorragender Einstieg in den Sommer =)

Achja – mich wundert immer wieder, dass es noch keine „After-Konzert-Sitzschonbezüge“ mit Logo eines großen Merchandise-Händlers gibt, um des deutschen heiliges Gefährt vor dem Elend zu schützen, was sich am Ende des Abends wieder in den Sitz drückt.

Cheers!


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