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HAKEN in Leipzig – Geballte Prog-Power

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Meine Begleitung Yeti und ich betreten das Conne Island, das kurz vor 20 Uhr schon voller Leute – unübersehbar zu großen Teilen in HAKEN-Merch gekleidet – ist, die sich schwatzend und wartend die Minuten bis zum Showbeginn von BENT KNEE vertreiben. Die Bühne ist bis zum Rand vollgestellt mit Rigs, Synthies und Drumkits. Einige Elemente sind noch abgehangen. Es wirkt sehr beengt, aber für die sechs Bandmitglieder scheint der Platz ausreichend, um im weiteren Verlauf auch in Flummi-Manier ihre Performance abliefern zu können. Die Bostoner von BENT KNEE legen Punkt 20 Uhr los.

Und wie!

Bent KneeEnergetisch und positiv, wie ich es lange nicht mehr beobachten konnte. Was stutzig macht, ist, dass auffällig viel Hall auf der Stimme der Sängerin liegt. Wie wir wissen, verzeiht Hall Fehlerchen im Gesang… von solchen habe ich aber nicht viel mitbekommen. Ihr Gesang ist klar und durchsetzungsstark. Und dabei nur halb so anstrengend jaulig, wie es mir zuvor auf den Aufnahmen vorkam. Vokal unterstützt wird sie durch Bassistin und Gitarristen. Der Gesamtsound ist satt und voll dank zweier Gitarren plus Synthie/Key, Bass und Violine bis zu dreistimmigem Gesang. Dabei erscheint es aber nie überladen. Wegen der des Timbres ihrer Stimme und dem stets durchsetzungsfähigen, kontrapunktischen Bass muss ich zwischenzeitlich an Esperanza Spalding denken.

Bent KneeUnd so groovt sich die Band heavy und rhythmisch durch ihre Songs, ohne darin Raum für sphärische Episoden vermissen zu lassen. Augenscheinlich findet die Mischung gut Anklang beim Publikum. Es wird gefesselt auf die Bühne geblickt und sich sichtlich am Anblick der hüpfenden, sich ihrer Musik erfreuenden Band gelabt.

In minimalistischen Parts, die durch instrumentale Akzente im sonst leeren Raum getragen sind, werde ich durch schön verschobene Rhythmen bei Laune gehalten. Es scheint, als hätten sie einfach mal im Proberaum für diese Episoden lustige Zahlenreihen erdacht und dann Pausen und Anschläge aneinandergebaut. Es kommt öfter im Set vor, dass ruhige Passagen mit gewürfelten Rhythmusspielen aufgepeppt werden und ich nur raten kann, wie das denn bitte gezählt werden soll.

Mir gefällt’s

Bent KneeDie Besetzung schafft ein breites Soundrepertoire. Es werden erweiternd Triggerpads an den Drums genutzt und der Violine Effekte verpasst. Letztere geht leider meist etwas unter. Es sei denn sie wird in gezupften bzw. Arpeggio-Solo-Teilen bewusst hervorgeholt. Zeitweise wirken die Effektüberlagerungen nicht immer optimal austachiert. Das kann aber auch an meinem persönlichen Geschmack liegen. Manche Atmoflächen sind mit ausschweifenden Hallüberlagerungen der Stimme schon arg abgespaced und mir zu „künstlerisch“. Sonst zeigen sich BENT KNEE aber sehr mitreißend mit schöner Performance. Sie haben ganz klar Spaß an der Sache und Begeisterung für das, was sie da tun. Sie fahren eine Palette an Sounds auf, die von Disco-Tanzmusik über minimalistische Spielereien zu funky-poppigen oder heavy Strukturen reicht.

Ihre sehr schnell vergehenden 30 Minuten Set sind ein netter Teaser. Hoffentlich kommen sie bald wieder mit mehr Spielzeit und Material in unsere Landen. Potenzial haben sie zweifelsohne. Sie könnten dank radiotauglicher Hooks auch gut zukünftig mehr Aufmerksamkeit bekommen.

VOLANach einem kurzen Umbau lichtet sich das Bühnenchaos etwas und 20:45Uhr starten VOLA ihre Show. Naja, was heißt schon „Show“ – im Vergleich zu dem hüpfend, tanzenden Opener wirken sie eher wie eingeschlafene Füße. So vergleichsweise ruhig, wie sie dort stehen. Aber das passt ja auch besser zu ihrer tragenden, melancholischen Musik. So von Angesicht zu Angesicht kann einem das Trio [Moment?! Sind die nicht eigentlich zu Viert? Haben sie ihren Keyboarder Zuhause lassen müssen?] aus Dänemark einfach nur sympathisch sein. Der Sound ist heavy und überrollt mich erstmal. Die Stimme von Sänger Asger Mygind ist live samtweich und so angenehm, dass ich etwas erschrocken aufblicke, als er anfängt zu growlen. Ja, doch. So schmeckt mir das. Schöne Schwere, schöne Sentimentalität.

Eine Badewanne Melancholie

VOLA„Smartfriend“ schiebt als Opener gut los und nimmt die Hörer freundlich in Empfang. „Ghost“ hingegen dudelt so vor sich hin. Wirkt fast belanglos, während der sich das anschließende „Your Mind Is A Helpless Dreamer“ richtig schön losrumpelt und mich mitreißt. Im Vergleich zu BENT KNEE bleibt das Publikum eher unbewegt. Es lauscht andächtig und scheint angetan. Klar, VOLA präsentieren wahrlich keine Tanzmusik. Sie bauen mit ihrer ruhigen Ausstrahlung und dem walzenden Sound eine äußerst entspannte Atmosphäre auf, die zumindest mich etwas ins Träumen geraten lässt.

VOLAWas mich plötzlich total aus meiner Verträumtheit haut, ist „Alien Shivers“. Dieser Song zeigt mir ganz explizit die gesangliche Stärke der Dänen. Bassist und Gitarrist liefern glasklar und kräftig Zweistimmigkeiten ab, die mir bisher in ihrer Qualität nicht aufgefallen sind. Solche Spielereien gibt im Setverlauf noch öfter. Am Ende bleibt der Eindruck: VOLA haben es drauf, eine tolle, dunkelromantische Grundstimmung aufzubauen. Sie machen Düsterrock für Große. Das Ganze verpackt in eine Darbietung, die qualitativ keine Wünsche offen lässt. Besonders hevorzuheben sei hier auch der Drummer. Sichtbar vertieft in die Materie trommelt er vor sich hin.

Insgesamt wird den Dänen eine dreiviertel Stunde Spielzeit eingeräumt. Und auch wenn sie mich aus irgendwelchen Gründen nicht zu 100% abholen konnten, war es schön und hätte nach meinem Geschmack auch gern etwas mehr sein können.

HakenPünktlich um 22 Uhr beginnen HAKEN dann ihre Show. Zunächst mit einem Wilhelm Tell-Intro vom Band, das für Lacher im Publikum sorgt. Sympathien haben die Briten offenbar hier ausreichend. Es folgt „Clear“ als episch-instrumentaler Beginn, während die Band unter Applaus die Bühne entert. Ja, hier ist die Vorfreude greifbar! „The Good Doctor“ als Opener sorgt für enthusiastisches Mitsingen, als wäre es ein Popsong, der stets im Radio läuft und deswegen jedem im Gedächtnis ist. Auf der Bühne selbst wirkt die Stimmung etwas schläfrig. Sänger und Vollblut-Entertainer Ross Jennings zieht von Sekunde Eins seine Show ab. Aber so richtig begeistert scheint dahinter noch keiner weiter zu sein. Bis auf den Keyboarder, der auch sichtbar herumposiert. Das Publikum ist dennoch mit Feuereifer dabei. Es feiert HAKEN und singt mit. Zum Teil laut und schief – aber immerhin zumeist so textsicher und begeistert, wie ich es lange nicht mehr auf einem Konzert erlebt habe. Puzzle Box“ wird direkt danach abgefeuert und findet ebenso Anklang beim Publikum.

… And now to some technical wankery

Nachdem die ohrwürmerlicheren Songs des neuen Albums in auch dieser gewohnten Reihenfolge abgesfrühstückt wurden: Now to some technical wankery! „Falling Back to Earth“ vom inzwischen schon sechs Jahre alten „The Mountain“ bringt einen sehr schönen Bruch ins Set und ich empfange es dankbar. Ich mag die älteren Alben für ihre weitflächigen Arrangements, die weniger den gewohnten Songstrukturen folgen. Dargeboten in liebgewonnener und verlässlicher Präzision enttäuscht die Band nicht und zeigt, dass sie sehr genau weiß, was sie tut.

Haken„A Cell Divides“ kehrt zurück zu „Vector“, liefert etwas mehr Vertracktheit. Es wird von bilderbuchreifen, kollektiven Fernsehgarten-Mitklatschern zum Intro von Djent-Instrumental „Nil by Mouth“, das ich ja für sein ungewohnt brachiales Auftreten und Hang zum Industrial schon arg feiere, gefolgt. Da sind aufgezeigte Parallelen zu MESHUGGAH dank djentigerem Auftreten gar nicht so weit entfernt. Ob einem die Entwicklung der Band in diese Richtung gefällt oder nicht, sei jedem selbst überlassen. Was auffällt, ist, dass großrahmige, strukturelle Entwicklungen und Merkwürdigkeiten eine kleinere Rolle spielen. HAKEN gehen mehr in traditionelle Songstrukturen und wirken damit schlicht „poppiger“, ohne dabei aber technische Spielereien zu vernachlässigen.

Momentan ist ihre Spielfreude für mich nicht so richtig spürbar. Das könnte jedoch auch daran liegen, dass die Jungs vielleicht einfach zu cool für Späßchen sind. Auch Ross wirkt neben seinen Entertainer-Qualitäten doch recht distanziert. Einzig Diego Tejeida genießt seine 60 Sekunden Ruhm sichtlich, als er sich zum „1985“-Keytar-Solo auf der Bühne Richtung Publikum bewegt. Zelebriert wird dieser Song vom Sänger inzwischen wohl standardmäßig mit der leuchtenden, mit Neon-Stäbchen ausgestattetem Modefauxpas in Form einer Brille. Zwischen diesen und den nächsten Song von „Affinity“ hat sich noch „Veil“ geschummelt. Damit sind bis auf das ruhige „Host“ des „Vector“-Albums alle Songs desgleichen vertreten.

HakenAls 23 Uhr der letzte Song angekündigt wird, ahne ich schon, dass es hier nicht in 15 Minuten vorbei ist. Nein. Wir sind ja bei HAKEN – und da kann man sich sicher sein, dass sie es sich nicht nehmen lassen, den letzten Song plus Zugabe so zu kombinieren, dass noch locker 40 Minuten Set rauszuholen sind. Die Ehre, das Hauptset zu schließen hat „The Architect“.  Und dieser weiß mit seinen über 15 Minuten Spieldauer einfach zu überzeugen. Ja, ich mag „Affinity“ nach wie vor sehr gern und dessen Songs mehr als die des neuen Albums. Das 20 minütige „Crystallised“ wird als durch das Publikum erarbeitete – und zugleich wie selbstverständlich erwartete – Zugabe gespielt.

Insgesamt ist der Sound heute sehr gut und die Gesamtlautstärke im Conne deutlich angenehmer als zu OBSCURA. Es geht also doch. Was mir allerdings beim Stromern am Merch-Stand negativ auffällt sind die gesalzenen Preise. Gut, von irgendetwas müssen die ja auch leben – aber 10€ für ein Patch haben zu wollen oder generell zerkloppte Sticks zu verkaufen, halte ich – vorsichtig gesagt – für latent übertrieben. Abgesehen davon halte ich aber das Preis-Leistungs-Verhältnis für diesen Abend für sehr angemessen und freue mich über die gelungene Zusammenstellung an Bands. Mit Sicherheit werde ich weiter die Augen offenhalten, um sie ein weiteres Mal live irgendwo abgreifen zu können.

Hier kannst du dir Yetis Fotos vom Abend ansehen. Lohnt sich, guck mal rein!

 


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