Gute Abstimmung, wenig Biss – Hydra
HYDRA – Solar Empire
Veröffentlichungsdatum: 30.12.2016
Dauer: 58:34 Min.
Label: SFT Records
Genre: Symphonic Metal
Als ich mit „Scarlet Occident“ ins Album einsteige, weiß ich nicht so richtig, was mich erwartet. Der feminine Gesang von Frontsängerin Lisa Rieger mutet in einigen Passagen fast schon orientalisch an. Man lässt es zuerst etwas langsamer angehen, ohne dabei aber weich zu wirken oder Spannung vermissen zu lassen. Erst während des zweiten Titels „Between Two Worlds“ wird mir richtig klar, wie stark man auf Backing-Vocals, Flötengedudel und andere Spielereien setzt. Sofort frage ich mich, wie viel da beim Live-Auftritt wohl ‚aus der Dose‘ kommen wird, besteht die Stammformation doch gerade einmal aus Sängerin, Bassist, Gitarrist und Drummer. Wie dem auch sei: Akzente setzt man vermehrt durch eben jene Spielereien. Auch wenn das live vielleicht schwieriger wird, klingt das auf CD erstmal nicht schlecht.
„Memorial“ lebt als langsamer, tragischer Song zum ersten Mal so richtig von der Stimme der Frontsängerin. Mal den Soundtrack vom ersten ‚Tribute von Panem‘-Film gehört? An diesen muss ich im Laufe des Titels denken. Es gelingt, einen stimmigen Song zu schaffen, in dem die Chorgesänge an den richtigen Stellen platziert werden – weder übertreibt man es damit, noch kommt zwischendurch Langeweile auf. Passt!
HYDRA verstehen es gut, die einzelnen Elemente aufeinander abzustimmen. So fügt sich auch der Gastbeitrag von Jule Dahs nahtlos in „Witness Of Arbitrament“ ein. Ist das ein Dudelsack, der hier und da so hervorragend eingebaut wurde? Dazu gesellt sich tatsächlich auch ein Growling der Sängerin! Das Schöne ist, dass es trotzdem nicht überladen klingt, sondern wirklich gut aufeinander abgestimmt und alles in allem sehr facettenreich.
Verspielte Power
Als man in „Crystalline Cage“ nochmal Kraft rausnimmt, wird mir klar, was noch fehlt, damit die Musik bei mir richtig zündet: Dramatik und vor allem ENERGIE! Sängerin Lisa hat eine recht zarte Stimme, die im Zusammenspiel mit Chören, musikalischer Untermalung usw. ziemlich gut funktionieren kann, mich für sich genommen aber nicht so richtig umhaut. Bin ich zu verwöhnt von klassisch-kräftigen Stimmen à la Dianne van Giersbergen oder Tarja Turunen? Vielleicht stellt HYDRA gar nicht den Anspruch, solchen Gesang einbauen zu wollen, aber mit der Zeit wäre genau diese Energie gar nicht schlecht. Nach zwei Dritteln des Albums geht mir nämlich langsam die Puste aus – was schade ist, sind doch die Songs oft catchy und die einzelnen Elemente so gut aufeinander abgestimmt!
Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich jetzt mal ne richtig kraftvolle Nummer brauche, damit es mich wieder wachrüttelt. „Assassins Scent“ macht das genaue Gegenteil, indem es seicht anfängt – und irgendwie wirkt’s. Die langsameren, getrageneren Nummern gelingen der deutschen Gruppe besser, weil die weiche Stimme der Sängerin besser wirken kann als in Passagen, in denen nebenher fünf verschiedene Instrumente dynamische Melodien schmettern. Schneller wird der Song nur dann, wenn einmal kein Gesang zu hören ist. Aufgrund des eben dargelegten Umstandes ziemlich clever.
Je später das Album …
An instrumentaler Vielfalt mangelt es sicher nicht. Nachdem der letzte Song sich großzügig im Einsatz von Streichern zeigte, beginnt der Song „Horns Of Erakor“ mit… Nun ja, lest den Titel und denkt scharf nach! Fast schon episch geht es los, ehe bis auf das Keyboard alle Instrumente verstummen und neben diesem nur noch ihr Gesang zu hören ist. Und dann setzt er ein – Henning Basse von FIREWIND, der mit bedrohlicher Stimme verkündet, dass er sie fangen und verbrennen werde! Die Figur, selbstverständlich. Nicht, dass Henning irgendwen verbrennen würde… Da das Album als Konzeptalbum eine Geschichte erzählt, passt diese Episode wunderbar in dieses hinein und ergänzt das Storytelling. Ansonsten macht der Titel für sich allein stehend aber nicht sooo viel her.
„Doomed“ ist für mich ein zweischneidiges Schwert, denn die Klargesangspassagen funktionieren gewohnt gut und gehen sogar einigermaßen ins Ohr, auch wenn der Song sich in diesen Teilen nicht allzu stark von den anderen unterscheidet. Doch die gegrowlten Passagen… Gar nicht gut! An dieser Stelle wirken diese einfach deplatziert und machen den Titel kaputt, anstatt ihn aufzufrischen. Ansonsten aber ein solider Song.
Im Finale „The Last Swan“ gibt es noch einmal akustischen Besuch – von keiner geringeren als Zuberoa Aznárez, Sängerin von DIABULUS IN MUSICA! Der Anfang ist düster und gibt der Gastsängerin kurz die Chance, mit ihrer klassischen Gesangsstimme zu glänzen. Leider gibt der Song ansonsten aber zu wenig Gas – vor wenigen Wochen habe ich auf „Dirge For The Archons“ ja gesehen, zu was die Spanierin mit der richtigen musikalischen Untermalung imstande ist. Schade, dass man das Potenzial hier nicht genutzt hat.
Autorenbewertung
Vorteile
+ glänzen mit langsamen Titeln, in denen Lisas Stimme sich entfalten kann
+ unterhaltsame Melodien, die selten langweilen
+ gestandene Gastsänger
Nachteile
- Sängerin kann sich gegen stärkere Instrumentals bisweilen nicht so richtig durchsetzen
- durchwachsene Growling-Versuche
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