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Gorguts und die Schönheit im Chaos

"Pleiades' Dust" Review

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Veröffentlichungsdatum: 13.5.2016
Dauer: 32:59
Label: Season of Mist

Mit einem Donnerschlag meldeten sich GORGUTS 2013 zurück. „Colored Sands“ wurde vielerorts Platte des Jahres und hinterließ positive Eindrücke, durchaus verdient und nicht nur, weil der Vierer mittlerweile Klassikerstatus besitzt.

Experimentierfreund und Chefdenker Luc Lemay hat sich für die neue EP einer gar nicht mal so neuen Idee angenommen. So besteht „Pleiades‘ Dust“ aus exakt einem Song mit einer Spiellänge von knapp 33 Minuten. Auch lyrisch agiert man alles andere als für Death Metal typisch. Thematisiert wird der Aufstieg und Fall des „Hauses der Weisheit“,einer Akademie in Bagdad, die vom neunten bis ins 13te Jahrhundert existierte.

Bereits nach wenigen Sekunden wird klar: der auf „Colored Sands“ eingeschlagene Weg wird weitergeführt, ohne jedoch den Eindruck zu wecken hier lediglich eine eingedampfte Version der Vorgängerplatte rauszuhauen. Schwere, dissonante Gitarrenakkorde eröffnen das Stück, langsam gesellen sich Schlagzeug und Bass hinzu. Was mir sofort auffällt: die Drums, neuerdings beackert von Patrice Hamelin und seinem Vorgänger John Longstreth in Nichts nachstehend, klingen deutlich gesünder, organischer und wärmer, als noch auf dem 2013er Release. Bassist und Produzent Colin Marston (KRALLICE, DYSRHYTHMIA, BEHOLD THE ARCTOPUS; Menegroth Studios) hat hier offenbar einiges besser gemacht. Danke dafür!

Die EP lässt sich Zeit damit Fahrt aufzunehmen, hier wird langsam, aber bedächtig an der Atmosphäre gearbeitet, bevor das Tempo angezogen wird. Insgesamt betrachtet, ballert das Stück deutlich weniger und wenn, dann deutlich doomiger als erwartet. Was nicht heißen soll, dass GORGUTS etwas an Biss eingebüßt hätten. Allerdings wird die dynamisch mögliche Bandbreite hier vollständig ausgelotet. Immer wieder wird das Tempo gedrosselt und durchdacht wieder angezogen. Erst durch das Zusammenspiel aller werden Songteile hier stimmig oder dissonant, tonal oder atonal, in geraden oder ungeraden Metren gespielt. Hier wird jede einzelne Facette vor allem durch den Kontrast zu den Anderen nach außen gekitzelt.

„Pleiades‘ Dust“ ist mehr als die Summe seiner Teile und doch sind es diese mehr als wert, individuell betrachtet zu werden. Zu vielen Zeitpunkten spielen alle Bandmitglieder gegeneinander an, ohne jedoch in Free Jazziges Chaos zu verfallen. Denn jedes Instrument hat hier Raum zu tun, was es kann und muss. Was in der Theorie völlig wahllos klingt, ergibt nach einigen Hördurchläufen durchaus Sinn und schafft Klänge und Passagen, die sich in Hirn und Ohr bohren. Machen wir uns nichts vor: GORGUTS versuchen nicht im geringsten eingängig zu sein, das hier ist immernoch avantgardistischer, experimenteller Extremmetal. Und dennoch ist das hier Gebotene weniger sperrig und deutlich kurzweiliger als gedacht.

GORGUTS beglücken den ambitionierten Hörer im Jahre 2016 mit einer großartigen EP, die Zeit braucht. Viel Zeit. Einer EP die anspruchsvoll zu hören, schwer zu erfassen und noch schwerer zu beschreiben ist. Und dennoch ist die Beschäftigung mit ihr mehr als lohnenswert. Es wird sicher noch einige Dutzend Hördurchläufe dauern, bis jedes Detail erfasst werden kann, doch denen sehe ich mit Freude entgegen.

Autorenbewertung

8
"Pleiades' Dust" ist ein anspruchsvolles Stück Musik, welches beweist, dass es sich bei Luc Lemays Quartett immernoch um einen der wichtigsten Vertreter ihres Genres handelt. GORGUTS liefern hier höchste Innovation und Musikalität, auch wenn die EP erst nach einigen Durchläufen jede Facette ihrer Schönheit offenbart.
ø 3.9 / 5 bei 3 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

+ kurzweilige, aber anspruchsvolle EP
+ eingängige Passagen
+ kompositorisch und technisch auf höchstem Niveau

Nachteile

- verlangt dem Hörer einige Durchläufe und viel Aufmerksamkeit ab, bevor der Funken überspringt

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